Georg Muffat

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Georg Muffat (* 1. Juni 1653 in Megève (Savoyen); † 23. Februar 1704 in Passau) war ein deutsch-französischer Komponist und Organist des Barocks.[1]

Gedenktafel für Georgius Muffat am Residenzgebäude in Salzburg

Georg Muffat wurde als Sohn von André Muffat und Marguerite Orsy geboren. Die Vorfahren väterlicherseits kamen aus dem schottischen Ort Moffat, mütterlicherseits wahrscheinlich aus Frankreich. Muffat bezeichnete sich selber als Deutschen.[2]

Als Knabe ging Muffat in den Elsass, dann nach Paris, um mit Lully und anderen von 1663 bis 1669 zu studieren.[3] Er vervollständigte seine Ausbildung an den Jesuitenkollegien in Schlettstadt (heute Sélestat) und ab 1671 in Molsheim, wo er zum Organisten des hier im Exil wirkenden Straßburger Domkapitels ernannt wurde. Ab 1674 studierte er Rechtswissenschaften in Ingolstadt. Von dort floh er nach Wien.[4] Eine Sonate von ihm, die 1677 in Prag kopiert wurde, legt Studien in Wien bei Antonio Bertali und Johann Heinrich Schmelzer nahe.[5] Da er keine feste Anstellung finden konnte, ging er 1677 nach Prag und von dort aus 1678 nach Salzburg, wo er neben Heinrich Ignaz Franz Biber eine Anstellung als Domorganist und Kammermusiker bei Erzbischof Max Gandolph Graf von Kuenburg erhielt. Letzterer ermöglichte ihm in den 1680er Jahren einen Aufenthalt in Italien für ein Studium bei Bernardo Pasquini. Muffat hörte Concerti grossi von Arcangelo Corelli und komponierte Werke, die in Corellis Haus aufgeführt wurden. Die Reise endete 1682.[3]

1682 feierte das Erzbistum Salzburg den 1100. Jahrestag der Gründung durch Rupert von Salzburg. Zusätzlich zu musikalischen Festlichkeiten entstanden Drucke der Hofkomponisten wie Muffats Armonico Tributo.[6] Als Biber 1684 Kapellmeister wurde, dürften seine früheren Verpflichtungen zur Bereitstellung von Instrumentalmusik auf Muffat übergegangen sein.[7]

Nach dem Tod des Erzbischofs 1687 setzte er seine Arbeit unter dessen Nachfolger J.E. von Thun fort, verließ aber enttäuscht von der verschlechterten Atmosphäre Salzburg. Anfang 1690 war er in Augsburg bei der Krönung von Kaiser Leopolds ältestem Sohn Joseph zum römischen König und überreichte dem Widmungsträger Leopold seinen Apparatus musico-organisticus. Von diesem Jahr an bis zu seinem Tod war er Kapellmeister am Hof des Bischofs Johann Philipp von Lamberg in Passau und Hauslehrer der dortigen Pagen.[3]

Drei von Muffats Söhnen arbeiteten an der Hofkapelle in Wien: Franz Georg Gottfried (1681–1710), Johann Ernst (1686–1746) und Gottlieb Muffat.[3]

In den Concerti grossi der Auserlesenen Instrumentalmusik zeigt sich Muffat als „Individualist“, der weder in die Reihe der Italiener noch der deutschen „Lullisten“ wie Johann Sigismund Kusser oder Philipp Heinrich Erlebach gestellt werden kann. Bemerkenswert sind zudem frühe Ansätze einer „Durchführungstechnik“.[8]

Das einzige handschriftlich überlieferte Werk ist eine Violinsonate, die in Prag entstand.[9] Auffällig ist eine modifizierte Wiederholung des eröffnenden thematischen Materials am Ende der Sonate, wie es etwa auch in Sonaten Bertalis und Schmelzers zu finden ist, vor allem jedoch, dass das Metrum nie auf einen Dreier-Takt wechselt und dass ein Motiv über fast alle Abschnitte hinweg prägend bleibt.[10] Auch der Chromatizismus weist auf Wiener Einflüsse.[11]

Zu den frühesten dokumentierten Werken aus der Salzburger Zeit gehören die heute verlorenen Opern Marina Armena (1679) und Königin Mariamne (1680).[12]

Muffat, der in Frankreich und Italien genaue Kenntnisse der Stile von Lully und Corelli gewonnen hatte, veröffentlichte 1682 die Konzertsammlung Armonico tributo mit französischen und italienischen Stilelementen.[13] Muffat bezeichnete die Stücke explizit als Sonate di Camera, da er auf Grund der Tanzsätze eine Darbietung in der Kirche nicht für angemessen hielt.[14] Bereits auf dem Titelblatt findet sich der Hinweis, dass die „Sonaten“ der Sammlung sowohl in kleiner als in großer Besetzung realisierbar sind. Solo- und Tutti-Passagen sind durch die Buchstaben „S“ und „T“ markiert.[15] Da die italienische Manier, verschiedene Ensemble-Größen zu mischen, in Salzburg relativ unbekannt war, fügte Muffat detaillierte Erklärungen im Vorwort bei.[16] Italienisch sind zudem die Vorhaltsketten am Beginn von Sonata II, die stark an Corelli erinnern. Der französische Stil ist besonders an einfachen zweiteiligen Tänzen erkennbar.[17] Die französischen und italienischen Elemente verbinden sich in der großen abschließenden Passacaglia durch Überlagerung verschiedener Rhythmen, ein vor dem 20. Jahrhundert höchst selten anzutreffender Effekt.[13]

Die 1701 veröffentlichten Werke Auserlesener mit Ernst- und Lust-gemengter Instrumental-Music sind als „Concerti“ bezeichnet, einige davon sind jedoch Überarbeitungen der „Sonaten“ der Sammlung von 1682,[18] die vielleicht in größerer Eile vorbereitet wurde und daher von Muffat in späteren Listen seiner Werke übergangen wurde.[19]

Die zwölf umfangreichen Toccaten des Apparatus musico-organisticus erinnern in ihrer Abfolge zahlreicher Abschnitte, ihren extremen Kontrasten und der vielgestaltigen Verzierungstechnik an die Toccaten von Girolamo Frescobaldi, den Muffat auch im Vorwort als Vorbild nennt. Die für das spätere Barock wichtige Übernahme des italienischen Kammer- und Continuo-Idioms in Musik für Solo-Tasteninstrumente könnte auf Pasquini zurückgehen.[3]

Lange Zeit war Muffats Orgelwerk am bekanntesten, da der Apparatus musico-organisticus seit 1690 immer wieder veröffentlicht wurde. Die Ensemblemusik wurde zwar in Johann Gottfried Walthers Musicalischem Lexikon 1732 und in der Biographie universelle des musiciens et bibliographie Générale de la musique (1835–1844) von François-Joseph Fétis genannt, jedoch erst Ende des 19. Jahrhunderts in den „Denkmälern der Tonkunst in Österreich“ zugänglich. 1888 dissertierte Ludwig Stollbrock über Georg und Gottlieb Muffat, die Sonaten und Concerti grossi wurden erstmals eingehend 1953 von Erich Schenk analysiert.[20]

Instrumentalmusik

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  • Sonata Violino Solo für Violine und Basso continuo. Prag 1677.
  • Armonico Tributo, cioé Sonate di Camera comodissime a pocchi, ò a molti Stromenti für Streicher und Basso continuo. Salzburg 1682.
  • Florilegium Primum. 7 Suiten für mehrere Instrumente. Augsburg 1695.
  • Florilegium Secundum. 8 Suiten für mehrere Instrumente. Passau 1698.
    • Fasciculus I: Nobilis juventus: I Ouverture, II Entrée d’Espagnols, III Air pour des Hollandois, IV Gigue pour des Anglois, V Gavotte pour des Italiens, VI Menuet I pour des Francois, VII Menuet II
    • Fasciculus II: Laeta poesis: I Ouverture, II Les Poëtes, III Jeunes Espagnols, IV Autre pour les mêmes, V Les Cuisiniers, VI Les Hachis, VII Les Marmitons
    • Fasciculus III: Illustres primitiae: I Ouverture, II Gaillarde, III Courante, IV Sarabande, V Gavotte, VI Passacaille, VII Bourée, VIII Menuet, IX Gigue
    • Fasciculus IV: Splendidae nuptiae: I Ouverture, II Les Païsans, III Canaries, IV Les Cavalliers, V Menuet I, VI Rigodon pour de Jeunes Païsannes Poitevines, VII Menuet II
    • Fasciculus V: Colligati montes: I Ouverture, II Entrée de Maitres d'armes, III Autre Air pour les mêmes, IV Un Fantôme, V Les Ramonneurs, VI Gavotte pour les Amours, VII Menuet I pour l'Hymen, VIII Menuet II
    • Fasciculus VI: Grati hospites: I Caprice, II Gigue, III Gavotte, IV Rigodon dit le solitaire, V Contredanse, VI Bourée de Marly imitée (& Menuet), VII Petite Gigue
    • Fasciculus VII: Numae ancile: I Ouverture, II Entrée de Numa, III Autre Air pour le même, IV Traquenard pour de Jeunes Romains, V Air II pour les mêmes, VI Ballet pour les Amazones, VII Menuet I des Susdittes, VIII Menuet II
    • Fasciculus VIII: Indissolubilis amicitia: I Ouverture, II Les Courtisans, III Rondeau, IV Les Gendarmes, V Les Bossus, VI Gavotte, VII Sarabande pour le Genie de l'Amitié, VIII Gigue, IX Menuet
  • Auserlesener mit Ernst und Lust gemengter Instrumental-Musik Erste Versamblung. 12 Concerti grossi mit thematischem Material aus Armonico Tributo. Passau 1701.
  • Apparatus Musico Organisticus: 12 Toccaten und drei Variationswerke für Orgel. 1690. (Toccata undecima/?)
  • Partiten für Cembalo, als Manuskripte erhalten.

Kirchliche Werke

Opern

  • Marina Armena. Akademie-Theater, Salzburg 1679.
  • Königin Marianne oder die verleumdete Unschuld. September 1680 ebenda.
  • Le fatali felicità di Plutone. Salzburg 1687. Zur Amtseinführung von J. E. Graf von Thun als Fürsterzbischof.
  • Regulae Concentuum Partiturae. Generalbass-Traktat. 1699.
  • Nothwendige Anmerkungen bey der Musik. Leipzig 1763, verschollen.
Commons: Georg Muffat – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen und Einzelnachweise

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  1. Muffat (George). In: Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste. Band 22, Leipzig 1739, Sp. 17 f.
  2. Helmut Federhofer: Muffat, Georg. In: Friedrich Blume (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG). Erste Ausgabe, Band 9 (Mel – Onslow). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 1961, DNB 550439609, Sp. 915–919 (= Digitale Bibliothek Band 60, S. 52885–52895)
  3. a b c d e Susan Wollenberg: Muffat, Georg. In: Grove Music Online. Oxford Music Online. Oxford University Press, Version: 20. Januar 2001. http://www.oxfordmusiconline.com.
  4. Charles E. Brewer: The Instrumental Music of Schmelzer, Biber, Muffat and their Contemporaries. Ashgate, Farnham/Burlington 2011, ISBN 978-1-85928-396-7, S. 203.
  5. Charles E. Brewer: The Instrumental Music of Schmelzer, Biber, Muffat and their Contemporaries. Ashgate, Farnham/Burlington 2011, ISBN 978-1-85928-396-7, S. 206.
  6. Charles E. Brewer: The Instrumental Music of Schmelzer, Biber, Muffat and their Contemporaries. Ashgate, Farnham/Burlington 2011, ISBN 978-1-85928-396-7, S. 275ff.
  7. Charles E. Brewer: The Instrumental Music of Schmelzer, Biber, Muffat and their Contemporaries. Ashgate, Farnham/Burlington 2011, ISBN 978-1-85928-396-7, S. 317.
  8. Inka Stampfl: Georg Muffat. Orchesterkompositionen. Ein musikhistorischer Vergleich der Orchestermusik 1670–1710. Verlag Passavia, Passau 1984, ISBN 3-87616-112-6, S. 257.
  9. Inka Stampfl: Georg Muffat. Orchesterkompositionen. Ein musikhistorischer Vergleich der Orchestermusik 1670–1710. Verlag Passavia, Passau 1984, ISBN 3-87616-112-6, S. 18.
  10. Charles E. Brewer: The Instrumental Music of Schmelzer, Biber, Muffat and their Contemporaries. Ashgate, Farnham/Burlington 2011, ISBN 978-1-85928-396-7, S. 203ff.
  11. Charles E. Brewer: The Instrumental Music of Schmelzer, Biber, Muffat and their Contemporaries. Ashgate, Farnham/Burlington 2011, ISBN 978-1-85928-396-7, S. 206f.
  12. Charles E. Brewer: The Instrumental Music of Schmelzer, Biber, Muffat and their Contemporaries. Ashgate, Farnham/Burlington 2011, ISBN 978-1-85928-396-7, S. 285.
  13. a b Bernhard Moosbauer: Georg Muffat. In: Ingeborg Allihn (Hrsg.): Barockmusikführer. Instrumentalmusik 1550–1770. Metzler, Stuttgart 2001, S. 314–318, hier 318.
  14. Charles E. Brewer: The Instrumental Music of Schmelzer, Biber, Muffat and their Contemporaries. Ashgate, Farnham/Burlington 2011, ISBN 978-1-85928-396-7, S. 292.
  15. Inka Stampfl: Georg Muffat. Orchesterkompositionen. Ein musikhistorischer Vergleich der Orchestermusik 1670–1710. Verlag Passavia, Passau 1984, ISBN 3-87616-112-6, S. 21.
  16. Charles E. Brewer: The Instrumental Music of Schmelzer, Biber, Muffat and their Contemporaries. Ashgate, Farnham/Burlington 2011, ISBN 978-1-85928-396-7, S. 288.
  17. Charles E. Brewer: The Instrumental Music of Schmelzer, Biber, Muffat and their Contemporaries. Ashgate, Farnham/Burlington 2011, ISBN 978-1-85928-396-7, S. 293f.
  18. Charles E. Brewer: The Instrumental Music of Schmelzer, Biber, Muffat and their Contemporaries. Ashgate, Farnham/Burlington 2011, ISBN 978-1-85928-396-7, S. 317f.
  19. Charles E. Brewer: The Instrumental Music of Schmelzer, Biber, Muffat and their Contemporaries. Ashgate, Farnham/Burlington 2011, ISBN 978-1-85928-396-7, S. 295f.
  20. Inka Stampfl: Georg Muffat. Orchesterkompositionen. Ein musikhistorischer Vergleich der Orchestermusik 1670–1710. Verlag Passavia, Passau 1984, ISBN 3-87616-112-6, S. 10f.
  21. Einspielung: Georg Muffat: Missa in labore requies. Antonio Bertali, Johann Heinrich Schmelzer, Heinrich Ignaz Franz Biber: Kirchensonaten. Miriam Feuersinger, Stephanie Petitlaurent (Sopran), Alex Potter, William Purefoy (Altus), Hans Jörg Mammel, Manuel Warwitz (Tenor), Markus Flaig, Lisandro Abadie (Bass), Cappella Murensis, Trompetenconsort Innsbruck, Les Cornets Noirs, Johannes Strobl (Leitung). Aufgenommen in der Klosterkirche Muri. Audite, 2016.
  22. Informationen auf der Website von Audite Musikproduktion, abgerufen am 13. Juli 2016.