Georg Julius von Schultz
Georg Julius von Schultz (* 22. Septemberjul. / 4. Oktober 1808greg. in Reval; † 16. Mai 1875 in Wien), auch unter seinem Pseudonym Dr. Bertram bekannt, war ein deutschbaltischer Arzt, Dichter, Publizist und Folklorist.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Schultz stammt aus einer Predigerfamilie, deren Vorfahren aus Mecklenburg eingewandert waren. Er wurde nach dem frühen Tod seines Vaters bei seinem Großvater in Torma erzogen (daher auch gelegentlich Schoultz de Torma). 1826–1833 studierte er an der Kaiserlichen Universität Dorpat Medizin (Augenheilkunde und Chirurgie) und praktizierte später in Russland. 1845 heiratete er Theodora Unzer (1820–1899)[1]. Das Ehepaar zog nach Sankt Petersburg. Die Komponistin und Musiktheoretikerin Ella Adaïewsky (1846–1926) und die Malerin Pauline Geiger (1851–1934) sind Töchter des Ehepaares. Pauline Geigers Sohn ist der österreichische Dichter, Kunsthistoriker und Übersetzer Benno Geiger (1882–1965)[2]. Schultz war 1853 Prosector[3] an der Petersburger Akademie und wurde russischer Staatsrat. Dann privatisierte er, reiste durch Europa und begann unter dem Pseudonym Dr. Bertram eine schriftstellerische Laufbahn. Er traf sich mit Alexander von Humboldt in Berlin, mit Justinus Kerner und Ludwig Uhland in Württemberg, mit Heinrich Heine in Paris und Friedrich Hebbel in Wien. Er starb auf einer Reise in Wien und erhielt ein Ehrengrab auf dem Friedhof Matzleinsdorf. Schultz, ein Bewunderer der estnischen Kultur, war ein Freund Friedrich Reinhold Kreutzwalds und trug maßgeblich zu dessen Entschluss bei, das Kalevipoeg zu verfassen.
Werke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Quaedam ad Rhinoplasticen[4], Dissertation, Dorpat 1836
- Baltische Skizzen oder fünfzig Jahre zurück, Verlag von Alexander Duncker, Berlin 1853
- Jenseits der Scheeren oder der Geist Finnlands (eine Sammlung finnischer Volksmärchen und Sprichwörter), Breitkopf und Härtel, Leipzig 1854
- Medizinische Dorfgeschichten aus dem Innern Rußlands und Episoden aus dem Leben Trischkas (des Rasboiniks)[5], H. Laakmann, Dorpat 1860
- Wagien[6], baltische Studien und Erinnerungen, W. Gläsers Verlag, Dorpat 1868
- Dorpats Größen und Typen vor vierzig Jahren[7], W. Gläsers Verlag, Dorpat 1868
- Bilder aus dem Süden, W. Gläsers Verlag, Dorpat 1869 (Reprint durch Adamant Media Corporation 2001)
- Ilmatar[8], eine Commedia turanica[9], W. Gläsers Verlag, Dorpat 1870
- Peiwash Parnéh, die Sonnensöhne, nach Bruchstücken einer epischen Volkssage aus Lappland, Verlag der Wasenius'schen Buchhandlung, Helsingfors 1872[10]
- Sagen vom Ladogasee oder Erzählungen meiner Ssudomoika[11], Verlag der Wasenius'schen Buchhandlung, Helsingfors 1872
- Martha Marzibill oder der Traum im Ulmenbaum, eine livländische Geschichte für artige Kinder, Schnakenburgs Verlag, Riga und Jurjew[12]
- Briefe eines baltischen Idealisten an seine Mutter 1833 – 1875, Koehler & Amelang, Leipzig 1934
Zitate
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Auch den König Friedrich Wilhelm III. sahen wir aufs bequemste, denn er ruhte einen ganzen Tag lang in Torma und schob mich sehr liebreich zur Seite, als ich, ein Knabe von 10 Jahren, so vertieft war in der Bemühung, dem Könige zu Ehren ein paar lederne Handschuhe anzuziehen, daß ich den Weg zum Garten Sr. Majestät hartnäckig versperrte. (Wagien)
- In russischen Annalen erscheint Torma sehr früh 1030, 1130 und 1212 als Gegend nördlich von Jurjew (Dorpat). Die Fürsten von Nowgorod und Pleskau fielen hier ein, um die in früheren Zeiten tributär gewordenen, aber wieder abgefallenen Esten zu züchtigen. (Wagien)
- Denn während der Dniepr dem warmen Süden zueilt, die goldenen Kreuze der alten Wiege Rußlands wiederspiegelt und auf die Straße nach Byzanz hinweist, wälzt die Wolga mit ihren riesenhaften Nebenflüssen sich breit durch das Herz von Rußland und strömt durch einen Druckfehler der Schöpfung in den traurigen Kaspischen Binnensee, während dicht nebenbei der viel unbedeutendere Don sich eines Europäischen Ausflusses bei Asow bemächtigt hat. (Episoden aus dem Leben Trischka’s (des Rasboiniks))
- Geben wir dem Volke ein Epos und eine Geschichte und alles ist gewonnen. (1839 in einer Rede vor der Gelehrten Estnischen Gesellschaft)[13]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Franz Brümmer: Schultz, Georg Julius. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 32, Duncker & Humblot, Leipzig 1891, S. 715 f.
- Benno Geiger: Memorie di un Veneziano, Vallecchi, Florenz 1958
- Ylo M. Pärnik: Dr. Georg Julius von Schultz (Dr. Bertram). 2006, ISBN 9985-77-200-8
- Georg Julius von Schultz-Bertram: Balti idealisti kirjad emale, Eesti mõttelugu nr. 53, 2004, ISBN 9985-77-111-7
- Cornelius Hasselblatt: Geschichte der estnischen Literatur. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 2006
- Carola L. Gottzmann / Petra Hörner: Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St. Petersburgs. 3 Bände; Verlag Walter de Gruyter, Berlin 2007. S. 1168–1170
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Georg Julius von Schultz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Universität Tartu
- Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Schultz, Georg* Julius (v.). In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
Fußnoten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Enkelin des Arztes und Schriftstellers Johann Christoph Unzer (1747–1809), dessen Bruder ist der Schriftsteller Ludwig August Unzer (1748 – 1774), beider Vater: Johann Christoph Unzer (1714–1773), Leibarzt des Grafen von Stolberg-Wernigerode, und beider Tante: die Dichterin Johanne Charlotte Unzer, geb. Ziegler
- ↑ Er lebte 1884 bis 1889 sowie 1892 und 1897 in Dorpat und auf dem Anwesen seines Großvaters („Friedenthal“ bei Torma)
- ↑ für Sektionen verantwortlicher Anatom
- ↑ Beitrag zur operativen Korrektur der Nase (Rhinoplastik)
- ↑ russisch: Räuber
- ↑ Landschaft in Estland, westlich Peipussee, nördlich Tartu (Dorpat)
- ↑ Anekdotisches über Dorpater Persönlichkeiten, z. B. Friedrich Georg Wilhelm Struve und Carl Friedrich von Ledebour, mit einem humoristisch-satirischen Anhang, in dem sich Dr. Bertram (rückwärts gelesen) als Dr. Martreb selbst zu kritisieren scheint
- ↑ Welttochter, Weltgenius
- ↑ turanica ist die latinisierte Form von turanisch, einer alten Bezeichnung für finno-ugrisch
- ↑ Das epische Gedicht wurde 1850 in Lappmarken aufgezeichnet und erschien zuerst in Stockholm
- ↑ Abwäscherin
- ↑ russische Bezeichnung für [deutsch] Dorpat bzw. [Estnisch] Tartu
- ↑ Zitiert nach: Laugaste, Eduard & Normann, Erna: Muistendid Kalevipojast. Tallinn: Eesti Riiklik Kirjastus 1959, S. 97, siehe auch: Cornelius Hasselblatt: Kalevipoeg Studies. Helsinki: Finnish Literature Society – SKS 2016 (Studia Fennica Folkloristica 21), S. 26, doi:10.21435/sff.21.
Personendaten | |
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NAME | Schultz, Georg Julius von |
ALTERNATIVNAMEN | Dr. Bertram (Pseudonym) |
KURZBESCHREIBUNG | baltendeutscher Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 4. Oktober 1808 |
GEBURTSORT | Reval |
STERBEDATUM | 16. Mai 1875 |
STERBEORT | Wien |