Geografische Namen im Kudrunlied

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Nachfolgend findet sich eine alphabetische Liste der geografischen Namen im Kudrunlied. Die Liste orientiert sich an den Forschungsergebnissen von W. Roesler[1] und umfasst, nach Angaben des Autors, alle geografischen Namen der Dichtung.

Das etwa um 1233 entstandene Kudrunlied enthält eine Reihe von geografischen Bezeichnungen, die seit der Wiederentdeckung der Handschrift Anfang des 19. Jahrhunderts zu zahllosen Untersuchungen und Spekulationen über die Herkunft geführt haben. W. Roesler vermutet, dass der Dichter des Kudrunlieds zwar ein stimmiges geografisches Bild für seine Dichtung entwickelt hatte, dieses jedoch eine fiktive Geografie darstellt, die lediglich bedingt mit 'realistischen' geografischen Orten in Einklang zu bringen ist.[2] Vielmehr basieren die vom (unbekannten) Dichter herangezogenen Orte auf "bekannten" Orten, die damalig in der höfischen Dichtung und mündlichen Überlieferungen kursierten. Teilweise könnten, so der Autor, geläufige Ortsnamen aus anderen zeitgenössischen Dichtungen entnommen worden sein. Roesler listet hierzu neun zeitgenössische Dichtungen auf (u. a. Parzival, Nibelungen usw.), in denen er regelmäßig gleichlautende Ortsnamen wie im Kudrun entdeckt hat. Neben einer kurzgefassten Erläuterung der fiktiven Geografie und politischen Verhältnisse innerhalb der Dichtung werden vom Autor umfangreich Erklärungsmöglichkeiten für die mögliche Herkunft bzw. die Auswahl des Kudrun-Dichters für einen bestimmten 'Kudrun'-Ort dargelegt. Diese können nachfolgend lediglich in maximal verkürzter Form aufgeführt werden (Spalte: Mögliche Herkunft). Die umfangreich in der Literatur vorgenommenen Identifizierungsversuche der realen geografischen Orte stehen demgegenüber für den Autoren nicht im Vordergrund. Hierzu wird auf die weiterführende Literatur verwiesen.

Abkürzung der zeitgenössischen lit. Quellen:

Lfd. Nr. Name[3] Innerhalb der Dichtung Mögliche Herkunft Auch in Anzahl der Nennungen im 'Kudrun'
1 Abakie, Abakine Land oder Ort in Morlant, zu Sivrit gehörig mögl. dichterische Erfindung 2
2 Abali, Abalie Warenherkunftsland mögl. Handschrift unlesbar ("verderbt"). B 4
3 Alzabe Land in Morlant, zu Sifrit gehörig mögl. dichterische Erfindung B 10
4 Amile Begriff für Hohe Sangeskunst mögl. dichterische Erfindung 1
5 Arabe, Arabi, Araben Warenherkunftsland mögl. dichterische Erfindung (exotisch klingendes Land) P,N,T,B,K,W 4
6 Baljan Hauptsitz und Hof in 'Irlant', zu Sigebant und Hagen gehörig, Handlungsschauplatz mögl. dichterische Erfindung 5
7 Dietmers Provinzland in Hetels Reich Dithmarschen, in zeitgenössischer Wahrnehmung D 1
8 Franke Inbegriff eines 'wilden' Menschen Sachsen und Franken als Inbegriff barbarischer und kriegerischer Völker T,W,B,K,D 1
9 Friedeschotten Herkunftsland von Uote mögl. nach Friedebrand von Schotten aus Parzival 3
10 Friesen, Frieslant Provinzland in Hetels Reich, im Hildeteil von Morunc und Irolt verwaltet, im Kudrunteil von Irolt Friesland in zeitgenössischer Wahrnehmung K, Ro 6
11 Galeis befreundetes Land neben Herwics Gebiets Waleis / Galeis mögl. aus der Artuslegende, Parzival T 1
12 Galitzenlant Neben 'Portigal' als Herkunftsland von Hildeburc Galicien, in zeitgenössischer Wahrnehmung P 2
13 Garade, Garadie, Garadine Land in der Nähe 'Irlants' mögl. aus der Artuslegende und Parzival P,B 10
14 Givers märchenhafte Gegend vor einem Berg, im Küstengebiet von Tenemarke mögl. aus der Artuslegende: Mons Gyber = Ätna. 5
15 Gustrate Ort eines Sonnenuntergangs 1 × genannt, mögl. Golster[4] (in alten Seekarten markierter Küstenpunkt bei Start Point (Devon), zwischen Dartmouth und Plymouth) 1
16 Hegelinge(n), Hegelingenlant Stammland Hetels, Handlungsschauplatz Vielfältige Deutungen 108
17 Holzanelant, Holzsaezen Provinzland Hetels Holstengau 3
18 Ikarja Land in 'Morlant', Sivrit befreundet 1 × genannt, mögl. Ikaria aus der Odyssee 1
19 India, Indien Heimat der ältesten der Jungfrauen auf der Insel der grifen mögl. dichterische Erfindung (möglichst fernes Land) P,N,W 4
20 Irlant, Irriche Heimat und Reich Sigebants, Hagens und Hildes, Handlungsschauplatz Irland in der Artuslegende und höfischen Sagenstoffen P,T,B,W,K,Ra,Ro 48
21 Iserlant Heimatlant der jüngsten der 3 Jungfrauen in der Gewalt der Greifen (Hagenteil) 1 × genannt, mögl. Island in der höfischen Dichtung P,N,D 2
22 Campalie Warenherkunftsort oder -land 1 × genannt, vielfältige Deutungen Ro 1
23 Campatille Sitz und Hof Hetels, Handlungsschauplatz 1 × genannt, vielfältige Deutungen 1
24 Karade, Karadie, Karadine Land in 'Morlant', zu Sivrit gehörig Vielfältige Deutungen P,B 15
25 Kassiane Burg in 'Ormanide', Sitz und Hof Ludewics bzw. Hartmuots, Handlungsschauplatz mögl. dichterische Erfindung 4
26 Matelane Burg in 'Hegelingen', Sitz und Hof Hetels, Handlungsschauplatz Vielfältige Deutungen[5] 19
27 Morlant, Morrische Gesamtname für das Herrschaftsgebie Sivrits, Bewohner von Morlant: Moere Vielfältige Deutungen P,W,Ra,Ro 34
28 Niflant Provinzland in Hetels Reich, von Morunc verwaltet mögl. Land der Nibelungen oder Livland N,W 2
29 Normandie(lant), Normandine, Normanielant, Ormanie(lant), Ormanierisch, Orman(d)in Reich Ludewics u. Hartmuots (dazu: Gerlints u. Ortuns), Handlungsschauplatz Normandie in zeitgenössischer Wahrnehmung P,T,B,K,W,Ra,Ro,D 91
30 Nortlant, Nortriche, Orlant, Hortlant u.v.m Provinzland in Hetels Reich, im Hildeteil von Irolt verwaltet, im Kudrunteil von Ortwin, Handlungsschauplatz Vielfältige Deutungen, u. a. Jütland, Norwegen 30
31 Norwaege Heimatland Uotes, der Gattin Sigebants 2 × genannt, Norwegen in zeitgenössischer Wahrnehmung, vgl. Nortlant P,N,T,W,Ra,D 2
32 Polan Landes- bzw. Ortsname (ausdrücklich kein Handlungsschauplatz) 1 × genannt, mögl. Polen N,B,K,Ra,Ro,D 1
33 Portugal, Portigal Heimat Hildeburcs (vgl. 'Galitzenland') „...Portigal, India and Iserlant are the extremes of the world to the east, west and north...“[6], Galicien bzw. Portugal in zeitgenössischer Wahrnehmung W,K 4
34 Sahse Inbegriff eines 'wilden' Menschen Sachsen und Franken als Inbegriff barbarischer und kriegerischer Völker N,T,B,K,W,Ra,Ro 2
35 Salme wie 'Garade' Land oder Sitz eines Königs in der Nachbarschaft 'Irlants' 1 × genannt, mögl. dichterische Erfindung 1
36 Selant, Sewen Herrschaftsgebiet Herwics Provinz Zeeland, Sjaelland oder Sieben Friesische Seelande Ra 16
37 spanisch (Adj.) Adjektiv zu einem Warenherkunftsland z. B. ""spanisches Messing"" N,T 1
38 Stürmen, Sturmlant Provinzland von Hetels Reich, von Wate verwaltet Gau Sturmi (Verden) oder Gau Stormarn (Nordelbien) 35
39 Swaben Inbegriff reicher Ausrüstung der Ritter Schwaben, im Vergleich zu Sahse u. Franke positiv/wohlwollend besetzt N,B,K,W,Ro,D 1
40 Tenelant Bezeichnung für das Herrschaftsgebiet Hetels, Tene: Bewohner von Tenelant Dänemark, in zeitgenössischer Wahrnehmung 52
41 Tenemarke, Teneriche Provinzland in Hetels Reich, von Horant verwaltet vgl. Tenelant N,T,B,K,W,Ra,Ro,D 43
42 Waleis Provinzland in Hetels Reich, Handlungsschauplatz, im Kudrunteil von Morunc verwaltet Waleis / Galeis mögl. aus der Artuslegende, Parzival P 15
43 (Westerwald) (Warenherkunftsland) Westerwald 1
44 Wülpensant, Wülpenwert Ort im Meer, Kampfplatz zwischen 'Hegelingen' und Ormanie vgl. Wülpensand 13
  • Werner Roesler, Handlungslokalisierung im Kudrunlied. Historische Genealogie oder literarische Typologie?, Veröffentlichungen des Instituts für Philologie I der Universität Tampere, Serie B. Nr. 4, Tampere 1978.
  • D. Blamires The Geography of "Kudrun", The Modern Language Review, Vol. 61, No. 3 (Jul., 1966), pp. 436–445.
  • Th. FringsZur Geographie der Kudrun (1924), Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 61. Bd., 4. H. (1924), pp. 192–196.
  • R. Wisniewski Kudrun, Metzler; 2., überarb. u. erw. Aufl. Edition (1. Januar 1969).
  • L. Peeters Historische und literarische Studien zum dritten Teil des Kudrunepos.(1968):
  • E. Martin Kudrun (1883).
  • W. v. PloenniesKudrun Übersetzung und Urtext (Leipzig 1853), insb. Kapitel V Nr. 1.

Einzelnachweise

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  1. Vgl. L. Seppänen Reviewed Work: Handlungslokalisierung im Kudrunlied. Historische Genealogie oder literarische Typologie? Neuphilologische Mitteilungen Vol. 80, No. 1 (1979), pp. 88–90
  2. Vgl. den Nachdruck der von W. Roesler erstellten fiktiven Karte bei Menke in Niederdeutsches Wort - Beiträge zur Niederdeutschen Philologie, Band 26, 1986, Seite 15, Abbildung 1
  3. Es sei darauf hingewiesen, dass die Schreibweisen der Ortsnamen in der Dichtung stark variieren können. Beispielsweise finden sich für Wülpensand die Schreibweisen Wulpensannde, Volpensannt, volpensant, Vlpensande, Vlpenwerde, Wlpen werde, Fulpen sant, Wlpensannde, Wlpensant, Wlpensande und Wülpensant.
  4. Vgl. R. Meissner Gustrate, Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, 60. Bd., 1./2. H. (1923), pp. 129–147.
  5. Wurde u. a. als Metelen gedeutet, vgl. J. Grimm Allerhand zu Gudrun (1842), Zeitschrift für deutsches Alterthum, 2. Bd. (1842), pp. 1–5.
  6. Vgl. D. Blamires The Geography of "Kudrun, The Modern Language Review, Vol. 61, No. 3 (Jul., 1966), pp. 436–445.