Fumio Kishida

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Fumio Kishida (2021)

Fumio Kishida (japanisch 岸田 文雄 Kishida Fumio; * 29. Juli 1957 in Tokio[1]) ist ein japanischer Politiker. Er war Vorsitzender der Liberaldemokratischen Partei (LDP) und vom 4. Oktober 2021 bis zum 1. Oktober 2024 Premierminister Japans.[2][3]

In der LDP führte Kishida von 2012 bis 2023 die Faktion Kōchikai. Er bekleidete von 2012 bis 2017 das Amt des Außenministers. Seit 1993 ist er Abgeordneter im Unterhaus des Parlaments, dem Shūgiin, seit der Wahlrechtsreform 1996 durchgehend für den Einmandatswahlkreis Hiroshima 1.

Kishida entstammt einem Familienkreis von Politikern der LDP. Sein Großvater war der Unterhausabgeordnete Masaki Kishida (岸田 正記); seine Tante war die Frau des Gouverneurs von Hiroshima Miyazawa Hiroshi, dem jüngeren Bruder von Premierminister Miyazawa Kiichi. Kishidas Familie litt unter den Spätfolgen des Atombombenabwurfs auf Hiroshima. Einige Verwandte von ihm starben dadurch, weshalb er sich für die Abschaffung von Atomwaffen ausspricht,[4] – die Entwicklung von Japans ziviler Atomindustrie jedoch nicht ausschließt.[5][6]

Kishida studierte Rechtswissenschaft an der Waseda-Universität und machte dort 1982 seinen Abschluss. Anschließend arbeitete er fünf Jahre lang für die Long-Term Credit Bank of Japan (LTCB, engl. für 日本長期信用銀行 Nippon chōki shin’yō ginkō). Ab 1987 war er Sekretär seines Vaters, des Shūgiin-Abgeordneten Fumitake Kishida (SNTV-Mehrmandatswahlkreis Hiroshima 1). Nach dessen Tod 1992 wurde er bei der Shūgiin-Wahl 1993 sein Nachfolger. Bei der Shūgiin-Wahl 1996 übernahm er nach der Wahlrechtsreform den neuen Einmandatswahlkreis Hiroshima 1.

Zwischen 1999 und 2000 war Kishida Staatssekretär im Bauministerium, von 2001 bis 2002 im Bildungsministerium. Premierminister Shinzō Abe berief ihn bei der Kabinettsumbildung kurz vor seinem Rücktritt 2007 zum Staatsminister. Zu seinen Aufgaben zählten Angelegenheiten rund um Okinawa und die Nördlichen Territorien aber auch Deregulierung, Lebensqualität, Wissenschaft und Technologie. Premierminister Yasuo Fukuda übernahm Kishida im September 2007 in sein Kabinett, ersetzte ihn aber bei der Kabinettsumbildung im August 2008.

Am 26. Dezember 2012 wurde Kishida Außenminister im Kabinett Shinzō Abe II und bei der dritten Umbildung des Kabinetts Shinzō Abe III im August 2017 von Tarō Kōno abgelöst. Vom 28. Juli bis zum 3. August 2017 war er gleichzeitig kommissarischer Verteidigungsminister, nachdem Tomomi Inada zuvor von diesem Posten zurückgetreten war.

Kishida gehörte von 2017 bis 2020 unter Abe als PARC-Vorsitzender zum engsten Kreis der LDP-Führung. Als Abe zurücktrat, kandidierte er bei der Wahl eines Nachfolgers, unterlag aber chancenlos Yoshihide Suga, der sich schon vor Beginn des Wahlkampfs die Unterstützung von fünf Faktionen gesichert hatte, deren Abgeordnete zusammen rechnerisch schon fast zur absoluten Gesamtmehrheit ausreichten. Nur Kishidas eigene Faktion, einige andere Abgeordnete und mehrheitlich die Präfekturverbände Hiroshima (alle drei Delegierten) und Yamanashi (zwei von drei) sowie fünf einzelne Delegierte anderer Präfekturen stimmten für Kishida. Er erhielt bei den lokalen Vorwahlen landesweit nur rund 91.000 Stimmen (Suga >364.000, Shigeru Ishiba >216.000).[7][8]

Im September 2021 wurde Kishida zum Vorsitzenden der LDP gewählt. Er wurde daraufhin am 4. Oktober vom Parlament zum Premierminister designiert.[2] Am selben Tag wurden er und die anderen Minister in seinem Kabinett durch die Ernennung durch den Kaiser ins Amt eingeführt. Nach nur zwei Wochen löste das Kabinett Kishida das Abgeordnetenhaus auf und trat zurück. Nach der Abgeordnetenhauswahl wurde Kishida am 10. November 2021 erneut zum Premierminister gewählt; das zweite Kabinett Kishida wurde noch am gleichen Tag ernannt.

Kishida lehnt die neoliberale Wirtschaftspolitik von Shinzō Abe ab, die seiner Meinung nach zu wachsender Ungleichheit vor allem in der Mittelschicht geführt hatte.[4] Er schuf neue Ministerposten für „wirtschaftliche Sicherheit“ und „neuen Kapitalismus“ und kündigte ein umfangreiches Konjunkturprogramm an, wobei die Regierung konkrete Maßnahmen noch beschließen muss und die Wirtschaft Steuererhöhungen befürchtet. Er kündigte Steuererleichterungen für Unternehmen an, die die Löhne erhöhen. Eine Regierungskommission soll Wege erarbeiten, die Bezahlung von Beschäftigten in Gesundheitswesen, Kinder- und Altenpflege zu verbessern.[9][10][11]

Er wurde 2021 vom ARD-Studio Neu-Delhi innerhalb der Partei zur Fraktion der Gemäßigten, der „Tauben“, gezählt und präsentierte sich als Reformer.[4] Die New York Times sah in ihm 2021 einen establishment pick.[12] und die Deutsche Welle einen consensus builder.[13] Kishida steht (wie Abe und weitere Kabinett- und LDP-Parteimitglieder) der als revisionistisch geltenden Nippon Kaigi nahe.[14] Er ist nach KPJ-Angaben wie elf weitere Minister in seinem Kabinett Mitglied der Nationalparlamentsabgeordnetenkonferenz der Nippon Kaigi (Nippon Kaigi Kokkai giin kondankai).[15]

Kishida verkündete im Dezember 2022, zehn Monate nach dem Beginn des völkerrechtswidrigen russischen Angriffs auf die Ukraine, eine Abkehr von der ausschließlich auf Verteidigung ausgerichteten Sicherheitsdoktrin Japans und erklärte hierzu, dass Japan künftig in der Lage sein solle, feindliche Raketenstellungen proaktiv auszuschalten. Außerdem kündigte seine Regierung eine Verdopplung des Verteidigungshaushalts an.[16]

Am 15. April 2023 explodierte bei einem Wahlkampfauftritt Kishidas in der Hafenstadt Saikazaki (Präfektur Wakayama) eine Rauchbombe; der Premierminister konnte unverletzt in Sicherheit gebracht werden und ein Tatverdächtiger noch vor Ort festgenommen werden. Der Vorfall ereignete sich rund neun Monate nachdem der frühere Regierungschef Shinzō Abe bei einem Attentat auf offener Straße erschossen wurde und einen Tag vor dem G7-Außenministertreffen in Japan.[17][18]

Aus verschiedenen Umfragen gemittelte Zustimmungsraten zum Kabinett Kishida (Zustimmung grün, Ablehnung rot)

Ende 2023 wurde bekannt, dass mehrere Mitglieder der LDP in einem Parteispendenskandal verwickelt waren. Spendengelder seien in schwarze Kassen umgeleitet worden. Im Zuge des Skandal traten vier Minister zurück, die alle Mitglieder der sogenannten Abe-Faktion innerhalb der LDP waren.[19] Auch wenn Anfang 2024 die unterschiedlichen Faktionen innerhalb der Regierungspartei aufgelöst wurden,[20] sank die Popularität von Fumio Kishida und seiner Regierung weiter. Im Juli 2024 sank die Zustimmung zu Kishidas Politik auf nur noch 15,5 Prozent. Innerhalb der LDP wurden Zweifel geäußert, ob die Partei bei der 2025 anstehenden Parlamentswahlen ihre Mehrheit verteidigen kann.[21] Kishida erklärte daraufhin am 14. August, im September 2024 nicht erneut für das Amt des Vorsitzenden der LDP zu kandidieren. Die LDP solle so ein neues Gesicht an der Spitze erhalten.[22] Ende September 2024 wählte die LDP den früheren Verteidigungsminister Shigeru Ishiba zu ihrem neuen Vorsitzenden. Er wurde am 1. Oktober 2024 zum neuen Premierminister gewählt.[23]

Commons: Fumio Kishida – Sammlung von Bildern und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. KISHIDA Fumio (The Cabinet). Abgerufen am 16. Januar 2023 (englisch).
  2. a b Kathrin Erdmann: Ex-Außenminister Kishida ist neuer Regierungschef. In: tagesschau.de. ARD-aktuell, 4. Oktober 2021, abgerufen am 4. Oktober 2021.
  3. Fumio Kishida zum neuen Regierungschef Japans gewählt. In: t-online.de. Ströer Media, 4. Oktober 2021, abgerufen am 4. Oktober 2021.
  4. a b c Peter Hornung: Einer, der zuhören will. In: tagesschau.de, 29. September 2021 (abgerufen am 29. September 2021).
  5. Martin Kölling, Tokio: Japan will die Atomkraft wiederbeleben – trotz Fukushima. In: nzz.ch. 6. Januar 2022, abgerufen am 29. Januar 2024.
  6. https://www.nuklearforum.ch/de/news/neuer-japanischer-regierungschef-ist-kernenergiebefuerworter
  7. 菅氏、地方票でも圧勝 「石破氏が強い定説崩れた」. In: Asahi Shimbun Digital. 14. September 2020, abgerufen am 20. August 2021 (japanisch).
  8. 早わかり! 自民党総裁選2020. In: Yomiuri Shimbun Online. 17. September 2020, abgerufen am 20. August 2021 (japanisch).
  9. Japan PM Kishida vows 'large' economic stimulus as by-election campaigns start. In: The Mainichi. 7. Oktober 2021, abgerufen am 10. Oktober 2021 (englisch).
  10. Kishida's 'new capitalism' raises economic reform setback fears. In: Nikkei Asia. 5. Oktober 2021, abgerufen am 10. Oktober 2021 (englisch).
  11. Kishida: Growth, redistribution strategies key to ‘new capitalism’. In: Asahi Shimbun Asia & Japan Watch. 8. Oktober 2021, abgerufen am 10. Oktober 2021 (englisch).
  12. Shashank Bengali: Japan’s Likely Next Prime Minister Tries to Set Himself Apart. In: The New York Times. 29. September 2021, abgerufen am 10. Oktober 2021 (englisch).
  13. Japan: New Prime Minister Fumio Kishida promises 'drastic' pandemic relief in first speech. In: dw.com. 4. Oktober 2021, abgerufen am 10. Oktober 2021 (englisch).
  14. Kim Hyun-Ki (Sarah Kim): Abe’s reshuffle promotes right-wingers. In: koreajoongangdaily.joins.com. Korea JoongAng Daily, 4. September 2014, abgerufen am 4. Oktober 2021 (englisch).
  15. 岸田内閣が発足. In: Shimbun Akahata (Parteizeitung der KPJ). 5. Oktober 2021, abgerufen am 10. Oktober 2021 (japanisch).
  16. Bedrohung durch China und Nordkorea: Japan will massiv aufrüsten. In: Der Spiegel. 16. Dezember 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 16. Dezember 2022]).
  17. tagesschau.de: Japan: Explosion während Auftritt von Premier Kishida. Abgerufen am 15. April 2023.
  18. Auswärtiges Amt: Asienreise nach China, Südkorea und zum G7-Treffen nach Japan. Abgerufen am 15. April 2023.
  19. Vier Minister treten in Japan nach Spendenaffäre zurück. Der Spiegel, 14. Dezember 2023.
  20. Ben Ascione: PM Kishida likely casualty in Japan’s political slush fund scandal. East Asia Forum, 10. März 2024.
  21. Shaimaa Khalil, Kelly Ng: Japan set for new PM as Kishida bows out as party leader. BBC News, 14. August 2024.
  22. Japans Regierungschef Kishida kündigt Rücktritt an. Der Spiegel, 14. August 2024.
  23. dw.com: Japan: Außenseiter Shigeru Ishiba wird neuer Premierminister
VorgängerAmtNachfolger
Tomomi InadaVerteidigungsminister (kommissarisch)
28. Juli 2017 bis 3. August 2017
Itsunori Onodera