Günter Rohrbach

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Günter Rohrbach bei der Verleihung des Kulturellen Ehrenpreises der Stadt München, 2015 an Werner Herzog im Festsaal des Alten Rathauses

Günter Rohrbach (* 23. Oktober 1928 in Neunkirchen (Saar)) ist ein deutscher Kinofilm- und Fernsehproduzent.

Stern von Günter Rohrbach auf dem Boulevard der Stars in Berlin

Günter Rohrbach, Sohn eines Kaufmanns, erwarb 1949 in Neunkirchen das Abitur und studierte Germanistik, Philosophie, Psychologie und Theaterwissenschaften in Bonn, München und Paris, wo er vor allem den Studentischen Filmclub besuchte. Am Stadttheater Saarbrücken übernahm er Regieassistenzen; er gründete mit Freunden eine private Theatergruppe und inszenierte Stücke von Jean-Paul Sartre und Günther Weisenborn. Als er 1953 zum zweiten Mal an die Universität Bonn ging, engagierte er sich mit Wilfried Berghahn, dem Mitbegründer der Zeitschrift Filmkritik, und Jürgen Habermas beim Filmclub. Als Berghahn eine feste Stelle beim Südwestfunk bekam, übernahm Rohrbach dessen wöchentlichen Radiokolumnen über jeweils einen gerade angelaufenen Film. Hinzu kamen zahlreiche Kritiken in der Filmkritik.[1]

1957 wurde Rohrbach mit einer Arbeit über Grimmelshausens Simplicissimus an der Universität Bonn zum Dr. phil. promoviert. Anschließend volontierte er im Bonner General-Anzeiger, für den er nach dem Volontariat als Gerichtsreporter tätig war. Für den Südwestfunk realisierte Rohrbach 1960 den Dokumentarfilm Der Krieg findet im Kino statt, der deutsche Kriegsfilme ins Visier nahm. Zunächst blieb es noch bei einer theoretischen Beschäftigung mit dem Thema und konnte er sich zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen, Filmproduzent zu sein.[2]

1961 bewarb er sich beim Programmdirektor des WDR Hans-Joachim Lange um eine Stelle und wurde dessen Assistent. Zu dieser Zeit gab es in der Bundesrepublik nur ein Fernsehprogramm, der WDR war der größte Sender im Verbund der ARD; im Juni 1961 wurde der Staatsvertrag über die Errichtung des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) unterzeichnet, parallel entwickelten die ARD-Anstalten Konzeptionen für die Einrichtung der Dritten Programme.

1963 übertrug der Intendant Klaus von Bismarck Rohrbach die Leitung eines Planungsstabs für das neu zu schaffende Dritte Fernsehprogramm des WDR. Er verpflichtete Peter Märthesheimer, Reinold E. Thiel, Peter Laudan und Herbert Janssen als Mitarbeiter und entwickelte mit ihnen konkrete Pläne. 1965, kurz vor Sendebeginn des Dritten Programms, bot ihm Lange an, die Leitung der Hauptabteilung Fernsehspiel im Ersten Programm zu übernehmen. Die Produktionen dieses Bereichs waren in den frühen 1960er Jahren noch sehr theaterfixiert. Viele Zulieferungen kamen von der Bavaria. Rohrbachs Konzept sah eine Befreiung aus Studios und Kulissen vor, es ging ihm um eine Abbildung der Realität. In dem paradigmatischen Text Bildungstheater oder Zeittheater überdachte er grundlegend die ästhetischen, technischen und medialen Zusammenhänge der Fiktion im Fernsehen.[3]

Er holte sich Volker Canaris, Peter Märthesheimer und Joachim von Mengershausen in die Redaktion, Gunther Witte war bereits da, Wolf-Dietrich Brücker kam etwas später hinzu. Rohrbach arbeitete eng mit einigen Protagonisten des Neuen Deutschen Films zusammen wie Hellmuth Costard, Rainer Werner Fassbinder, Hans W. Geißendörfer, Reinhard Hauff, Klaus Lemke, Edgar Reitz, Helma Sanders-Brahms, Volker Schlöndorff, Rudolf Thome, Margarethe von Trotta oder Wim Wenders. Eine enge Zusammenarbeit entwickelte sich mit Regisseuren wie Peter Beauvais, Tom Toelle, Peter Zadek und vor allem Wolfgang Petersen.[4]

Zu den wichtigsten Autoren gehörten Wolfgang Menge, Tankred Dorst oder Leo Lehman. Rohrbachs Produktionen waren zum Teil heftig umstritten, so zum Beispiel Fassbinders Acht Stunden sind kein Tag oder die damals noch als skandalös empfundenen Homosexuellen-Dramen Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt von Rosa von Praunheim und Die Konsequenz von Wolfgang Petersen. Spektakulär waren auch die von Wolfgang Menge geschriebenen Filme Das Millionenspiel und Smog. Gegen das Votum aller übrigen Fernsehspielchefs der ARD setzte er 1978 den Kauf der US-Serie Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiß durch. In Rohrbachs Auftrag entwickelte Gunther Witte die Idee für die Fernsehreihe Tatort.[5]

Ab 1972 war Rohrbach auch für die Unterhaltung zuständig, später auch noch für das Nachmittagsprogramm. Damit war er beispielsweise für so erfolgreiche Serien der Fernsehgeschichte verantwortlich wie Klimbim, Am laufenden Band, die erste deutsche Talkshow Je später der Abend, die erste deutsche Sitcom Ein Herz und eine Seele oder Plattenküche und die Otto-Shows.

Rohrbach war von 1979 bis 1994 Geschäftsführer der Bavaria Film in München. Die neue Tätigkeit begann mit einer großen Herausforderung: Das Boot zu produzieren, den bis dahin teuersten deutschen Film. Wolfgang Petersen, Rohrbach aus der WDR-Zeit verbunden, war der Regisseur seiner Wahl, der auch das Drehbuch schrieb. Lothar-Günther Buchheim, der Autor der Buchvorlage, verhielt sich unberechenbar. Die Professionalität des Teams (Kamera: Jost Vacano, Ausstattung: Rolf Zehetbauer, Special Effects: Theo Nischwitz) und das Durchhaltevermögen der Schauspieler (darunter Jürgen Prochnow, Herbert Grönemeyer, Uwe Ochsenknecht, Klaus Wennemann, Heinz Hoenig, Otto Sander) führten das Unternehmen zum Erfolg. Es entstanden eine Kinofassung (143 Minuten), uraufgeführt am 17. September 1981 in München, und eine zunächst dreiteilige Fernsehfassung (308 Min.), die 1985 erstmals gesendet wurde. 1997 wurde ein Director’s Cut hergestellt (208 Min.). Die Produktionskosten wurden mit 30 Millionen DM angegeben. Als einziger deutscher Film bisher erhielt Das Boot sechs Oscar-Nominierungen.[6]

Auch andere Großprojekte, zum Beispiel Die unendliche Geschichte, Fassbinders Berlin Alexanderplatz und Klaus Emmerichs Rote Erde, fielen in Rohrbachs erste Münchner Jahre. Es folgten Schimanski-Tatortfolgen, die Loriot-Filme, mehrere Dominik-Graf-Filme, der erste Helmut-Dietl-Film, insgesamt etwa dreißig Kinofilme. Der erste Film nach dem Fall der Mauer trug den Titel Go Trabi Go. 1994 verließ Rohrbach die Bavaria und wurde freier Produzent.

Rohrbach hat sich nie als potentieller Drehbuchautor oder Regisseur gesehen, sondern als Ermöglicher von Projekten, die ihm am Herzen lagen. Auch als freier Filmproduzent verfolgt er dieses Ziel. Dazu gehören die Suche nach dem Stoff, die Entwicklung des Drehbuchs, die Auswahl des Regisseurs, das Casting, die Zusammenstellung des Teams, die Finanzierung, der Umgang mit den Fördergremien, die Verbindung mit Verleihfirmen und Fernsehanstalten, die Beobachtung der Dreharbeiten, des Schnitts, der Tonmischung, die publizistische Kampagne, die Premiere. Es gab große Erfolge, dazu gehörten Die Apothekerin, Aimée und Jaguar, Die weiße Massai und Anonyma – Eine Frau in Berlin, aber auch Enttäuschungen über die Resonanz; das war zum Beispiel bei Hotel Lux der Fall.

Günter Rohrbach war 2003 eines der Gründungsmitglieder der Deutschen Filmakademie und bis 2010 gemeinsam mit Senta Berger der erste Präsident der Deutschen Filmakademie.[7] Er hat an der Hochschule für Fernsehen und Film München gelehrt und wurde dort zum Honorarprofessor ernannt. 2011 initiierte seine Geburtsstadt Neunkirchen mit ihm den Günter-Rohrbach-Filmpreis. 2017 wurde er von der Landeshauptstadt München mit dem Kulturellen Ehrenpreis ausgezeichnet. 2023 war er Interviewpartner für den Film Jeder schreibt für sich allein von Dominik Graf.[8]

Rohrbach lebt in München-Bogenhausen und ist mit der deutschen Fernsehjournalistin und Drehbuchautorin Angelika Wittlich verheiratet.[9]

Filmografie (Auswahl)

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Als Leiter des WDR-Fernsehspiels:

Als Geschäftsführer der Bavaria Film:

Als freier Produzent:

Filmporträts über Günter Rohrbach

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  • 2008: Ich habe den Film im Kopf von Antje Harries
  • 2013: Ich habe mich immer eingemischt von Boris Penth
  • 2018: WDR Geschichte(n) – Eine Zeitreise in 14 Interviews: Günter Rohrbach von Klaus Michael Heinz (online in der WDR Mediathek)
  • Hans Helmut Prinzler (Hrsg.): In guter Gesellschaft. Günter Rohrbach. Texte über Film und Fernsehen. Verlag Bertz + Fischer, Berlin 2008. ISBN 978-3-86505-186-8.
  • Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 6: N – R. Mary Nolan – Meg Ryan. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 598.
Commons: Günter Rohrbach – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Eine Auswahl ist nachgedruckt in: Hans Helmut Prinzler (Hrsg.): In guter Gesellschaft. Günter Rohrbach. Texte über Film und Fernsehen. Verlag Bertz + Fischer, Berlin 2008. ISBN 978-3-86505-186-8.
  2. Radiointerview HR2 Doppelkopf vom 6. Januar 2012
  3. zuerst in: Hansjörg Schmitthenner (Hrsg.): Acht Fernsehspiele. München: Piper 1966
  4. Siehe auch: Wolfgang Petersen/Ulrich Greiwe: Ich liebe die großen Geschichten. Vom „Tatort“ bis nach Hollywood. Köln: Kiepenheuer und Witsch 1997.
  5. Mit Krimis hatte ich nie was am Hut! Bericht über den Tatort-Erfinder Gunther Witte bei Spiegel online, abgerufen am 23. August 2014.
  6. Schriftenreihe des Deutschen Filmmuseums Frankfurt am Main, Kinematograph Nr. 21. Henschel, Berlin 2006, ISBN 978-3-89487-550-3
  7. Iris Berben und Bruno Ganz neues Präsidentenpaar der Deutschen Filmakademie. Filmportal, 15. Februar 2010, abgerufen am 12. Januar 2020.
  8. https://www.rbb-online.de/rbbkultur/radio/programm/schema/sendungen/der_tag/archiv/20230823_1600/kultur_aktuell_1745.html
  9. Saarbrücker Zeitung.de: Neunkirchen: Günter-Rohrbach-Filmpreis-Gala
  10. Auszeichnungen der Berlinale 2009, abgerufen am 29. April 2017.
  11. Jurybegründung (Memento des Originals vom 2. Dezember 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.muenchen.de
  12. Von Neunkirchen aus in die große Film-Welt. In: saarbruecker-zeitung.de. 8. November 2023, abgerufen am 8. November 2023.