George Pierce Baker (Theaterwissenschaftler)

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Baker, 1886

George Pierce Baker (* 4. April 1866 in Providence, Rhode Island; † 6. Januar 1935) war ein englischer Theaterwissenschaftler, Professor für Anglistik in Harvard und Yale und Autor von Dramatic Technique, einer Kodifizierung der Prinzipien des Dramas.

Baker, Sohn eines wohlhabenden Arztes, schloss sein Studium am Harvard College 1887 ab, war Chefredakteur des Harvard Monthly und unterrichtete von 1888 bis 1924 am Englischen Seminar in Harvard. Im Jahr 1905 gründete er seinen „47 Workshop“ für das Schreiben von Theaterstücken. Es war zugleich ein Forum für die Aufführung von Stücken, die in seinem Seminar entstanden.

Er war maßgeblich am Aufbau der Harvard Theatre Collection in der Harvard University Library beteiligt. 1908 rief er den Harvard Dramatic Club ins Leben. In dem Jahr hielt Baker ein Seminar über Shakespeare und das englische Drama an der Sorbonne (Paris). In der Folge dieses internationalen Erfolgs lancierte er auch in den USA regelmäßige Vortragsreisen, etwa zum Thema „The Drama as a Social Force“.[1]

1914 wurde er zum Fellow der American Academy of Arts and Sciences gewählt.[2] Da es ihm nicht gelang, Harvards Dekan davon zu überzeugen, einen Abschluss in Dramaturgie anzubieten, wechselte er 1925 an die Yale University, wo er an der Gründung der Yale School of Drama beteiligt war. Er blieb dort bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1933.[3]

Er war mit Christina Hopkinson, der Nichte des Harvard Universitäts-Präsidenten Charles William Eliot, verheiratet. Bakers Sohn, George P. Baker, wurde Dekan der Harvard Business School.[4]

Bakers Zugang zur Theaterwissenschaft

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Sein Handbuch, Dramatic Technique (1919), galt als Kodifikation des klassisch-strukturierten Dramas seiner Zeit. Der Professor galt als besonders modern, weil er sich in Vorlesungen auch mit lebenden Schriftstellern befasste. Baker war vor allem vom Wert des Realismus überzeugt. Er beschäftigte sich in Lehre und Forschung mit Dimensionen des Theaters, die über den Text hinausgingen, etwa Bühnenbild, Beleuchtung, Kostümierung und der Geschichte der Theaterkritik. Amerikanisches Gegenwarts- und englisches Renaissance-Theater waren seine Hauptforschungsfelder. Bakers Professur umfasste auch die Rhetorik;[5] er entwickelte sich zum Fachmann für Debatte und veröffentlichte darüber.[6]

Unter Bakers Schüler waren George Abbott, Philip Barry, S.N. Behrman, Hallie Flanagan, John Dos Passos, Sidney Howard, Samuel Hume, Stanley McCandless, Eugene O’Neill, Florence Ryerson, Edward Sheldon, Josephine Van de Grift, Maurine Dallas Watkins und Thomas Wolfe.[3]

Edward Sheldons früher Broadway Erfolg Salvation Nell (1908 auf Broadway; 1921 und 1931 verfilmt), entstand aus Bakers Seminar, und war ein Vorzeigestück von Bakers dramaturgischer Methode. Der Student Sheldon hatte am North End von Boston beobachtet, wie die Mitglieder der Heilsarmee sich um Bedürftige bemühten. Aus den Eindrücken entstand ein bedeutendes Werk des amerikanischen Realismus.[7]

Eugene O’Neill, der zu den berühmtesten amerikanischen Theaterautoren seines Jahrhunderts gehört, war wohl Bakers bekanntester Schüler. Die Direktorin des sozialkritischen Federal Theater Project, Hallie Flanagan, war ebenso von Bakers Idealen geprägt. Der spätere Zeichner des Wochenmagazins The New Yorker, Gluyas Williams, entwarf als Student das Logo des 47 Workshop. Darauf waren vier Pierrots.[8]

Publikationen (in Auswahl)

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  • The Principles of Argumentation (1895).
  • The Development of Shakespeare as a Dramatist (1907).
  • Herausgeber, Plays of the 47 Workshop (1918–1925).
  • Dramatic Technique (1919).
  • Bordelon, Suzanne. "A Reassessment of George Pierce Baker's The Principles of Argumentation: Minimizing the Use of Formal Logic in Favor of Practical Approaches." College Composition and Communication 57.4 (2006): 763–788 online.
  • Hinkel, Cecil Ellsworth. "An Analysis and evaluation of the 47 workshop of George Pierce Baker" (Diss. Ohio State University, 1959) online.
  • Kempf, Christopher. "The Play’sa Thing: The 47 Workshop and the “Crafting” of Creative Writing." American Literary History 32.2 (2020): 243–272.
  • Kinne, Wisner Payne. George Pierce Baker and the American Theatre (Harvard University Press, 1954).
  • Reilly, Kara. "George Pierce Baker: A century of dramaturgs teaching playwriting." Contemporary Theatre Review 23.2 (2013): 107–113.

Einzelnachweise

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  1. Rollo Walter Brown: George Pierce Baker. In: The Atlantic. 1. Februar 1948, abgerufen am 20. August 2022 (englisch).
  2. Book of Members, 1780–2010: Chapter B. American Academy of Arts and Sciences, abgerufen am 5. Mai 2011.
  3. a b Martin Banham: The Cambridge guide to theatre. New ed Auflage. Cambridge University Press, Cambridge 1995, ISBN 0-521-43437-8.
  4. Harvard Business School bio of George P. Baker. Archiviert vom Original am 3. Juli 2018; abgerufen am 25. September 2012.
  5. Mark Hodin: “It Did Not Sound Like a Professor's Speech”: George Pierce Baker and the Market for Academic Rhetoric. In: Theatre Survey. Band 46, Nr. 2, November 2005, ISSN 0040-5574, S. 225–246, doi:10.1017/S0040557405000141 (cambridge.org [abgerufen am 21. August 2022]).
  6. A. M. Tibbetts: "Argument" in Nineteenth Century American Rhetoric Textbooks. In: College Composition and Communication. Band 18, Nr. 5, Dezember 1967, S. 236–241.
  7. Gerald Martin Bordman: The Oxford companion to American theatre. Oxford University Press, New York 1984, ISBN 0-19-503443-0, 595.
  8. Cecil Ellsworth Hinkel: An Analysis and Evaluation of the 47 Workshop of George Pierce Baker. Dissertation. In: Ohio State University. 1959, S. 229, abgerufen am 20. August 2022 (englisch).