Gebäudetyp E

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Der Gebäudetyp E beruht auf Vorschlägen von Architekten, beim Neubau von Wohnhäusern auf bestimmte Baustandards zu verzichten, um schneller und kostengünstiger zu bauen. Am 8. November 2024 legte die Bundesregierung dem Bundesrat einen Gesetzentwurf hierzu vor[1].

Sanierte frühere „Mau-Mau-Siedlung“ in Berlin-Lankwitz

Entstehung und Gesetzentwurf

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Der Gebäudetyp E beruht auf einem Vorschlag der Bayerischen Architektenkammer aus dem Jahr 2022. Das „e“ steht für „einfach“ oder „experimentell“. Florian Nagler experimentierte zu diesem Zeitpunkt an drei Forschungshäusern in Bad Aibling, wie man ohne normale Planungen einfacher und kostengünstiger bauen kann. In Bayern wurden anschließend 19 Pilotprojekte verwirklicht. Am 29. Juli 2024 verschickte das Bundesjustizministerium einen Gesetzentwurf zum Gebäudetyp E an die Länder und Verbände, damit diese ihre Stellungnahmen abgeben konnten. Kern des Gesetzentwurfs sind Veränderungen im Bau- und Werkvertragsrecht.[2]

Neuerungen beim Gebäudetyp E

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  • Der baurechtliche Begriff „anerkannte Regeln der Technik“ wird dahingehend konkretisiert, dass reine Ausstattungs- und Komfortstandards keine „anerkannten Regeln der Technik“ (a. R. d. T.) sind, dies sollen in Zukunft nur sicherheitsrelevante technische Normen sein.[2]
  • Die Abweichung von den „anerkannten Regeln der Technik“ soll erleichtert werden,[2] insbesondere soll ohne ausdrückliche Vereinbarung die Einhaltung reiner Komfortstandards nicht verpflichtend sein, dasselbe gilt für Standards, die nach Bestimmung der Bundesregierung die Nutzung von innovativen, nachhaltigen oder kostengünstigen Bauweisen oder Baustoffen erheblich erschweren, Vereinbarungen über Abweichung von „anerkannten Regeln der Technik“ werden erleichtert, ein Abweichen hiervon soll auch ohne ausdrückliche Vereinbarung kein automatischer Sachmangel sein.[3]

Konkrete Beispiele sind:

Die Neuregelungen sollen auch auf Bauten im Bestand anwendbar sein, z. B. auf Aufstockungen und Bebauungen von Hinterhöfen.[4]

Als Vorteil der neuen Bauweise werden genannt:

  • beschleunigtes Planen und Bauen durch schnellere Aufstellung von Bebauungsplänen
  • schnellere Schaffung von fehlendem Wohnraum
  • leichteres experimentelles Bauen
  • günstigeres Bauen
  • individuellere Gebäudeausstattung[4]

Als Nachteile werden genannt:

  • niedrigere Wohnstandards z. B. im Schall- und Lärmschutz
  • Missachtung der Schutzziele der Bauordnung
  • rechtlich unsichere Umsetzung von Bauvorhaben
  • fachliche Kenntnisse für die Planung und den Bau von Gebäudetyp E, die private Bauherren in der Regel nicht haben, sind Voraussetzung[4]

Der Vorsitzende des Bauherrenschutzbundes, Florian Becker, sieht den Gebäudetyp E kritisch, da dieser nach seiner Ansicht „wenig geeignet für private Bauherren (ist), die Ein- oder Zweifamilienhäuser errichten“ und er eher für Großprojekte in Betracht käme. Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), hält hingegen „die erleichterten Möglichkeiten zur Aufstockung und Hinterhofbebauung (für) sinnvoll und (sie) ermöglichen gerade im angespannten innerstädtischen Bereich die Schaffung von Wohnraum, ohne dass ein bestehender Bebauungsplan geändert werden muss“.[4]

Das Bundesjustizministerium beziffert das Einsparpotential des Gebäudetyps auf bis zu 8 Milliarden Euro im Jahr.[5] Bei der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM) sieht man durchaus die Möglichkeit der Erleichterung durch den Gebäudetyp E, allerdings zunächst nur für fachkundige Unternehmer. „Für den Erfolg der Regelung wird ausschlaggebend sein, ob auch der Endverbraucher in Form von selbstnutzendem Eigentümer, privatem Kleinvermieter oder Mieter einer Wohnungsbaugesellschaft an den Gebäudetyp E gebunden werden können“, sagt DGfM-Geschäftsführer Christian Bruch.[2] Der Direktor des Verbands bayerischer Wohnungsunternehmen, Hans Maier, beziffert das Einsparpotential durch den neuen Gebäudetyp auf 10 Prozent der Baukosten. Dass sich aus dem Gebäudetyp E künftig ein „Wohnen zweiter Klasse“ wie bei den Schlichthäusern der 1950er Jahre entwickeln könnte, deren Bewohner zudem oft als „Mau-Maus“ stigmatisiert wurden,[6][7][8] glaubt er nicht.[9]

Einzelnachweise

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  1. Deutscher Bundesrat: Entwurf eines Gesetzes zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus (Gebäudetyp-E-Gesetz). (pdf) In: Drucksache 555/24. 8. November 2024, S. 1–42, abgerufen am 26. Dezember 2024.
  2. a b c d e Fabian Hesse: Übersicht Gebäudetyp E: Pro und Kontra der Einfach-Bau-Initiative. In: Bauingenieur24. Ernst & Sohn GmbH, 2. August 2024, abgerufen am 26. Dezember 2024.
  3. Bundesministerium der Justiz: Das Gebäudetyp-E-Gesetz. (pdf) In: Informationspapier. November 2024, S. 1–9, abgerufen am 26. Dezember 2024.
  4. a b c d Nathalie Pfeiffer: Beflügelt das Gebäudetyp-E-Gesetz die deutsche Bauwirtschaft? In: Architektur Bauen Handwerk. Butlerium GmbH, Daniel Teixeira, 18. November 2024, abgerufen am 26. Dezember 2024.
  5. SPIEGEL Wirtschaft: Neues Gesetz soll Bauen einfacher und günstiger machen. »Gebäudetyp E«. In: Der Spiegel (online). DER SPIEGEL, 6. November 2024, abgerufen am 26. Dezember 2024.
  6. Initiative Kiez Siemensstadt: Mau Mau Siedlung Haselhorst. In: Kiez Net(t)work. 9. Februar 2017, archiviert vom Original; abgerufen am 26. Dezember 2024. Ein Beispiel aus Berlin-Spandau
  7. Klaus Gaffron, Petra Strauch: Würdige Haltung, kühner Blick, ruhiger Charakter. In: Flanieren in Berlin. Klaus Gaffron, 17. Mai 2023, abgerufen am 26. Dezember 2024. Ein Beispiel aus Berlin-Lankwitz
  8. Berliner Zeitung: Bezirk will Konflikte abbauen: Anwohner fürchten "Mau-Mau-Gang". Berliner Zeitung, 6. März 2000, abgerufen am 26. Dezember 2024.
  9. Walter Kittel: Gebäudetyp E: Einfachere Bauweise soll Kosten senken. In: BR 24. Bayerischer Rundfunk, 20. September 2024, abgerufen am 26. Dezember 2024.