Gadopentetat-Dimeglumin

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Strukturformel
· 2
Allgemeines
Freiname Gadopentetat-Dimeglumin
Andere Namen

SHL-451A

Summenformel C28H54GdN5O20
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
PubChem 55466
ChemSpider 50087
DrugBank DB00789
Wikidata Q413793
Arzneistoffangaben
ATC-Code

V08CA01

Wirkstoffklasse

Paramagnetisches Kontrastmittel

Eigenschaften
Molare Masse 938,00 g·mol−1
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]

H- und P-Sätze H: 315​‐​319​‐​335
P: 264​‐​280​‐​302+352​‐​321​‐​332+313​‐​362​‐​280​‐​305+351+338​‐​337+313​‐​261​‐​271​‐​304+340​‐​312​‐​403+233​‐​405​‐​501[1]
Toxikologische Daten

9411 mg·kg−1 (LD50Rattei.v.)[2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Gadopentetat-Dimeglumin ist ein Arzneistoff, der als Kontrastmittel in der Magnetresonanztomografie (MRT) verwendet wird. Es handelt sich um das Dimegluminsalz der Gadopentetsäure (Gd-DTPA). Die darin enthaltenen Ionen des Seltenerdmetalls Gadolinium verstärken den Kontrast in der Bildgebung.

Aufbau und Wirkprinzip des Kontrastmittels

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Gadopentetsäure ist ein Chelatkomplex aus Gadolinium-Ionen und dem Komplexbildner Diethylentriaminpentaessigsäure (DTPA). Der Komplex ist äußerst fest und sehr stabil, denn freie, nicht komplexierte Gadolinium-Ionen sind für den menschlichen und die meisten tierischen Organismen toxisch. Die Komplexbildungskonstante von DTPA liegt, bei einem pH-Wert von 7, oberhalb von 1020.

Gadolinium hat auf der äußeren Elektronenschale (f-Schale) sieben ungepaarte Elektronen, die dem Element einen starken Paramagnetismus verleihen. Protonen, wie sie im Wasser von Körperflüssigkeiten vorkommen, relaxieren in der Nähe zu Gadolinium deutlich rascher. Insbesondere die sogenannte T1-Zeit wird durch Gadolinium erheblich verkürzt. Bereiche, in denen sich das Kontrastmittel anreichert, werden daher in T1-gewichteten Bildern heller dargestellt als andere Strukturen. Dadurch wird die Bildqualität einer MRT-Aufnahme erheblich verbessert.

Als hochpolares und relativ großes Molekül ist Gadopentetsäure bei einem gesunden Menschen nicht in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden, nachdem es intravenös verabreicht wurde. Bei einigen Erkrankungen wie bei einem Glioblastom kann es jedoch die geschädigte Blut-Hirn-Schranke überwinden und in das erkrankte Gewebe eindringen. Somit ist es möglich, eine genauere Informationen über die Art und Lage des Tumors zu gewinnen. Auch grenzt sich der Tumor in der Bildgebung besser gegenüber dem gesunden Gewebe ab. Der Effekt der Überwindung der Blut-Hirn-Schranke ist ein wichtiges Diagnoseverfahren für Gehirntumoren.

In der Gelenkdiagnostik wird Gadopentetat-Dimeglumin in den Gelenkinnenraum (intraartikulär) verabreicht.

Gadopentetsäure diffundiert nach intraartikulärer Gabe rasch ins Blut und den Extrazellularraum. Von dort wird sie fast vollständig über die Nieren ausgeschieden, die Halbwertszeit beträgt circa 1,5 Stunden.[3]

Gadopentetat-Dimeglumin ist sehr gut verträglich. Allergische oder allergiforme Reaktionen treten selten (bei 0,1 – 0,01 Prozent der Behandelten) auf. Bei Patienten mit Funktionsstörungen der Nieren kann eine nephrogene systemische Fibrose ausgelöst werden. Bei solchen Patienten sollte von einer Kontrastmittelgabe abgesehen werden.[4][5]

Die Kernspintomografie ist während der Schwangerschaft unbedenklich. Hingegen führt die Gabe von Gadolinium-haltigem Kontrastmittel zu einer deutlich erhöhten Todesrate des Neugeborenen bei oder nach der Geburt mit einer Hazard ratio (HR) von 3,7 und zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit rheumatologischer, inflammatorischer und dermatologischer Erkrankungen mit einer Hazard ratio von 1,36. Daher sollte in der Schwangerschaft bei einer notwendigen Kernspintomografie kein Kontrastmittel eingesetzt werden.[6]

Im Juli 2015 veröffentlichte die Food and Drug Administration eine Empfehlung, wonach Gadolinium-haltige Kontrastmittel nur bei Untersuchungen eingesetzt werden sollen, in denen sie einen diagnostischen Vorteil verschaffen. Grund dafür waren Hinweise auf Ablagerungen von Gadolinium-Verbindungen im Gehirn von Patienten nach mindestens viermaliger Anwendung des Kontrastmittels; ein eventueller Einfluss auf die Gesundheit ist derzeit nicht bekannt und Gegenstand von Untersuchungen.[7] Im Juli 2017 empfahl die europäische Arzneimittelagentur den Mitgliedstaaten, Zulassungen von Gadopentetat-Dimeglumin und weiterer gadoliniumhaltiger Kontrastmittel mit linearer Struktur für die systemische Anwendung auszusetzen.[8] Die deutsche Behörde setzte diese Empfehlung mit Wirkung zum 28. Februar 2018 um.[9]

Ökologische Aspekte

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Das in Gadopentetat-Dimeglumin und anderen Kontrastmitteln enthaltene Seltenerdmetall Gadolinium wurde 2019 in Deutschland im Trinkwasser nachgewiesen.[10]

Entwicklungsgeschichte

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Das Diagnostikum Gadopentetat-Dimeglumin wurde 1981 bei der Schering AG[11][12] von der Arbeitsgruppe von Hanns-Joachim Weinmann entwickelt und 1988 unter dem Namen Magnevist als erstes Kontrastmittel für die Magnetresonanztomografie zugelassen. Obwohl es inzwischen eine Vielzahl verschiedener zugelassener Modifikationen (sowohl am DTPA selbst, als auch völlig andere Gadolinium-Chelatoren) gibt, war es bis zur Einschränkung der Zulassung, die 2018 wirksam wurde, das am meisten verwendete Kontrastmittel in der MRT. Zeitweise wurden bis 50 % aller Kernspinaufnahmen in Deutschland mit Gadopentetat-Dimeglumin durchgeführt.

Von 1984 bis 2005 wurde das Mittel fast 60 Millionen Mal weltweit angewendet. Die Schering AG erzielte damit im Jahr 2005 einen Umsatz von über 300 Millionen Euro.

Seit Patentablauf Ende 2007 wurden kostengünstigere Generika eingeführt.

  • P. Reimer, R. Vosshenrich: Kontrastmittel in der MRT. In: Der Radiologe, 44/2004, S. 273–283.
  • J. P. Pintaske, P. Martirosian u. a.: Vergleich konzentrationsabhängiger Relaxivitäten von Gadopentetate Dimeglumine (Magnevist), Gadobutrol (Gadovist) und Gadobenate Dimeglumine (MultiHance) im Blutplasma bei 0.2T, 1.5T und 3T. In: RöFo – Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen und der bildgebenden Verfahren, 177, 2005, doi:10.1055/s-2005-867725.

Monopräparate
Gado-MRT (D), Magnevist (D, CH), Magnograf (CH), MR-Lux (D, CH), Magnegita/Gadopentetat Insight (D, A, CH)

Einzelnachweise

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  1. a b Sicherheitsdatenblatt bei Santa Cruz Biotechnology. Abgerufen am 6. Mai 2022.
  2. Eintrag zu Gadopentetate dimeglumine in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM) (Seite nicht mehr abrufbar)
  3. H. Scholz, G. Kuschinsky, R. H. Böger: Taschenbuch der Arzneibehandlung. Springer, 2005, S. 606. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  4. K. J. Murphy u. a.: Adverse reactions to gadolinium contrast media: a review of 36 cases. In: American Journal of Roentgenology, 167/1996, S. 847–849.
  5. H. S. Thomsen u. a.: Is there a causal relation between the administration of gadolinium-based contrast media and the development of nephrogenic systemic fibrosis (NSF)? In: Clinical Radiology, 61/2006, S. 905–906.
  6. Nicola Siegmund-Schulze: MRT-Untersuchung in der Schwangerschaft: Kontrastmittel kann zu jeder Zeit das Kind schädigen. In: Deutsches Ärzteblatt. Jahrgang 113, Ausgabe 44, 9. November 2016, S. 1987.
  7. FDA Drug Safety Communication: FDA evaluating the risk of brain deposits with repeated use of gadolinium-based contrast agents for magnetic resonance imaging (MRI). (Safety Announcement)
  8. EMA: Mit ihrem abschließenden negativen Gutachten bestätigt die EMA Einschränkungen hinsichtlich der Verwendung linearer gadoliniumhaltiger Kontrastmittel bei Körperscans. EMA/625317/2017. European Medicines Agency, 23. November 2017, abgerufen am 27. September 2024: „Es ist bekannt, dass nach einem Scan unter Verwendung dieser Präparate geringe Mengen von Gadolinium im Gehirn verbleiben können; allerdings gibt es gegenwärtig keine Anhaltspunkte dafür, dass diese geringen Mengen Schäden verursachen. Als Vorsichtsmaßnahme werden Ärzte bestimmte, in die Vene verabreichte Kontrastmittel nicht mehr verwenden, während bestimmte andere Kontrastmittel nur dann zum Einsatz kommen werden, wenn andere Kontrastmittel nicht geeignet sind (z. B. für Leberscans).“
  9. Gadolinium-haltige Kontrastmittel: Aktualisierte Empfehlungen nach Bewertung von Gadoliniumablagerungen im Gehirn und anderen Geweben. In: bfarm.de. 8. Januar 2018, abgerufen am 27. September 2024.
  10. Katja Schmidt, Michael Bau, Gila Merschel, Nathalie Tepe: Anthropogenic gadolinium in tap water and in tap water-based beverages from fast-food franchises in six major cities in Germany. In: Science of The Total Environment, 687, 2019, S. 1401, doi:10.1016/j.scitotenv.2019.07.075. (dt. Artikel: MRT-Kontrastmittel in Cola nachgewiesen: Studie findet Gadolinium in Fast-Food-Getränken aller untersuchten deutschen Städte )
  11. Patent DE3129906C3: Paramagnetische Komplexsalze, deren Herstellung und Mittel zur Verwendung bei der NMR-Diagnostik. Angemeldet am 24. Juli 1981, veröffentlicht am 19. Dezember 1996, Anmelder: Schering AG, Erfinder: Heinz Gries et al.
  12. Patent US5021236A: Method of enhancing NMR imaging using chelated paramagnetic ions bound to biomolecules. Angemeldet am 2. März 1987, veröffentlicht am 4. Juni 1991, Anmelder: Schering AG, Erfinder: Heinz Gries et al.