Fuciner See
Der Fuciner See (auch Fucinosee, Celanosee, ital. Lago Fucino bzw. Lago di Celano, lat. Fucinus Lacus) war bis zu seiner vollständigen Trockenlegung im Jahre 1875 das größte Binnengewässer Mittelitaliens.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der See lag vier Kilometer südlich der Stadt Avezzano auf einer Höhe von 662 Metern über NN und umfasste etwa 155 Quadratkilometer. Der ringsum vom Gebirge umgebene Karstsee besaß keinen natürlichen Abfluss, so dass sein Wasserspiegel oft erheblich schwankte. Die umliegenden Ortschaften waren daher oft von Überschwemmungen betroffen.
Am Ufer des Sees lag in antiker Zeit Marruvium, die Hauptstadt des italischen Stammes der Marser. Die Stadt erlebte während der römischen Kaiserzeit ihre Blütezeit; sie war von fruchtbarem Schwemmboden umgeben, der eine ertragreiche Ackerwirtschaft ermöglichte, ebenso waren die im Fuciner See gefangenen Fische in Rom sehr gefragt. 52 n. Chr. ließ Claudius auf dem Fuciner See die größte Naumachie (Inszenierung einer Seeschlacht) der Geschichte ausrichten. In der Mitte des Sees hatte er einen mechanischen Tritonen aufbauen lassen, der mit einer Fanfare den Beginn der Schlacht ankündigte. Auf beiden Seiten kämpften dabei je 19.000 Sklaven auf je 50 Schiffen.
Bereits Caesar beabsichtigte, den See trockenzulegen, um die Überschwemmungsgefahr zu bannen und Ackerland zu gewinnen.[1] Zudem waren die versumpften Ufer des Sees eine Brutstätte für Malaria übertragende Mücken.
In den Jahren 41–52 ließ Claudius dann den nach ihm benannten Claudiustunnel unter dem Monte Salviano zum Liri-Fluss graben, um den Seespiegel zu regulieren.[2] Für eine komplette Trockenlegung war dieser Tunnel nicht geeignet – ob das von Claudius überhaupt beabsichtigt war, geht aus den antiken Quellen nicht hervor.
Der Tunnel, an dem bis zu 30.000 Arbeiter gruben, wurde im Lichtschachtverfahren vorgetrieben. Dazu wurden immer wieder Schrägschächte von der Oberfläche her abgeteuft, die durch senkrechte Schächte verbunden wurden. Diese Schächte dienten hauptsächlich der Orientierung, es konnte aber auch Abraummaterial darüber abtransportiert werden. Nach etwa 3,4 km des 5,6 km langen Tunnels stießen die Arbeiter auf eine stark wasserführende Schicht aus Ton und Felsgeröll, die sogar den Einsatz vom Schöpfeinrichtungen erforderlich machte.[3] In diesem Bereich kam es bereits während der Bauphase oder kurz danach zu einem 85 m langen Einsturz, der dann mit einem Bypass umgangen wurde. Unter Hadrian wurde der Tunnel repariert und ausgebaut.[4] Im Mittelalter – evtl. unter Friedrich II. – kam es in der Bypassstrecke erneut zu einem Einsturz, der ausgebessert wurde. Auch diese Bemühungen waren jedoch nicht von Bestand und der Wasserspiegel des Sees stieg allmählich wieder an.
Im Jahre 1752 tauchten nach einer langen Trockenperiode die Ruinen Marruviums auf; unter anderem wurde eine Claudius-Statue geborgen. Ab 1783 stieg der Pegel des Sees stetig an und bedrohte die umliegenden Ortschaften. Erst im 19. Jahrhundert gelang es, den See trockenzulegen. Die Arbeiten begannen am 10. Juli 1854 im Auftrag des römischen Bankiers Alessandro Torlonia unter der Leitung des Schweizer Ingenieurs Franz Mayor de Montricher, der bereits die Planung vorangetrieben hatte. Als De Montricher vier Jahre später verstarb, übernahm sein Mitarbeiter Enrico Samuele Bermont (* 1823 in Assens, Kanton Waadt; † 1870 in Montpellier) die Fortführung des Projekts. 1862 begann man mit dem Bau eines 6,3 Kilometer langen und 21 Meter breiten Kanals. Beim Bau von Torlonias Tunnel wurde der antike Tunnel zerstört, aber glücklicherweise dokumentiert.
Ab 1870 fand die dritte und letzte Leerung des Sees statt. Bis 1875 war das Gebiet trockengelegt und konnte als Kulturland genutzt werden.[5] Heute ist das Fuciner Becken (ital. Piana del Fùcino) eine der fruchtbarsten landwirtschaftlichen Regionen Italiens.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]zum antiken Tunnel
- Brigitte Cech: Technik in der Antike. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 2010, Lizenzausgabe vom Theiss Verlag Stuttgart, ISBN 978-3-8062-2080-3.
- Jakob Weiss: Fucinus lacus. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band VII,1, Stuttgart 1910, Sp. 192 f.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Suetonis: Caeser 44
- ↑ Suetonis: Claudius 20
- ↑ Plinius der Ältere: Naturalis Historia 36,124
- ↑ Historia Augusta: Hadrianus 22
- ↑ Christoph P. J. Ohlig: Integrated Land and Water Resources Management in History – Proceedings of the Special Session on History. Books on Demand, 2005, S. 178 f.
Koordinaten: 41° 59′ 43″ N, 13° 32′ 53″ O