Fugazität
Die Fugazität bzw. ist eine Größe aus der Physik, die je nach Fachgebiet unterschiedlich definiert ist.
Statistische Physik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der statistischen Physik, die die Grundlage der Thermodynamik bildet, ist die Fugazität definiert als dimensionslose Funktion des chemischen Potentials und der Temperatur :
mit
- der Boltzmann-Konstanten .
Die Fugazität ist somit gleich der absoluten Aktivität . Die Fugazität taucht auf als Faktor beim Übergang von der kanonischen Zustandssumme , die Systeme mit konstanter Teilchenzahl beschreibt, zur großkanonischen Zustandssumme , die zur Beschreibung von Systemen mit variabler Teilchenzahl geeignet ist:
Thermodynamik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Thermodynamik ist die Fugazität eine intensive Zustandsgröße, die die Einheit des Druckes (z. B. Pascal) hat. Sie wurde von Gilbert Newton Lewis zunächst als "escaping tendency" eingeführt; der Name wurde von ihm selbst zu "fugacity" abgekürzt.[1] Sie beschreibt die Tendenz eines Stoffes, eine Phase zu verlassen (fugare, lat. "fliehen").
Definition
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Fugazität wird über die Druckabhängigkeit der spezifischen Gibbs-Energie eingeführt.
Für ein ideales Gas gilt (aufgrund seiner Zustandsgleichung und der Fundamentalgleichung der Gibbs-Energie) bei einer isothermen Zustandsänderung eines Druckes zu :
mit
- der Gaskonstanten
- dem natürlichen Logarithmus .
Die Fugazität wird so definiert, dass bei einem realen Fluid gilt (mit einer beliebigen Referenz-Fugazität ):
Wird die erste Gleichung von der zweiten abgezogen, so erhält man:
Wenn man den Referenzdruck (Index 0) nun gegen null gehen lässt, verschwindet der Unterschied zwischen realer und idealer Gibbs-Energie, auf der rechten Seite gehen Referenz-Fugazität und -druck ineinander über:
Statt der Fugazität wird häufiger der dimensionslose Fugazitätskoeffizient verwendet:
der in Mehrstoffsystemen über den Partialdruck definiert wird ( ist der Stoffmengenanteil):
Über die Beziehung
mit
kann die Fugazität aus Messwerten oder mit einer Zustandsgleichung berechnet werden.
Kriterium für Phasengleichgewichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Fugazität ist wie das chemische Potential ein Kriterium für ein Phasengleichgewicht: ist die Fugazität einer Komponente in allen vorliegenden Phasen gleich (aber nicht die Fugazität verschiedener Komponenten in derselben Phase), so stehen diese Phasen im Gleichgewicht:
Aus dieser Bedingung lässt sich folgende Beziehung für Dampf-Flüssig-Gleichgewichte ableiten, mit der sich z. B. Phasendiagramme bei der Auslegung von Rektifikationskolonnen berechnen lassen und die daher von großer Bedeutung in der Verfahrenstechnik ist:
Dabei stehen
- für den Molenbruch eines Stoffes in der flüssigen Phase
- für den Molenbruch eines Stoffes in der Dampfphase
- für den Aktivitätskoeffizient. Dieser kann aus gE-Modellen für die Exzess-Gibbs-Energie, beispielsweise mit UNIFAC, berechnet werden.
- für den Dampfdruck des reinen Stoffes.
Mit dem Exponentialterm, dem Poynting-Faktor, wird die Abweichung vom Dampfdruck berücksichtigt; er liegt oft sehr nahe bei Eins und wird dann vernachlässigt. Der Fugazitätskoeffizient auf der rechten Seite berücksichtigt die Nichtidealität der Dampfphase.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Peter W. Atkins: Physikalische Chemie. 2. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 1996, ISBN 3-527-29275-6.
- W. Nolting: Grundkurs Theoretische Physik 6, Statistische Physik. 4. Auflage. ISBN 3-540-41918-7.
- J. Gmehling, B. Kolbe, M. Kleiber, J. Rarey: Chemical Thermodynamics for Process Simulation. 1. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2012, ISBN 978-3-527-31277-1.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ G. N. Lewis: The Law of Physico-Chemical Change. In: Proceedings of the American Academy of Arts and Sciences. American Academy of Arts & Sciences, Vol. 37, No. 3 (Jun., 1901), S. 49–69, doi:10.2307/20021635.