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Franz Wurst

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Franz Wurst (* 20. März 1920 in Wien; † 9. April 2008) war ein österreichischer Kinderarzt. Im Jahr 2002 wurde er in einem Prozess wegen Anstiftung zum Mord an seiner Ehefrau sowie sexueller Nötigung von zahlreichen minderjährigen Patienten angeklagt und verurteilt.

Medizinische Karriere

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Wurst studierte Medizin bei Hans Asperger und erwarb 1944 seinen Dr. med. univ. an der Universität Wien. Noch später war er stolz darauf, „der jüngste Arzt des Dritten Reiches“ gewesen zu sein.[1] Dann ließ er sich zum heilpädagogisch orientierten Facharzt für Pädiatrie und Kinderneuropsychiatrie ausbilden. Er praktizierte als Kinderarzt und Heilpädagoge. 1948 wurde er Vorstand des 1. Instituts für Erziehungshilfe in Wien, 1951 übernahm er die Leitung des jugendfürsorgeärztlichen und heilpädagogischen Dienstes des Bundeslandes Kärnten in Klagenfurt.[2]

1964 habilitierte sich Wurst an der Universität Wien im Bereich Kinderheilkunde. 1968 wurde er Primarius der heilpädagogischen Abteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt. Wurst war Verfasser mehrerer medizinischer Fachbücher. 1971 wurde er an der Universität Wien zum außerordentlichen Professor ernannt. Er war auch Gastprofessor an der Universität Klagenfurt[2] und arbeitete als Gerichtssachverständiger.[3]

Wurst, der als „allseits hofierte Kapazität“ galt,[4] trug den Titel Hofrat. 1981 erhielt er die Goldene Medaille der Stadt Klagenfurt, diese wurde ihm am 18. November 2003 per Beschluss des Klagenfurter Stadtsenats aberkannt und musste an die Stadt zurückgestellt werden. 1987 bekam er das Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Kärnten, 1998 den Paracelsusring.[5] Er wurde am Döblinger Friedhof bestattet.[6]

Strafrechtliches Verfahren

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Über fast zwei Jahrzehnte berichteten Kinder den Mitarbeitern der heilpädagogischen Abteilung von sexuellen Missbräuchen durch Wurst, jedoch wurde ihnen nicht geglaubt. Eine 1982 erfolgte Klage eines Opfers gegen den als „gesellschaftlich unantastbar“[4] geltenden Wurst wurde von den Behörden „vertuscht“.[7] Erst nachdem einige seiner ehemaligen Patienten der Klagenfurter Psychologieprofessorin Jutta Menschik-Bendele von Übergriffen berichtet hatten, machte diese im Jahr 2000 die Ethikkommission des Kärntner Landesverbands für Psychotherapie auf die Fälle aufmerksam.[8] Wurst rechtfertigte sein Verhalten als Zuwendungstherapie zur Überwindung von Berührungsängsten.[3]

Am 8. Dezember 2000 wurde Wursts Ehefrau tot aufgefunden. Im Zuge der Ermittlungen wurde am 19. Dezember Untersuchungshaft gegen Wurst angeordnet. 2002 wurde er angeklagt, seinen Patensohn Thomas H., den er jahrelang sexuell missbraucht hatte, zum Mord an seiner Ehefrau angestiftet zu haben, da sie diesem Verhältnis im Wege stand.[3] Im Prozess kamen auch die berichteten beruflichen sexuellen Übergriffe durch Wurst zur Anklage. Die Staatsanwaltschaft warf Wurst in ihrem Plädoyer vor, seine päderastischen Neigungen während seiner ärztlichen Tätigkeit ausgelebt und die Hilflosigkeit seiner Opfer zur eigenen Triebbefriedigung ausgenutzt zu haben. 38 ehemalige minderjährige schutzbefohlene Patienten Wursts sagten vor Gericht aus. Sie gaben an, in mehreren Erziehungs- und Erholungsheimen von ihm missbraucht worden zu sein.[3][4]

Wurst wurde in beiden Anklagepunkten für schuldig befunden und am 20. Dezember 2002 zu 17 Jahren Haft verurteilt. Der Paracelsusring wurde ihm aberkannt.[3] Das Bundesland Kärnten sowie die verantwortliche Krankenanstalten-Betriebsgesellschaft zahlten an 48 Missbrauchsopfer eine Entschädigung von insgesamt 540.000 Euro.[9]

Wegen Haftunfähigkeit wurde Wurst nach Verbüßung von vier Jahren freigelassen, was großes öffentliches Aufsehen erregte. Der damalige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider bezeichnete die vorzeitige Entlassung als „Justizskandal und einen Affront gegenüber den vielen Missbrauchsopfern“[10]. Wurst verbrachte sein letztes Lebensjahr in einem Wiener Pflegeheim.[11]

Für die Salzburger Festspiele 2006 war eine Oper über den Fall Wurst mit einem Libretto der Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek geplant. Das Vorhaben wurde nicht realisiert.[4][12]

Im Klagenfurter Stadttheater wurde im April und Mai 2022 eine Produktion von Noam Brusilovsky unter dem Titel Nicht sehen über den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen unter dem Deckmantel von Heilung und Therapie durch Franz Wurst aufgeführt.[13][14]

Schriften (Auswahl)

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  • mit Hansjörg Wassertheurer und Karla Kimeswenger: Entwicklung und Umwelt des Landkindes. Eine medizinische, psychologische und soziologische Studie aus Kärnten. Österreichischer Bundesverlag, Wien und München 1961.
  • Das schwererziehbare Kind im SOS-Kinderdorf. SOS-Kinderdorfverlag, Innsbruck, München und Wien 1962 (= Neue Wege. Beiträge zu aktuellen Erziehungsproblemen. Band I. 7.)
  • als Herausgeber: Das Landkind heute und morgen. Gegenwartsfragen der Landjugend. Österreichischer Bundesverlag, Wien und München 1963.
  • Umwelteinflüsse auf Wachstum und Entwicklung. Stadt- und Landkinder in Kärnten. Barth, München 1964 (= Wissenschaftliche Jugendkunde. 8)
  • mit Anna H. Hartmann und Günther Hartmann: Biologische Grundlagen der Entwicklung und der Erziehung. Österreichischer Bundesverlag, Wien 1971 (= Schriften zur Lehrerbildung und Lehrerfortbildung. 3), ISBN 3-215-01236-7.
  • Sprachentwicklungsstörungen und ihre Behandlung. Österreichischer Bundesverlag, Wien 1973 u.ö., ISBN 3-215-02623-6.
  • als Herausgeber mit Heinz Rothbucher: Zeig mir, wie das Leben geht! Veröffentlichung der Salzburger Internationalen Pädagogischen Werktagungen: Tagungsbericht der 33. Werktagung 1984. Bd. 39. Salzburg 1985.

Einzelnachweise

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  1. Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 14:2 (2003), S. 107.
  2. a b Reinhard Müller: Friedrich Johann Latscher-Lauendorf (1884-1964). Das "Priv. 'Österreichische Soziologische Institut" und die "Österreichische Soziologische Gesellschaft". In: Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich Newsletter 10 (1994), S. 18f. Anm. 53.
  3. a b c d e Simone Seppele: Eine Frage der Glaubwürdigkeit - Die Darstellung sexuellen Missbrauchs in den Printmedien am Beispiel des Kinderarztes F. Wurst. Diplomarbeit Universität Klagenfurt 2005, S. 77–87.
  4. a b c d Kriminalfall Wurst (Bericht v. 14. März 2007) auf ktnv1.orf.at (abgerufen am 11. Mai 2022).
  5. Statistisches Jahrbuch der Landeshauptstadt Klagenfurt 2005, S. XXIX; Simone Seppele: Eine Frage der Glaubwürdigkeit. Diplomarbeit Universität Klagenfurt 2005, S. 110; Stadt Villach: Statistisches Jahrbuch 22 (2003), S. 4 (PDF (Memento des Originals vom 5. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.villach.at).
  6. Franz Wurst in der Verstorbenensuche bei friedhoefewien.at
  7. Hans Weiss: Tatort Kinderheim. Ein Untersuchungsbericht. Deuticke im Paul Zsolnay Verlag, Wien 2012, ISBN 978-3-552-06198-9, S. 84–86 (Google-Vorschau).
  8. Simone Seppele: Eine Frage der Glaubwürdigkeit. Diplomarbeit Universität Klagenfurt 2005, S. 109f.
  9. Fall Franz Wurst, Bericht vom 15. März 2007 auf ktnv1.orf.at (abgerufen am 11. Mai 2022).
  10. Haider empört über Haftentlassung für Franz Wurst: Keine Gnade für Kinderschänder! (Presseerklärung vom 15. März 2007; abgerufen am 16. Mai 2011)
  11. Franz Wurst starb in Wiener Pflegeheim (Bericht vom 9. Juli 2008) auf ktnv1.orf.at (abgerufen am 11. Mai 2022).
  12. Jelinek-Neuwirth-Oper zum "Fall Wurst" abermals vor dem Scheitern. Presseagenturmeldung vom 30. Juni 2004 (abgerufen am 16. Mai 2011).
  13. Nicht sehen, auf stadttheater-klagenfurt.at
  14. Das Brechen von Kinderseelen: "Nicht sehen" in Klagenfurt, Salzburger Nachrichten, 8. April 2022.