Gare d’Orsay
Die Gare d’Orsay [[Anm. 1] war ein Kopfbahnhof im 7. Arrondissement von Paris. Der ehemalige Fernbahnhof ist aktuell nur noch eine Station (Musée d’Orsay)[Anm. 2] des Liniennetzes C des Réseau express régional d’Île-de-France (RER), im einstigen Empfangsgebäude ist seit 1986 das Kunstmuseum Musée d’Orsay untergebracht.
] (zunächst: Gare d’Orléans)Vorgeschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Jahr 1840 wurde auf Grund der Eröffnung der Strecke Paris–Corbeil ein erster Bahnhof an der Stelle des heutigen Bahnhofs Paris-Austerlitz errichtet. Die Strecke wurde 1843 bis Orléans verlängert, weshalb der Bahnhof zunächst den Namen Gare d’Orléans trug. Da er ungünstig weit im Südosten der Stadt lag, plante die Compagnie du Chemin de fer de Paris à Orléans (PO) den Bau eines näher am Zentrum gelegenen Bahnhofs. 1897 erhielt sie die Genehmigung, an der Stelle der Ruine des ausgebrannten Palais d’Orsay einen Kopfbahnhof zu errichten, am 2. April jenes Jahres überließ ihr der Staat für 10,5 Millionen Franc das Grundstück.
Geschichte und Beschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit der Vorgabe, dass sich der Bahnhof in das elegante architektonische Umfeld eingliedern solle, beauftragte die PO die Architekten Émile Bénard, Lucien Magne und Victor Laloux mit entsprechenden Entwürfen. Laloux’ Entwurf wurde 1898 ausgewählt und in jenem Jahr mit den Bauarbeiten begonnen.[1] Dank der neuartigen elektrischen Beleuchtung konnte auch nachts gearbeitet werden.[2]
Am 28. Mai 1900, kurz nach dem Beginn der Weltausstellung jenes Jahres, konnte die neue Gare d’Orléans – die spätere Gare d’Orsay – am Quai d’Orsay[Anm. 3] eröffnet werden. Der Bahnhof lag am Ende einer rund 3,4 Kilometer langen, parallel zum Seineufer angelegten zweigleisigen Strecke.
Laloux baute das Empfangsgebäude im Stil der Beaux-Arts-Architektur mit großen Steinquadern aus der Charente und dem Poitou,[2] mit reich verzierten Fassaden, die die Metallstrukturen verbargen.[1] Hohe Statuen sollten an die Zielorte Bordeaux, Toulon und Nantes erinnern. Das Stahlgerüst errichtete die Compagnie de Fives-Lille, 12.000 Tonnen Metall wurden verbaut.[2][Anm. 4] In die West- und Südflügel wurde das Hotel Palais d’Orsay mit 370 Betten integriert, das bis 1973 existierte. Der gesamte Komplex ist 173 Meter lang und durchschnittlich 75 Meter breit.[2] Die 40 Meter hohe, 138 Meter lange und 32 Meter breite Bahnhofshalle wurde aus Stahl und Glas errichtet. Sie überspannte 6 der insgesamt 18 Gleise, die anderen wurden beiderseits unterhalb des Straßenniveaus angelegt. Über einem Teil der Gleise der Haupthalle entstand später eine große Schalterhalle mit Warteräumen, Buffet, Bars und Toiletten.[3] Da kein Betrieb mit Dampflokomotiven zu erwarten war, wurde das Innere des Gebäudes in hellen Farben und Verzierungen konzipiert.[2]
Die moderne Ausstattung des Bahnhofs umfasste unter anderem elektrische Gepäckaufzüge und Fahrsteige. Um die Innenstadt vom Qualm der Dampflokomotiven zu verschonen, wurde die neue Strecke mit Stromschienen versehen, und die Züge wurden mit Elektrolokomotiven des Typs „Boîte à sel“ bespannt. Der Wechsel der Lokomotiven erfolgte jeweils in der Gare d’Austerlitz. Das System war an der Baltimore Belt Line der Baltimore and Ohio Railroad orientiert; ausgeführt wurde es von der Compagnie Francaise Thomson-Houston, die zur US-amerikanischen General Electric Company (GE) gehörte. Die elektrischen Lokomotiven entstanden bei GE mit Drehgestellen von ALCo.
Nach der Umstellung des Stromsystems auf Oberleitung und 1500 V Gleichspannung wurden Mitte der 1920er Jahre alle Lokomotiven der Baureihe E abgestellt. Fortan konnten reguläre elektrische Lokomotiven die Fernzüge direkt bis in den Bahnhof bringen. Mit der zunehmenden Leistung dieser Maschinen wurden die Züge jedoch länger als die Bahnsteige der Gare d’Orsay und endeten deshalb vermehrt wieder in der Gare d’Austerlitz.[2] Da das Umfeld der Gare d’Orsay keine Bahnsteigverlängerungen zuließ, wurde verlor diese am 2. November 1939 auch den verbliebenen Fernverkehr – lediglich die Züge des Nahverkehrs verblieben.[1]
Im Zweiten Weltkrieg wurde der Bahnhof als Abfertigungszentrum für Pakete an Kriegsgefangene genutzt,[2] 1945 diente er als Empfangsort für heimgekehrte französische Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter. Charles de Gaulle nutzte am 19. Mai 1958 den Ballsaal des Hotels für eine Pressekonferenz, auf der er seine Rückkehr in die französische Politik verkündete. Der leere Bahnhof war später Drehort für Filme, so 1962 für Orson Welles’ Der Prozeß[1] und 1970 für Bernardo Bertoluccis Der große Irrtum; er wurde als Auktionshaus und von 1972 bis 1981 als Theater (Théâtre d’Orsay) genutzt.[2]
Architekten wie Le Corbusier und Guillaume Gillet plädierten während der Regierungszeit de Gaulles für einen Abriss des Gebäudes, das dank seiner Nutzung als Theater überlebte. 1978 wurde es für 80 Millionen Franc vom Staat erworben[2] und unter Denkmalschutz gestellt. Im Zuge des Baus der Transversale Rive Gauche entstand an der Nordseite unter dem Quai Anatole France ein viergleisiger Durchgangsbahnhof (heute: Gare du Musée d’Orsay) für Vorortzüge. Am 26. September 1979 wurde der 841 m lange Lückenschluss eröffnet, seit 1980 verkehren Züge der Linie C des Schnellbahnnetzes Réseau express régional d’Île-de-France (RER). In den Hauptverkehrszeiten wird der Bahnhof von bis zu 24 Zügen pro Stunde und Richtung bedient.
Der Raum über den ehemaligen Fernbahngleisen nimmt seit 1986 das Kunstmuseum Musée d’Orsay auf.[1]
-
Erdarbeiten während des Baus
-
Restaurierte Uhr in der ehemaligen Bahnhofshalle
-
Gedenktafel für die Rückkehrer des Jahres 1945
-
Ehemaliger Ballsaal des Hotels
-
Haupthalle des Museums
Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Die vormalige Gare d’Orléans erhielt den Namen Gare d’Austerlitz
- ↑ Bei ihrer Eröffnung trug die Station den Namen Quai d’Orsay
- ↑ Der entsprechende Abschnitt trägt heute den Namen Quai Anatole France
- ↑ Zum Vergleich: die Gesamtmasse des Eiffelturms beträgt 10.100 t
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Clive Lamming: Orsay : la gare demeure mais ne se rend pas bei trainconsultant.com, mit Fotos und Gleisplan
- Paris projet ou vandalisme mit zahlreichen Fotos
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c d e Histoire du musée bei musee-orsay.fr, abgerufen am 16. Dezember 2024
- ↑ a b c d e f g h i Clive Lamming: Paris au temps des gares. Parigramme, Paris 2011, ISBN 978-2-84096-711-8, S. 125 ff.
- ↑ Clive Lamming: Orsay : la gare demeure mais ne se rend pas bei trainconsultant.com, abgerufen am 16. Dezember 2024
Koordinaten: 48° 51′ 37″ N, 2° 19′ 31,4″ O