Galdralag
Das Galdralag ist ein altnordisches Versmaß, welches sich durch die Wiederholung von Versteilen auszeichnet.
Etymologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Galdr bedeutet Zauber (vgl. Galster) und lag ist eine Art und Weise. Gadralag ist also die „Zauberweise“ oder das „Versmaß der Zaubersprüche“. Der Name Galdralag ist nur ein einziges Mal als Glosse belegt, die an den Rand der 100. bzw. 101. Strophe von Snorris Háttatal geschrieben wurde.
Aufbau
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Galdralagstrophe ist im Prinzip eine Ljóðaháttrstrophe, bei der eine Vollzeile, eine zäsurlose Zeile, die in sich stabt, ganz oder in leichter Variation wiederholt wird:
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Im oberen Beispiel folgt auf eine Langzeile, bestehend aus An- und Abvers, eine Vollzeile. Diese wird danach in leichter Variation wiederholt, bevor eine neue Langzeile beginnt. Gerade die Wiederholung von Versteilen kennzeichnet das Galdraglag. Die Beispielstrophe von Snorri zeigt dies deutlich:
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In diesem Beispiel fällt auf, dass nicht alle Stäbe zum Vers gehören (Sóttak, þá). Sie staben natürlich trotzdem, aber eher als Zusatz denn als Regel. Die zugrunde liegende Regel ist immer noch die Ljóðaháttrstrophe mit einer doppelten Vollzeile (hier in der zweiten statt in der ersten Halbstrophe).
Verwendung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Galdralag tritt in beschränktem Umfang in Teilen der Lieder-Edda auf, oft zusammen mit dem Ljóðaháttr. Beispiele für das Galdralag finden sich in den Götterliedern Hávamál (Str. 1, 105), Grímnismál (Str. 45), Skírnismál (Str. 29–32), Hárbarðslióð (Str. 18) und den Lokasenna (Str. 62, 65).
Snorri zitiert in Gylfaginning Kapitel 27 zwei Vollzeilen aus einer Strophe des sonst nicht überlieferten Heimdalargaldr (Heimdalls Zauberlied). Die beiden Vollzeilen wie auch der Name der Dichtung legen nahe, dass es in Galdraglagstrophen geschrieben wurde.[1]
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Doch auch außerhalb der Eddas gibt es Nachweise. So steht auf einem der Holzstäbchen aus Bergen (B 380, Ende 12. Jh.):
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Ob das Galdralag die ursprüngliche Form heidnisch-germanischer Zauberdichtung widerspiegelt, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, da nahezu keine heidnischen Zaubersprüche aus Skandinavien überliefert sind. In der Lieder-Edda finden sich zwar Erwähnungen und Beschreibungen von Zaubersprüchen (vgl. Hávamál Str. 146–163 und Grógaldr Str. 5–15), die Sprüche selbst aber nicht. In den genannten Passagen der Lieder-Edda tritt das Galdralag jedoch verstärkt auf, so dass die typischen Wiederholungen der Galdralagstrophen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für Zaubersprüche typisch waren.
Parallelen zur west- und südgermanischen Zauberdichtung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Den ältesten Zaubersprüchen der althochdeutschen und altenglischen Überlieferung ist der feste metrische Aufbau einer Galdralagstrophe fremd. Wiederholungen sind jedoch auch hier ein essentieller Bestandteil der Zauberdichtung.
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Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Faulkes: Hattatal S. 75
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Edith Marold: Ljóðháttr. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Bd. 18. (2. Aufl.) Berlin, New York 2001.
- Rudolf Simek: Zauberspruch und Zauberdichtung. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Bd. 34. (2. Aufl.) Berlin, New York 2007.
- Anthony Faulkes: Edda: Hattatal. Viking Society for Northern Research, 2007 (PDF; 787 kB).