Fritz Koelle
Fritz Koelle (* 10. März 1895 in Augsburg; † 4. August 1953 in Probstzella im Interzonenzug München-Berlin) war ein deutscher Bildhauer.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach dem Besuch der Kunstschule Augsburg und der Kunstgewerbeschule in Schwäbisch Gmünd studierte Koelle von 1912 bis 1914 an der Königlichen Kunstgewerbeschule München. Von 1914 bis 1918 nahm er als Soldat am Ersten Weltkrieg teil. Danach studierte er Bildhauerei bei Hermann Hahn an der Akademie der Bildenden Künste München. Nach dem Studium arbeitet er als freischaffender Künstler in München. Er war Mitglied der Münchner Neuen Secession.
Charakteristisch für Koelles Frühwerk sind seine Arbeiter-Skulpturen. Koelles Stellung in der Zeit des Nationalsozialismus ist ambivalent. Seine Plastik Blockwalzer (Bronze 1930) wurde 1933 im Zuge des Aufbaus der Mustersiedlung Ramersdorf entfernt. Der Hüttenarbeiter (Bronze, 1929) (Abbildung[1]) wurde als „entartet“ eingeschmolzen. Aufgrund seiner „bolschewistischen Kunstauffassung“ wurde im Jahr 1934 eine Haftstrafe im Konzentrationslager Dachau beantragt. Nach wenigen Tagen Gestapo-Verhör wurde er aus der Haft entlassen. Eine an der Münchner Akademie zuvor in Aussicht gestellte Professur wurde ihm verwehrt.
Wie viele andere Künstler passte Fritz Koelle sich dann den Wünschen der Nazis an. Er erhielt später zahlreiche öffentliche Aufträge, 1937 mit dem Westmarkpreis für Bildende Kunst (= Albert-Weisberger-Preis) einen NS-Kulturpreis,[2] und war von 1937 bis 1944 auf allen Großen Deutschen Kunstausstellungen in München vertreten[3], u. a. 1937 mit dem Saarbergmann mit Grubenlampe und 1942 mit Der Steinbrecher. 1940 zeigte er die 1936 als Auftragswerk entstandene Büste Bildnis Horst Wessel, die Adolf Hitler erwarb.[4], und 1944 eine Büste des Nazi-Militärs Werner Baumbach.[5]
Unmittelbar nach Kriegsende wurde Koelles künstlerisches Schaffen im NS-Staat in einigen Medien verurteilt. Daneben wurden einige seiner nach 1945 entstandenen Plastiken wegen ihres linkspolitischen Gehalts als unbequem betrachtet, so Häftling eines Konzentrationslagers (Bronze, 22 cm, 1946; heute Nationalgalerie Berlin), Concordia / Eintracht (Bronze, 1948) und Der Arbeiter (1948).[1] Auch nun scheiterten seine Versuche, eine Professur zu erlangen. Zu konform und zu angepasst an das Kunstverständnis des NS-Regimes seien seine Werke gewesen, so lauteten die Stimmen seiner Kritiker.
1946 wurde Koelle dann als politisch Verfolgter anerkannt. Im Jahr 1949 nahm er eine Professur für Plastik an der HfbK in Dresden an und wurde noch im gleichen Jahr Dekan der Abteilung Plastik. Im Jahr 1951 (nach anderen Quellen 1950) arbeitete er an der Hochschule für angewandte Kunst in Berlin-Weißensee. Schüler von Koelle, welche er in Dresden und Berlin unterrichtete, waren zum Beispiel Jürgen von Woyski, Werner Rosenthal und Gerhard Thieme.[6][7]
Besonders eindrucksvoll und erschütternd ist die 1946 als Mahnmal für die KZ-Gedenkstätte Dachau vorgesehene Skulptur Inferno, die jedoch als zu grausame Darstellung erachtet und somit abgelehnt wurde. Koelle fertigte daraufhin eine weitere Plastik KZ-Häftling an, die vor dem Krematorium des Konzentrationslagers Dachau aufgestellt wurde.
Koelle war mit der Malerin Elisabeth Koelle-Karmann verheiratet. Sein künstlerischer Nachlass befindet sich im Schaezlerpalais in Augsburg, der schriftliche liegt im Deutschen Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum.[8]
In Augsburg ist die Fritz-Koelle-Straße nach ihm benannt.
Rezeption
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]„Seine Arbeitsmänner und Kumpels haben die reale, um nicht zu sagen realistische Monumentalität der Arbeit. … Phrasen- und posenlos, ohne die geringsten heroischen oder heroisierenden Akzente … Im Nationalsozialismus pflegte man solcherlei Gestaltungen und Gestalten „entartet“ zu nennen und bestenfalls in die Ecke zu stellen.“
Werke (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1914 – Löwe (Bronze)
- 1917 – Mädchenakt (Gips)
- 1918 – Artilleriebeobachter (Eisenguss), WVZ Nr. 015, Dauerleihgabe an Gemeinde Ottmarshausen, 86356 Neusäß, am Kriegerdenkmal
- 1920 – Mädchenbüste (Terrakotta)
- 1920 – hockendes Mädchen (Stein)
- 1921 – Portraitbüste seines Vaters (Terrakotta)
- 1923 – Mädchenakt (Bronze)
- 1924 – Portraitbüste R. Schwarz (Bronze)
- 1924 – Selbstbildnis (Porträtbüste, Bronze)[9]
- 1925 – Der Hochofenarbeiter (Bronze)[10]
- 1925 – Arbeiterkind (Bronze)
- 1926 – Eisenwalzarbeiter (Gips)
- 1927 – Bergmann vor der Einfahrt (Bronze, Höhe: 196 cm, 1927, eines von zwei Exemplaren im Bestand der Nationalgalerie Berlin; steht oder stand seit 1981 im Garten des Otto-Nagel-Hauses, Berlin)[11][12]
- 1929 – Der Hüttenarbeiter (Bronze)[1] (Abbildung)
- 1929 – Kopf eines Bergarbeiters (Bronze)[13]
- 1931 – Stehender Mann/Arbeiter (Bronze)[14]
- 1935 – Saar-Gedenkmünze[15]
Ausstellungen in der DDR (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1953: Dresden, Dritte Deutsche Kunstausstellung[16]
- 1978: Berlin, Altes Museum („Revolution und Realismus“)
- 1979: Berlin, Altes Museum („Weggefährden – Zeitgenossen. Bildende Kunst aus 3 Jahrzehnten “)
- 1986: Leipzig, Museum der Bildenden Künste („Worin unsere Stärke besteht“)
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Gustav Stolze: Fritz Koelle. In: Die Kunst für alle; 43(1928/29), Seite 273–277
- Ernst Kammerer: Kunst der Bronze. Der Bildhauer Fritz Koelle. In: Die Kunst für alle; 51(1935/36), Seite 94–99
- Fritz Cremer: Zum Tode des Bildhauers Professor Fritz Koelle. In: Bildende Kunst, Berlin, 5/1953, S. 52/53
- Richard W. Eichler: Koelle, Fritz. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 12, Duncker & Humblot, Berlin 1980, ISBN 3-428-00193-1, S. 320 (Digitalisat).
- Koelle, Fritz. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 21: Knip–Krüger. E. A. Seemann, Leipzig 1927, S. 137 (biblos.pk.edu.pl).
- Birgit Jooss: Pendler zwischen West und Ost. Das Moskauer Reisebuch des Bildhauers Fritz Koelle. In: Heinz Peter Brogiato, Klaus-Peter Kiedel (Hrsg.): Forschen – Reisen – Entdecken. Lebenswelten in den Archiven der Leibniz-Gemeinschaft. Halle 2011, S. 152–153.
- Claus Pese: Mehr als nur Kunst. Das Archiv für Bildende Kunst im Germanischen Nationalmuseum. Ostfildern-Ruit 1998, S. 63–66, 83 (Kulturgeschichtliche Spaziergänge im Germanischen Nationalmuseum. Band 2).
- Eva-M. Pasche: Fritz Koelle – der Gestalter des Arbeiters – Monographie und Werkverzeichnis. Verlag Glückauf, Essen 2001, ISBN 3-7739-1284-6.
- Monika Maier-Speicher, Dieter Wirth: Fritz Koelle und der Bergmann von der Saar. Ausstellungskatalog. St. Ingbert 2003, ISBN 3-9807001-5-1.
- Koelle, Fritz. In: Dietmar Eisold (Hrsg.): Lexikon Künstler der DDR. Verlag Neues Leben, Berlin 2010, ISBN 978-3-355-01761-9, S. 464/464
- Kurzbiografie zu: Koelle, Fritz. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- https://www.bildindex.de/ete?action=queryupdate&desc=Fritz%20Koelle&index=pic-all
- Literatur von und über Fritz Koelle im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Koelle Fritz Josef David in der Datenbank Saarland Biografien
- koelle-online.de mit weiteren Informationen (Fotos von Fritz Koelle und seinen Plastiken, Werkverzeichnis)
- Fritz Koelle. Tabellarischer Lebenslauf im LeMO (DHM und HdG)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c d Der Bildhauer Fritz Koelle. In Bildende Kunst, Berlin, Heft 9/1949, S. 299
- ↑ Ein neues Riesenbildwerk des Trägers des Westmarkpreises 1937. In: Badische Presse. Jg. 53. Nr. 70 vom 11. März 1937, S. 4 (online ( des vom 24. September 2022 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. bei Deutsches Zeitungsportal).
- ↑ Treffpunkt-Kunst.net - Künstlernamen Listing J-L
- ↑ Bildnis Horst Wessel — Die Großen Deutsche Kunstausstellungen 1937 – 1944/45. Abgerufen am 22. August 2021.
- ↑ Träger des Ritterkreuzes mit Eichenlaub und Schwertern Major Baumbach — Die Großen Deutsche Kunstausstellungen 1937 – 1944/45. Abgerufen am 22. August 2021.
- ↑ Archiv der Hochschule für Bildende Künste Dresden
- ↑ Augsburg Wiki-KoelleFritz. augsburgwiki, abgerufen am 2. Oktober 2020.
- ↑ Fritz Koelle. In: Deutsche Biographie (Index-Eintrag); abgerufen am 3. Mai 2022.
- ↑ Fritz Unbekannter Fotograf; Koelle: Selbstbildnis. Abgerufen am 31. August 2022.
- ↑ Deutsche Fotothek. Abgerufen am 31. August 2022.
- ↑ Fritz Unbekannter Fotograf; Koelle: Bergmann vor der Einfahrt. Abgerufen am 31. August 2022.
- ↑ Bergarbeiter vor der Einfahrt | Fritz Koelle | Bildindex der Kunst & Architektur - Bildindex der Kunst & Architektur - Startseite Bildindex. Abgerufen am 31. August 2022.
- ↑ Fritz Unbekannter Fotograf; Koelle: Kopf eines Bergarbeiters. 1929, abgerufen am 31. August 2022.
- ↑ Hans; Koelle Reinecke: Stehender Mann (Arbeiter). 1931, abgerufen am 31. August 2022.
- ↑ Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Hg.): Amtsblatt der Reichsbahndirektion Mainz vom 23. Februar 1935, Nr. 9. Bekanntmachung Nr. 95, S. 35.
- ↑ SLUB Dresden: Dritte deutsche Kunstausstellung Dresden 1953. Abgerufen am 8. April 2022 (deutsch).
Personendaten | |
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NAME | Koelle, Fritz |
ALTERNATIVNAMEN | Koelle, Fritz Josef David |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Bildhauer |
GEBURTSDATUM | 10. März 1895 |
GEBURTSORT | Augsburg |
STERBEDATUM | 4. August 1953 |
STERBEORT | Probstzella |