Frankfurter Silberinschrift

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Foto der Frankfurter Silberinschrift
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Umzeichnung der Frankfurter Silberinschrift
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Die Frankfurter Silberinschrift ist eine 18-zeilige lateinische Gravur auf einer Silberfolie, die sich in einem Schutzamulett aus der Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. befand und wegen ihres Bezugs auf Jesus Christus das älteste bisher bekannte Zeugnis des Christentums nördlich der Alpen darstellt.[1] Das Amulett wurde im Jahr 2018 bei archäologischen Untersuchungen auf einem Gräberfeld am Rand der früheren römischen Stadt Nida im Nordwesten von Frankfurt am Main in Hessen gefunden.

Lageplan der einstigen Römerstadt Nida mit Fundort der Frankfurter Silberschrift auf dem Gräberfeld im gelben Kreis

Bei Ausgrabungen vor dem Bau eines Wohnhauses im Frankfurter Stadtteil Praunheim stießen Archäologen 2017 auf 127 bis dahin unbekannte Bestattungen, überwiegend Körpergräber. Die als Gräberfeld „Heilmannstraße“[2] bezeichnete Fundstelle wird der Römerstadt Nida zugeordnet, die von Mitte des 1. bis Mitte des 3. Jahrhunderts, also bis zur Aufgabe des Obergermanisch-Raetischen Limes, bestand und Verwaltungssitz der Civitas Taunensium war. In einem der Gräber fand sich 2018 das Skelett eines Mannes, dessen Alter bei seinem Tod auf etwa 35 bis 45 Jahre geschätzt wurde. Vorgefundene Nägel wiesen daraufhin, dass er in einem Sarg beigesetzt wurde. Im Halsbereich unterhalb seines Kinns lag ein 35 mm langes und 9 mm breites silbernes Amulett in Form einer Kapsel. Es wurde vom Verstorbenen vermutlich mit einem Band um den Hals getragen und war ein magisches Schutzamulett, ein Phylakterion, das Dämonen abwehren und den Träger beschützen sollte. Im Amulett befand sich eine 91 Millimeter lange Silberfolie, die gerollt, gefaltet und geknickt war. Die Bestattung wurde anhand zweier Grabbeigaben, eines Räucherkelchs und eines Tonkrugs, in die Zeit zwischen 230 und 270 n. Chr. datiert. An den sterblichen Resten des Amulettträgers wurde eine Isotopenuntersuchung vorgenommen, um Aufschlüsse über seine Herkunft zu erlangen. Als der Fund 2024 bekannt gegeben wurde, lagen die Ergebnisse noch nicht vor.[2]

Bei der Fundrestaurierung im Archäologischen Museum Frankfurt wurden Amulett und Silberfolie voneinander getrennt. Dabei wurde durch Röntgenaufnahmen im Jahr 2020 festgestellt, das eine Inschrift vorhanden war. Da die sehr dünne Folie durch die lange Lagerung im Boden spröde geworden war und sich nicht entrollen ließ, wurde sie 2024 im Leibniz-Zentrum für Archäologie in Mainz mittels Computertomografie durchleuchtet.[3] Anhand der dabei gewonnenen Daten wurde ein 3D-Modell der Folie erstellt,[2] so dass sich ihre 18 Zeilen umfassende Gravur „digital entrollen“ und auf diese Weise lesbar machen ließ. Der Archäologe Markus Scholz von der Universität Frankfurt entzifferte und übersetzte die Inschrift. Der Text beginnt mit den Sätzen „Im Namen des Heiligen Titus. Heilig, heilig, heilig! Im Namen Jesu Christi, Gottes Sohn.“[4] Im weiteren Text wird Jesus Christus mehrfach erwähnt.[5]

Das Fundstück wurde der Öffentlichkeit erstmals im Dezember 2024 bei einer Pressekonferenz in Frankfurt am Main präsentiert.[6] Kurz danach wurde es in die Dauerausstellung des Archäologischen Museums Frankfurt aufgenommen.

Der Fund aus der Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. bietet Einblicke in die frühe Verbreitung des Christentums auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands.[3] Die ersten sicheren Nachweise dafür, dass es hier Christengemeinden gegeben hat, waren bisher die Erwähnungen von Kölner und Trierer Bischöfen als Teilnehmer der Synode von Rom und des Konzils von Arles in den Jahren 313 und 314.[4]

Laut dem Archäologen Markus Scholz verehrt der Text Jesus Christus als Herrn der Welt und zitiert den Christushymnus aus dem Brief des Paulus an die Philipper 2,10–11 EU in lateinischer Übersetzung. Es sei der älteste authentische christliche Text nördlich der Alpen. Einmalig an der Inschrift ist nach der Einschätzung von Scholz, dass sie nur lateinisch und nicht griechisch geschrieben ist.[4] Zu dieser Zeit wurde die christliche Literatur in der Regel auf Griechisch geschrieben, während sich Latein in diesem Bereich erst Jahrzehnte später verbreitete.[7]

Besonders am Text sei auch, dass er rein christlichen und keinen polytheistischen Inhalt aufweise. Das einzige Vergleichsstück aus einem Gebiet rechts des Rheins stammt aus einem Kindergrab der Römertherme Badenweiler. Auf dieser Inschrift wurde neben dem christlich-jüdischen Gott auch ein germanischer Quellgott angerufen.[4]

Eine weitere Besonderheit der Frankfurter Inschrift ist die Anrufung „Heilig, heilig, heilig“. Die Ursprünge dieser liturgischen Formel, des so genannten Trishagion, wurden bisher ins 4. Jahrhundert datiert.[8] Für den Kirchengeschichtler Ulrich Volp von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz zeige der Fund, dass sich das Christentum im 3. Jahrhundert trotz zeitweiliger Christenverfolgungen entlang der Handelswege im Römischen Reich verbreitet hatte.[7]

Der Kirchenhistoriker Wolfram Kinzig von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hält die Inschrift für eines der ältesten Zeugnisse für die Verbreitung des Neuen Testaments im römischen Germanien.[9]

Einzelnachweise

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  1. Frankfurter Silberinschrift: Ältestes christliches Zeugnis nördlich der Alpen gefunden. Pressemitteilung vom 11. Dezember 2024, abgerufen am 11. Dezember 2024.
  2. a b c Anja Laud: Sensationsfund in Frankfurt sorgt für Aufsehen bei Archäologen in HNA vom 12. Dezember 2024
  3. a b Ältestes christliches Zeugnis nördlich der Alpen entdeckt bei Leibniz-Zentrum für Archäologie
  4. a b c d Geschichte des Christentums neu schreiben? bei evangelisch.de vom 11. Dezember 2024
  5. Die „Frankfurter Silberinschrift“ übersetzt ins Deutsche (Stand: 04.12.2024) bei Goethe-Universität Frankfurt am Main vom 12. Dezember 2024.
  6. Archäologen haben ältestes christliches Zeugnis nördlich der Alpen entdeckt. In: Der Spiegel.de. 11. Dezember 2024, abgerufen am 12. Dezember 2024.
  7. a b Theologe: Fund der „Frankfurter Silberinschrift“ ist Sensation bei evangelisch.de vom 12. Dezember 2024.
  8. „Frankfurter Silberinschrift“ – Ältestes christliches Zeugnis nördlich der Alpen gefunden. In: Pressemitteilung der Goethe-Universität Frankfurt am Main. 12. Dezember 2024, abgerufen am 14. Dezember 2024.
  9. Forscher der Uni Bonn am Sensationsfund in Frankfurt beteiligt bei Universität Bonn vom 11. Dezember 2024.

Koordinaten: 50° 9′ 18,8″ N, 8° 37′ 37,3″ O