Friedrich Kraus (Mediziner)

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Büste, Virchowweg 11, in Berlin-Mitte

Friedrich Anton Kraus (* 31. Mai 1858 in Tetschen, Böhmen; † 1. März 1936 in Berlin) war ein österreichischer Arzt, Internist und Pathologe.

Friedrich Kraus studierte an der Deutschen Universität Prag, wurde 1882 promoviert und trat in die dortige Medizinische Klinik ein, die von Otto Kahler (1849–1893) geleitet wurde. Als Kahler 1889 Prag verließ, um die Nachfolge von Heinrich von Bamberger als Ordinarius für Spezielle Pathologie an der Wiener Universität und Vorsteher der Medizinischen Klinik anzutreten, folgte ihm Kraus als Assistent. 1890 erkrankte Kahler an Zungenkrebs, Kraus übernahm seine Vorlesungen und konnte sich im gleichen Jahr habilitieren.

Zu seinen wesentlichen Veröffentlichungen in dieser Zeit zählt der gemeinsam mit Franz Chvostek (junior) verfasste Aufsatz „Ueber den respiratorischen Gaswechsel im Fieberanfall nach Injection der Koch'schen Flüssigkeit“ (Wiener Klinische Wochenschrift, 1891, 4 (6): 104-107; 4 (7): 127-130).

Nach einem Extraordinariat und der Leitung des Rudolph-Spitals in Wien folgte 1894 ein Ordinariat in Graz. Während seiner dortigen Tätigkeit war Kraus auch in der Öffentlichen Gesundheitspflege aktiv: als dritter Leiter der Grazer Medizinischen Klinik trug er – zusammen mit seinem Assistenten Theodor Pfeifer (1867–1916) – Wesentliches zur Betreuung der Tuberkulösen bei. Auf seine Anregung hin wurden die steirischen Tuberkuloseheilstätten (einschließlich der Stolzalpe) eingerichtet und eine Tuberkulosefürsorge aufgebaut.

Am 21. Juni 1902 wurde Kraus Nachfolger des Klinikers Carl Gerhardt (1833–1902) als Direktor der II. Medizinischen Klinik der Charité in Berlin. Seine Antrittsvorlesung am 14. November 1902 trug den Titel „Über den Wert funktioneller Diagnostik“. Zu seinen Assistenten gehörten Theodor Brugsch (1878–1963) und Rahel Hirsch (1870–1953).

Zum Zeitpunkt von Kraus’ Emeritierung 1927 verzeichnete Brugsch 67 Originalarbeiten, 19 Bücher und 1.312 Arbeiten seiner wissenschaftlichen Mitarbeiter und verweist auf ca. 2.000 Dissertationen, die in der Zeit des Krausschen Direktorats entstanden waren. Nach bedeutenden Leistungen auf dem Gebiet der Elektrokardiographie – Kraus gilt als Wegbereiter der modernen Herz-Kreislauf-Diagnostik – waren Kraus‘ spätere Arbeiten zur Kolloidchemie, die ihn zu den Grundlagen der Biologie führten, von großer potentieller Bedeutung für eine funktionelle Betrachtung der Lebensvorgänge. Sein zweibändiges opus magnum erschien 1919 und 1926: Die Allgemeine und spezielle Pathologie der Person. Klinische Syzygiologie [Zusammenhangslehre]. Darin unterscheidet er zwischen „Kortikalperson“ und „Tiefenperson“. Letzterer gelten seine Untersuchungen, in denen die „vegetative Strömung“ elektrolytischer Flüssigkeiten die zentrale Rolle spielt.

Kraus gab, zusammen mit dem Volkskommissar für Gesundheitswesen der Sowjetunion Nikolai Alexandrowitsch Semaschko (1874–1949), die bilinguale Deutsch-Russische medizinische Zeitschrift / Russko-nemeckij medicinskij žurnal (1925–1928) heraus.

Von 1927 bis 1931 war Kraus Vorsitzender der Berliner Gesellschaft für empirische Philosophie, einem Pendant zum Wiener Verein Ernst Mach. Im Jahr 1932 wurde er zum Mitglied der Leopoldina gewählt.

Kraus‘ Forschungen sind durch die Arbeiten seines Kollegen Samuel G. Zondek (Die Elektrolyte, 1927) wesentlich gestützt und ergänzt worden. Für das Jahr 1929 wurde Kraus für den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin nominiert.[1]

In den 1930er Jahren ist Kraus (im boom der neuen Molekularbiologie) regelrecht vergessen worden. Es gab in dieser Zeit nur einen – schon damals eher umstrittenen – Mediziner, der wie Kraus „aufs Ganze“ ging und auf dessen Konzept der „vegetativen Strömung“ aufbaute: Wilhelm Reich bei seiner Weiterentwicklung der (psychologischen) Psychoanalyse zur (psychosomatischen) Vegetotherapie.

Neben seinem wissenschaftlichen Werk war ein wesentliches Bemühen von Friedrich Kraus, den Menschen wieder in den Mittelpunkt der ärztlichen Tätigkeit zu rücken und nicht die Krankheit. Hieran knüpfte u. a. Paul Vogler an.[2]

  • Rudolf Grossmann: Mediziner als Philosophen. In: Der Querschnitt, Heft 9/1930, S. 590/591, Digitalisat[3]
  • Manfred StürzbecherKraus, Friedrich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 12, Duncker & Humblot, Berlin 1980, ISBN 3-428-00193-1, S. 685 (Digitalisat).
  • Koerting: Kraus Friedrich. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 4, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1969, S. 226 f. (Direktlinks auf S. 226, S. 227).
  • Kurt Brandenburg: [Zum 70. Geburtstag]. In: Medizinische Klinik. 1. Juni 1928.
  • Gustav von Bergmann: [Zum 70. Geburtstag]. In: Deutsche Medizinische Wochenschrift. 25. Mai 1928.
  • Wilhelm Reich: Psychischer Kontakt und vegetative Strömung. Kopenhagen 1935.
  • Werner Leibbrand: Friedrich Kraus. Ein Echo zu seinen Würdigungen. In: Die Medizinische Welt. 26. Juli 1958. (Würdigungen – durch Wollheim, Ullmann, Goldbloom – zum 100. Geburtstag erschienen zuvor ebd., 14. Juni 1958)
  • Luise Kraus: Mein Vater Friedrich Kraus. In: Deutsches Medizinisches Journal. 14, 1963, S. 48–49.
  • Gustav Mittelbach: Die Internist Friedrich Kraus (1858–1936). Der dritte Vorstand der Lehrkanzel für Innere Medizin in Graz (1894–1902). in: Walter Höflechner, Helmut J. Mezler-Angelberg, Othmar Pickl (Hrsg.): Domus Austriae. Eine Festgabe Hermann Wiesflecker zum 60. Geburtstag. Graz 1983, S. 291.
  • Dieter Schwartze: Friedrich Kraus – Wegbereiter der funktionellen Diagnostik und Elektrokardiologie in Deutschland. In: Z Gesamte Inn Med. 42(12), 1987, S. 336–339.
  • Martin Lindner: Die Pathologie der Person. Friedrich Kraus’ Neubestimmung des Organismus am Beginn des 20. Jahrhunderts. Berlin 1999, ISBN 978-3-928186-40-7
Commons: Friedrich Kraus – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. The Nomination Database for the Nobel Prize in Physiology or Medicine, 1901–1953. 1929.
  2. Michael Laws: Das Wirken des Ordinarius für Physikalische Therapie Paul Vogler (1899–1969) am Institut für natürliche Heil- und Lebensweisen der Berliner Medizinischen Fakultät. Dissertation, Berlin 1993. S. 20.
  3. SLUB Dresden: Der Querschnitt, 10.1930, H. 9, September. Abgerufen am 7. Mai 2023 (deutsch).