Galinstan

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Galinstan, verrieben auf Glas

Galinstan (Wortmarke[1]) ist eine silbrige Legierung aus Gallium, Indium und Zinn. Der Name ist ein Kunstwort aus Gallium, Indium und Stannum (lateinisch für Zinn). Die Legierung ist bei Raumtemperatur flüssig und schmilzt bei einer Temperatur von ca. −19 °C (Fest-flüssig-Phasenübergang).[2]

Galinstan wird in mancher Literatur als die eutektische Legierung aus Gallium, Indium und Zinn genannt, diese hat jedoch andere physikalische Eigenschaften.[2]

Galinstan haftet an vielen Materialien, unter anderem auch an Glas. So können Thermometer mit Galinstan nur hergestellt werden, wenn das Innere der Röhre zuvor mit Gallium(III)-oxid beschichtet wird. Die starke Adhäsion auf vielen, auch glatten, Oberflächen ist auf die Galliumoxidschicht zurückzuführen, die sich sehr schnell an Luft bildet.[3]

Ebenso wie Quecksilber bildet Galinstan leicht Legierungen mit festen Metallen; beispielsweise lässt sich Aluminium in Galinstan auflösen.

Galinstan besitzt eine sehr große Oberflächenspannung von ca. 600 mN/m.[4][5][6] (Im Vergleich: Wasser ca. 72,75 mN/m[7], Quecksilber ca. 490 mN/m[8], alle bei 20 °C).

Zusammensetzung und Schmelzpunkt

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Galinstan ist eine Legierung mit den wesentlichen Bestandteilen Gallium (Ga), Indium (In) und Zinn (Sn). In der Literatur wird der Begriff Galinstan manchmal auch für die eutektische Legierung dieser drei Metalle verwendet. Die eutektische Zusammensetzung (Massenprozent) ist in etwa 68,5 % Ga, 21,5 % In und 10 % Sn.[4][9] Verschiedene Quellen nennen kleinere Abweichungen der Massenprozent-Werte. Die eutektische Legierung besitzt einen Schmelzpunkt von ca. 11 °C, was durch dynamische Differenz-Kalorimetrie (DSC) und rheologische Messmethoden bestätigt wurde.[2][10][11][12][13] Für Galinstan ist oft ein Wert von −19 °C für den Schmelzpunkt angegeben.[2][10][9] Es wurde lange geglaubt, dass dieser Phasenübergang wegen Unterkühlung abweicht.[14] – Gallium und dessen Legierungen neigen zu Unterkühlung, d. h. der Gefrierpunkt kann weit niedriger sein als der Schmelzpunkt.[15] Es werden Gefrierpunkte von −10 bis −21 °C in der Literatur genannt.[2][10][4][16] Weiterhin wurde in der Fachliteratur auch eine mögliche Änderung der Zusammensetzung und ggf. auch Beimengungen anderer Metalle (z. B. Bismut) als Grund für die unterschiedlichen Schmelzpunkte genannt. Beimengungen von Bismut, Antimon und Blei konnten jedoch ausgeschlossen werden. Vielmehr werden dem Galinstan zur Verwendung in Flüssigkeitsthermometern geringe Mengen Fließmittel zugesetzt.[2] Der Unterschied in den Schmelztemperaturen wird durch geringe Beimengungen von Fließmitteln in dem technischen Produkt Galinstan ausgelöst.[2] Daher ist Galinstan im Sinne des Markeninhabers („Im wesentlichen aus unedlen Metallen bestehende Legierungen, insbesondere Galliumlegierungen“[1]) keine eutektische Legierung.[2] Das Fließmittel dient hierbei nicht nur dem Absenken des Schmelzpunktes, sondern auch der Verringerung der Oberflächenspannung (von ca. 600 auf ca. 535 mN/m)[2] und Beeinflussung der Fließeigenschaften.

Physikalische Eigenschaften

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Galinstan ist eine silberfarbene, bei Raumtemperaturen flüssige Legierung[17] aus 68,5 % Ga, 21,5 % In und 10,0 % Sn und weist folgende physikalische Eigenschaften auf:[4]

Zu einigen physikalischen Eigenschaften gibt es widersprüchliche Angaben[4]. Das betrifft Schmelztemperatur, Oberflächenspannung, Viskosität und Wärmeleitfähigkeit. Beim Schmelzpunkt ist eventuell die Diskrepanz zwischen Schmelz- und Gefrierpunkt wegen Unterkühlung die Ursache. Die hohe Reaktivität von Galinstan (und auch anderen Gallium-basierten Legierungen) ist vermutlich ein Grund für die große Streuung aller Messwerte. Gallium und seine Legierungen bilden an Luft und auch in Wasser eine selbst-limitierende Oxidschicht, die das Metall am Fließen hindert.[22] Die Änderung der Oberflächeneigenschaften und die veränderten Adhäsions-/Benetzungseigenschaften wirken sich auf die Messung der physikalischen Eigenschaften aus. Zum Beispiel werden Werte zwischen 535 mN/m und 718 mN/m für die Oberflächenspannung von Galinstan in der Literatur genannt.[23][24][25] Ein Wert von 718 mN/m ist jedoch unwahrscheinlich – Gallium besitzt eine Oberflächenspannung von ca. 711 mN/m.[8], durch Legieren mit Indium (ca. 560 mN/m) oder Zinn (ca. 560 mN/m) verringert sich die Oberflächenspannung. Bei Gallium-Zinn ist zu sehen, dass sich die Oberflächenspannung durch Zugabe von Zinn von ca. 700 mN/m kontinuierlich auf ca. 540 mN/m (reines Zinn) verringert (Werte für 723 K).[26] Daher sollte die Oberflächenspannung von Galinstan weit niedriger sein als die Oberflächenspannung von reinem Gallium. Darüber hinaus ist die Oberflächenspannung meist nicht niedriger als die niedrigste Oberflächenspannung der reinen Metalle. Daher ist ein Wert von 535 mN/m auch unwahrscheinlich. Vielmehr sollte der Wert für Galinstan nahe am Wert für das Eutektikum Gallium-Indium (EGaIn) liegen (624 mN/m[27]) Als Gründe für die weite Streuung ist zum einen die starke Neigung von Galinstan zur Oxidierung zu nennen. Oxidation verringert die Oberflächenspannung, jedoch ist diese dann sehr schwer zu messen, da durch die Haut die Form eines Galinstantropfens nicht mehr im Gleichgewicht ist.[28] Mithilfe von Vibrationen wurde 2021 die Oberflächenspannung von Galinstan (und EGaIn) mit Oxidschicht zu circa 360 mN/m gemessen.[28] Daher sind die Ausbildung der Fließgrenze und die Verringerung der Oberflächenspannung durch Oxidation vermutlich die Hauptgründe für unterschiedliche Literaturwerte der Oberflächenspannung. Einige niedrige Werte sind auf das Messen von Galinstan (das technische Produkt) anstatt dem eutektischen Ga-In-Sn zurückzuführen.[2]

Oft wird in der Literatur ein Wert von 15 W/(m·K) für die Wärmeleitfähigkeit angegeben. Dieser Wert ist jedoch geringer als der Wert für die Wärmeleitfähigkeit von EGaIn (ca. 26 W/(m·K)),[29] obwohl Galinstan und EGaIn eine ähnliche Zusammensetzung aufweisen und beide eine elektrische Leitfähigkeit von ca. 0,34·105 S/cm aufweisen.[6][19][29] Laut dem Wiedemann-Franz-Lorenz Gesetz ist die elektrische Leitfähigkeit mit der thermischen Leitfähigkeit verknüpft. Andere Messungen der thermischen Leitfähigkeit von Galinstan ergaben einen Wert von ca. 25 W/(m·K), was eher im Einklang mit dem Wiedemann-Franz-Lorenz Gesetz ist.[19][20] Mögliche Ursachen für abweichende Werte sind das fehlerhafte Benetzen von Oberflächen, auch durch Oxidschichten. Das technische Produkt Galinstan weist eine geringere elektrische und thermische Leitfähigkeit auf als das eutektische Ga-In-Sn.[2]

Galinstan-Fieberthermometer von Geratherm

Galinstan wird vor allem als ungiftiger Ersatz in vielen Anwendungen eingesetzt, bei denen flüssiges Quecksilber oder Natrium-Kalium-Eutektikum (NaK) verwendet wurde; unter anderem für Fieberthermometer.

Da es sich bei Galinstan um eine flüssige Metall-Legierung handelt, wird in der wissenschaftlichen Forschung die Anwendung von Galinstan und nicht-toxischer flüssiger Metalle wegen ihrer Verformbarkeit für flexible und dehnbare Elektronik,[30] für flexible Schalter[31] und als thermisches Grenzflächen-Material[32] (siehe auch eng. thermal interface material) untersucht.


Commons: Galinstan – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b Wortmarkeininhaber ist die Geratherm Medical AG
  2. a b c d e f g h i j k Stephan Handschuh-Wang, Tiansheng Gan, Muhammad Rauf, Weifa Yang, Florian J. Stadler, Xuechang Zhou: The subtle difference between Galinstan (R) and eutectic GaInSn. In: Materialia. Band 26, Dezember 2022, S. 101642, doi:10.1016/j.mtla.2022.101642.
  3. Stephan Handschuh-Wang, Lifei Zhu, Tiansheng Gan, Tao Wang, Ben Wang: Interfacing of surfaces with gallium-based liquid metals – approaches for mitigation and augmentation of liquid metal adhesion on surfaces. In: Applied Materials Today. Band 21, Dezember 2020, S. 100868, doi:10.1016/j.apmt.2020.100868.
  4. a b c d e f g h i j k Stephan Handschuh-Wang, Florian J. Stadler, Xuechang Zhou: Critical Review on the Physical Properties of Gallium-Based Liquid Metals and Selected Pathways for Their Alteration. In: The Journal of Physical Chemistry C. 9. September 2021, S. acs.jpcc.1c05859, doi:10.1021/acs.jpcc.1c05859.
  5. a b Stephan Handschuh-Wang, Yuzhen Chen, Lifei Zhu, Xuechang Zhou: Analysis and Transformations of Room-Temperature Liquid Metal Interfaces – A Closer Look through Interfacial Tension. In: ChemPhysChem. Band 19, Nr. 13, 2018, S. 1584–1592, doi:10.1002/cphc.201800129.
  6. a b c d e Yuriy Plevachuk, Vasyl Sklyarchuk, Sven Eckert, Gunter Gerbeth, Rada Novakovic: Thermophysical Properties of the Liquid Ga–In–Sn Eutectic Alloy. In: Journal of Chemical & Engineering Data. Band 59, Nr. 3, 18. Februar 2014, S. 757–763, doi:10.1021/je400882q.
  7. James K. Beattie, Alex M. Djerdjev, Angus Gray-Weale, Nikola Kallay, Johannes Lützenkirchen: pH and the surface tension of water. In: Journal of Colloid and Interface Science. Band 422, Mai 2014, S. 54–57, doi:10.1016/j.jcis.2014.02.003.
  8. a b B. J. Keene: Review of data for the surface tension of pure metals. In: International Materials Reviews. Band 38, Nr. 4, Januar 1993, S. 157–192, doi:10.1179/imr.1993.38.4.157.
  9. a b Hanan Chanaa: Eine neuartige Metallelektrode als Alternative zur Quecksilberelektrode: Galinstan in der Voltammetrie. Berlin 2008, DNB 1023170396, urn:nbn:de:kobv:188-fudissthesis000000004871-5 (Dissertation, FU Berlin).
  10. a b c d Solidification and melting phase change behavior of eutectic gallium-indium-tin. In: Materialia. Band 8, 1. Dezember 2019, S. 100512, doi:10.1016/j.mtla.2019.100512.
  11. Angabe auf goodfellow.com
  12. Datenblatt Galinstan bei Alfa Aesar, abgerufen am 15. Dezember 2010 (Seite nicht mehr abrufbar).
  13. G. N. van Ingen, J. Kapteijn, J. L. Meijering: On the system Gallium–Indium–Tin. In: Scripta Metallurgica. 1970, Band 4, Nr. 9, S. 733–736, doi:10.1016/0036-9748(70)90215-2.
  14. T. Daeneke, K. Khoshmanesh, N. Mahmood, I. A. de Castro, D. Esrafilzadeh, S. J. Barrow, M. D. Dickey, K. Kalantar-zadeh: Liquid metals: fundamentals and applications in chemistry. In: Chemical Society Reviews. Band 47, Nr. 11, 2018, S. 4073–4111, doi:10.1039/C7CS00043J.
  15. Lyman J. Briggs: Gallium: Thermal Conductivity; Supercooling; Negative Pressure. In: The Journal of Chemical Physics. Band 26, Nr. 4, 1. April 1957, S. 784–786, doi:10.1063/1.1743405.
  16. Identifying surface structural changes in a newly-developed Ga-based alloy with melting temperature below 10 °C. In: Applied Surface Science. Band 492, 30. Oktober 2019, S. 143–149, doi:10.1016/j.apsusc.2019.06.203.
  17. a b c d e MSDS Galinstan (Herstellerwebseite) (Memento vom 23. September 2013 im Internet Archive) (PDF; 81 kB)
  18. Gallium-Reduktion, Mitteilung zu Verwendung von Gallium der Firma ResinTech, inc., abgerufen am 18. Jan. 2023
  19. a b c d Seungho Yu, Massoud Kaviany: Electrical, thermal, and species transport properties of liquid eutectic Ga-In and Ga-In-Sn from first principles. In: The Journal of Chemical Physics. Band 140, Nr. 6, 11. Februar 2014, S. 064303, doi:10.1063/1.4865105.
  20. a b Wilson Kong, Zhongyong Wang, Meng Wang, Kenneth C. Manning, Aastha Uppal: Oxide-Mediated Formation of Chemically Stable Tungsten–Liquid Metal Mixtures for Enhanced Thermal Interfaces. In: Advanced Materials. Band 31, Nr. 44, 2019, S. 1904309, doi:10.1002/adma.201904309.
  21. Experimental investigation of galinstan based minichannel cooling for high heat flux and large heat power thermal management. In: Energy Conversion and Management. Band 185, 1. April 2019, S. 248–258, doi:10.1016/j.enconman.2019.02.010.
  22. Michael D. Dickey, Ryan C. Chiechi, Ryan J. Larsen, Emily A. Weiss, David A. Weitz: Eutectic Gallium-Indium (EGaIn): A Liquid Metal Alloy for the Formation of Stable Structures in Microchannels at Room Temperature. In: Advanced Functional Materials. Band 18, Nr. 7, 11. April 2008, S. 1097–1104, doi:10.1002/adfm.200701216.
  23. Tingyi Liu, Prosenjit Sen, Chang-Jin Kim: Characterization of Nontoxic Liquid-Metal Alloy Galinstan for Applications in Microdevices. In: Journal of Microelectromechanical Systems. Band 21, Nr. 2, April 2012, S. 443–450, doi:10.1109/JMEMS.2011.2174421.
  24. V. Ya. Prokhorenko, V. V. Roshchupkin, M. A. Pokrasin, S. V. Prokhorenko, V. V. Kotov: [No title found]. In: High Temperature. Band 38, Nr. 6, 2000, S. 954–968, doi:10.1023/A:1004157827093.
  25. Rebecca K. Kramer, J. William Boley, Howard A. Stone, James C. Weaver, Robert J. Wood: Effect of Microtextured Surface Topography on the Wetting Behavior of Eutectic Gallium–Indium Alloys. In: Langmuir. Band 30, Nr. 2, 21. Januar 2014, S. 533–539, doi:10.1021/la404356r.
  26. Tomasz Gancarz: Density, surface tension and viscosity of Ga-Sn alloys. In: Journal of Molecular Liquids. Band 241, September 2017, S. 231–236, doi:10.1016/j.molliq.2017.06.002.
  27. D. Zrnic, D.S. Swatik: On the resistivity and surface tension of the eutectic alloy of gallium and indium. In: Journal of the Less Common Metals. Band 18, Nr. 1, Mai 1969, S. 67–68, doi:10.1016/0022-5088(69)90121-0.
  28. a b Stephan Handschuh-Wang, Tiansheng Gan, Tao Wang, Florian J. Stadler, Xuechang Zhou: Surface Tension of the Oxide Skin of Gallium-Based Liquid Metals. In: Langmuir. Band 37, Nr. 30, 3. August 2021, S. 9017–9025, doi:10.1021/acs.langmuir.1c00966.
  29. a b Seungho Yu, Massoud Kaviany: Electrical, thermal, and species transport properties of liquid eutectic Ga-In and Ga-In-Sn from first principles. In: The Journal of Chemical Physics. Band 140, Nr. 6, 14. Februar 2014, S. 064303, doi:10.1063/1.4865105.
  30. Suqing Liang, Yaoyao Li, Yuzhen Chen, Jinbin Yang, Taipeng Zhu: Liquid metal sponges for mechanically durable, all-soft, electrical conductors. In: Journal of Materials Chemistry C. Band 5, Nr. 7, 2017, S. 1586–1590, doi:10.1039/c6tc05358k.
  31. Yuzhen Chen, Tingjiao Zhou, Yaoyao Li, Lifei Zhu, Stephan Handschuh-Wang: Robust Fabrication of Nonstick, Noncorrosive, Conductive Graphene-Coated Liquid Metal Droplets for Droplet-Based, Floating Electrodes. In: Advanced Functional Materials. Band 28, Nr. 8, 15. Januar 2018, S. 1706277, doi:10.1002/adfm.201706277.
  32. Michael D. Bartlett, Navid Kazem, Matthew J. Powell-Palm, Xiaonan Huang, Wenhuan Sun: High thermal conductivity in soft elastomers with elongated liquid metal inclusions. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. Band 114, Nr. 9, 13. Februar 2017, S. 2143–2148, doi:10.1073/pnas.1616377114.