Gütekriterien psychologisch-diagnostischer Verfahren
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Jede wissenschaftliche Messmethode muss bestimmten Gütekriterien (im Sinne von Qualitätskriterien) genügen. Objektivität und Messgenauigkeit (engl.: reliability, "Beständigkeit"; oftmals unpräzise übersetzt mit: "Zuverlässigkeit") sowie Validität ("Gültigkeit") sind traditionelle Forderungen innerhalb der Psychologischen Diagnostik, also für alle psychologisch-diagnostischen Verfahren, insbesondere für psychologische Tests.
Klassische und neuere Gütekriterien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Klassische Gütekriterien nach Gulliksen (1950)[1]:
- Objektivität: Sind die auf Grund des psychologisch-diagnostischen Verfahren gemachten Schlussfolgerungen unabhängig sowohl von der die Untersuchung durchführenden Person als auch von der die festgestellten Verhaltensweisen auswertenden Person und von der die erhaltenen Ergebnisse interpretierenden Person? Es geht also um die Durchführungsobjektivität (Testleiterunabhängigkeit), die Auswertungsobjektivität (Verrechnungssicherheit) sowie um die Interpretationsobjektivität (Interpretationseindeutigkeit).
- Reliabilität/Messgenauigkeit: Sind die mit dem psychologisch-diagnostischen Verfahren gewonnenen Ergebnisse ("Testwerte") präzise, d. h. ohne Fehler der Merkmalserfassung? Dabei gibt es zwei methodische Ansätze: Laut Item-Response Theorie (IRT) und laut sog. Klassischer Testtheorie.
- Validität: Misst das psychologisch-diagnostische Verfahren tatsächlich jenes psychische Merkmal, welches es zu messen behauptet? Dabei gibt es verschiedene Konzepte bzw. Begriffe von "Validität", nämlich: Inhaltliche Gültigkeit, Kriteriumsvalidität, Konstruktvalidität.
- Skalierung: Bilden die laut Verrechnungsvorschriften resultierenden Testwerte die empirischen Verhaltensrelationen adäquat ab?
- Nützlichkeit: Ist das psychologisch-diagnostische Verfahren insofern nützlich, als das von ihm gemessene psychische Merkmal praktisch relevant ist und die auf seiner Grundlage getroffenen psychologischen Entscheidungen (Maßnahmen) mehr Nutzen als Schaden erwarten lassen?
- Fairness: Ist für die mit dem psychologisch-diagnostischen Verfahren erzielten Ergebnisse jede systematische Diskriminierung der untersuchten Person auszuschließen, insbesondere in Bezug auf ihre ethnischen, soziokulturelle oder geschlechtsspezifische Gruppenzugehörigkeit?
- Ökonomie: Beansprucht das psychologisch-diagnostische Verfahren, gemessen am diagnostischen Informationsgewinn, relativ wenig Ressourcen (Zeit und Geld)?
- Unverfälschbarkeit: Ist für das psychologisch-diagnostische Verfahren auszuschließen , dass die untersuchte Person das resultierende Ergebnis nach eigenem Belieben beeinflussen kann?
- Zumutbarkeit: Schont das psychologisch-diagnostische Verfahren die untersuchte Person absolut und relativ zu dem aus seiner Anwendung resultierenden Nutzen in zeitlicher, psychischer (insbesondere energetisch-motivationaler und emotionaler) sowie körperlicher Hinsicht?
- Normierung/Eichung: Die Normierung eines Tests liefert das Bezugssystem, um die individuellen Testergebnisse im Vergleich zu denen einer Referenzpopulation einordnen zu können. Normen müssen hinreichend aktuell und repräsentativ für die Referenzpopulation sein.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Qualitätssicherung in der Psychologischen Diagnostik (allgemeine Standards, Verfahren, Prozesse und beteiligte Personen)
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Lienert, G. A. & Raatz, U. (1998). Testaufbau und Testanalyse (6. Aufl.). Weinheim: PVU, ISBN 3-621-27424-3
- Kubinger, K. D. (2019). Psychologische Diagnostik – Theorie und Praxis psychologischen Diagnostizierens (3., völlig überarbeitete und aktualisierte Aufl.). Göttingen: Hogrefe, ISBN 978-3-8017-2779-6.
- Moosbrugger, H. & Kelava, A. (Hrsg.). (2020). Testtheorie und Fragebogenkonstruktion (3. Aufl.). Heidelberg: Springer, ISBN 978-3-662-61531-7.
- Stemmler, G. & Margraf-Stiksrud, J. (Hrsg.)(2015). Lehrbuch Psychologische Diagnostik. Ber: Huber, ISBN 9783456855189.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Gulliksen, H. (1950). Theory of mental tests. New York: Wiley.
- ↑ Testkuratorium (1986). Beschreibung der einzelnen Kriterien für die Testbeurteilung. Diagnostica, 32, 358–360.
- ↑ Kubinger, K. D. (2019). Psychologische Diagnostik – Theorie und Praxis psychologischen Diagnostizierens (3., völlig überarbeitete und aktualisierte Aufl.). Göttingen: Hogrefe, ISBN 978-3-8017-2779-6.