Gastrostoma
Ein Gastrostoma (von altgriechisch γαστήρ gaster „Magen, Bauch“, und στόμα stóma, „Mund“), genannt auch (künstliche) Magenfistel, ist eine durch die Bauchwand angelegte Öffnung in den Magen. Das Anlegen eines Gastrostomas wird als Gastrostomie bzw. Magenfisteloperation bezeichnet.
Um 1837 hatte Ch. A. Egeberg bei Unmöglichkeit der Zufuhr von Speisen durch eine Verengung der Speiseröhre vorgeschlagen, eine Magenfistel zur Ernährung des Patienten anzulegen, was Bassow 1842 in Moskau an Hunden versuchte. Erstmals beschrieben und ausgeführt wurden, gestützt auf 1843 durchgeführte Versuche mit Hunden, die von Blondelot so am Leben erhalten wurden, in Straßburg 27 Gastrostomien (bei Ösophagusstenose) zwischen 1846[1] und 1849[2] von dem französischen Chirurgen Charles Emmanuel Sédillot,[3] der am 13. November 1849 eine Gastrostomie in Chloroformnarkose bei einem 52-jährigen Mann mit Ösophagusstenose, der binnen eines Jahres 54 Kilogramm abgenommenen hatte, vorgenommen hat. Die Therapie scheiterte jedoch in beinahe allen Fällen an tödlich ausgehenden septischen Bauchfellentzündungen.[4][5] Im Jahr 1886 publizierte Viktor von Hacker ein Verfahren zum Verschluss der künstlichen Magenfistel mit einem Bauchmuskel,[6] 1888 der Schweizer Girard eine Methode mit (funktioneller) Sphinkterbildung.[7][8] Eine sogenannte Cholezystogastrostomie[9] wurde erstmals von dem österreichischen Chirurgen Robert Gersuny 1892 in Döbling durchgeführt.[10]
Indikation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein Gastrostoma erlaubt die künstliche Ernährung bei Patienten, die nicht schlucken können und gilt als Alternative zur parenteralen Ernährung. Die Nutzung kann von Angehörigen zuhause vorgenommen werden. Bei bestehendem gastroösophagealem Reflux ist die Kombination mit einer Antirefluxplastik erforderlich.
Ein temporäres Stoma kann nach größeren Eingriffen an Schluckapparat und Speiseröhre der besseren Ausheilung durch passagere Ruhigstellung dienen, kommt auch bei längerstreckiger Ösophagusatresie zur Anwendung als Überbrückung bis zur endgültigen Operation.
Im Einzelfall dient das Gastrostoma oder die PEG als Ablauf für Mageninhalt als Alternative zur transnasalen Magensonde.
Methode
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Gastrostomie kann
- operativ als Kader-Fistel (seit 1896[11]), benannt nach dem Breslauer Chirurgen Bronisław Kader (1863–1937), oder Witzel-Fistel, mit ab 1891[12] eingeführten Operationsmethoden[13][14]
- CT-gesteuert durch die Interventionelle Radiologie
oder
- endoskopisch vorgenommen werden.
Die letzte Form, die endoskopische Anlage als perkutane endoskopische Gastrostomie, ist in Deutschland das gängige Verfahren.
Die weltweit erste Gastrostomie gelang Daniel Schwabe 1635 in Königsberg.
Komplikationen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als typische Komplikationen können auftreten:
- Infektionen der Stomiestelle
- Undichtigkeit „Leckage“ in die Bauchhöhle
- Perforation durch die eingebrachte Fütterungssonde.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Gastrostomie. In: Roche Lexikon Medizin. 5. Auflage. Elsevier, Urban & Fischer Verlag, München 2003, ISBN 3-437-15072-3 (medizin-lexikon – auch tk.de/rochelexikon [abgerufen am 25. Februar 2014]).
- M. Bettex, N. Genton, M. Stockmann (Hrsg.): Kinderchirurgie. Diagnostik, Indikation, Therapie, Prognose. 2. Auflage. Thieme 1982, ISBN 3-13-338102-4.
- G. Lotheisen: Die Magenfistel und ihre Ausführung. In: Archiv für Klinische Chirurgie. Band 195, 1939, S. 136 ff.
- W. Schuster, D. Färber (Hrsg.): Kinderradiologie. Bildgebende Diagnostik. Springer, 1996, ISBN 3-540-60224-0.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Friedrich Wilhelm Gierhake: Speiseröhre. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen: Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 186–191, hier: S. 186.
- ↑ Charles Emmanuel Sédillot: Opération de gastrostomie pratiquée pour la première fois le 13 novembre 1849. In: Gaz. méd. Band 9, (Straßburg) 1849, S. 366–377.
- ↑ Barbara I. Tshisuaka: Sédillot, Charles Emmanuel. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1314 f.
- ↑ Friedrich Wilhelm Gierhake: Asepsis. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 33–42, S. 34.
- ↑ Franz Xaver Sailer: Magen. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Mit einem Geleitwort von Rudolf Nissen. Dustri-Verlag Dr. Karl Feistle, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 43–71, hier: S. 48–50 (Magenfisteln).
- ↑ Viktor von Hacker: Verwendung des M. rectus abdom. zum Verschluß der künstl. Magenfistel. In: Wiener medizinische Wochenschrift. Band 21, 1886, S. 1073 ff.
- ↑ Girard: Neue Methode der Gastrostomie mit Sphinkterbildung. In: Korrespondenzblatt für Schweizer Ärzte. 1888, S. 345 ff.
- ↑ Vgl. auch Eugen Hahn: Eine neue Methode der Gastrostomie. In: Zentralblatt für Chirurgie. Band 17, 1890, S. 193 ff.
- ↑ Vgl. auch M. Wickhoff, F. Angelberger: Casuistische Mittheilungen. Cholelithiasis – Obturatio ductus choledochi. Cholecysto-Gastrostomie. In: Langenbecks Archiv für klinische Chirurgie. Band 4, 1893, S. 325 ff.
- ↑ Günter Skibbe: Gallenblase und Gallengänge. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 72–88, hier: S. 81 und 84.
- ↑ Bronisław Kader: Zur Technik der Gastrostomie. In: Zentralblatt für Chirurgie. Band 23, 1896. S. 665 ff.
- ↑ Oskar Witzel: Zur Technik der Magenfistelanlegung. In: Zentralblatt für Chirurgie. Band 18, 1891, S. 601 ff.
- ↑ Franz X. Sailer: Chirurgie der Bauchorgane und der Bauchwand: Magen. In: Chirurgie historisch gesehen: Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Hrsg. von Franz X. Sailer und Friedrich W. Gierhake, Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 43–71, hier: S. 48–50 (Magenfisteln).
- ↑ Vgl. auch R. Frank: Eine neue Methode der Gastrostomie. In: Wiener Klinische Wochenschrift. Band 6, 1893, S. 231 ff., E. Ullmann: Zur Technik der Gastrostomie. In: Wiener medizinische Wochenschrift. 1894, S. 1662 ff., Martin Stamm: Gastrostomy by a new method. In: Med. News, Phila. Band 25, 1894, S. 324 ff., J. Senn: Gastrostomy by a circular valve method. In: J. Americ. med. Ass. Band 27, 1896, S. 1142 ff., Ludwig Heusner: Über eine neue Methode zur Anlegung von Magenfisteln. In: Zentralblatt für Chirurgie. Band 23, 1896, S. 986 ff., J. L. Spivack: Eine neue Methode der Gastrostomie. In: Bruns Beiträge zur Klinischen Chirurgie. Band 147, 1929, S. 308 ff., und G. S. Toprover: Eine neue Methode der Gastrostomie. In: Zentralorgan der gesamten Chirurgie und ihrer Grenzgebiete. Band 71, 1935, S. 201 ff.