Geschminkte Jugend (1929)

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Film
Titel Geschminkte Jugend
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 1929
Länge 7 Akte, 2442 m, 88 Minuten
Stab
Regie Carl Boese
Drehbuch Martin Land
Produktion Carl Boese
Musik Hansheinrich Dransmann
Kamera Karl Hasselmann
Besetzung

Geschminkte Jugend ist ein deutsches Stummfilmdrama, das Carl Boese 1929 in eigener Produktion nach einem Drehbuch von Martin Land inszenierte.

Es beruhte auf wahren Begebenheiten und setzte sich mit der „Steglitzer Schülertragödie“ auseinander, bei der 1927 mehrere Jugendliche Suizid begingen.[1] Geschminkte Jugend gehört zu einer Reihe von stummen Filmen am Ende der Weimarer Republik, die sich verstärkt der Themen Adoleszenz und Jugend in der Großstadt annahmen.[2]

Margot ist die siebzehnjährige Tochter der geschiedenen lebenslustigen Frau Hiller. Diese kümmert sich wenig um die Erziehung ihres Kindes. Margot kann tun und lassen, was sie will. Von ihrer Freiheit macht sie gründlich Gebrauch. Sie nutzt eine Abwesenheit der Mutter, lädt ihre Freundinnen und Freunde ein und veranstaltet in der Wohnung eine vergnügte Kneiperei. Am nächsten Tag unternehmen die jungen Leute eine Autofahrt und übernachten in einem Hotel in Rheinsberg. Nachts wird Margot von einem ihrer Freunde auf ihrem Zimmer belästigt. Sie weist ihn empört hinaus. Diese Geschichte aber hat üble Folgen und endet schließlich mit einem Schülermord. Bei der Gerichtsverhandlung erkennen die erschütterten Eltern die Tragödie einer auf sich selbst angewiesenen Jugend.[3]

Der Film, der in Österreich auch unter dem Alternativtitel Nackte Tatsachen und in Frankreich als Jeunesse fardée gezeigt wurde, war eine Produktion der Carl Boese Film GmbH Berlin. Er entstand im Februar 1929 in den „National“-Ateliers in Berlin-Tempelhof[4] und wurde von Karl Hasselmann fotografiert. Aufnahmeleiter war Karl Sander. Die Bauten errichtete Karl Machus. Den Verleih für Deutschland übernahm die „National“-Film Verleih- und Vertriebs-AG (Berlin).

Der Film lag der Zensurbehörde am 20. März 1929 vor und wurde unter der Nr. B 21 995 für Jugendliche verboten.[5] Die Uraufführung fand am 17. April 1929 in Berlin-Steglitz im Titania Palast statt, die Kinomusik dirigierte Kapellmeister Hansheinrich Dransmann, der auch die Zusammenstellung besorgte.[6]

Geschminkte Jugend wurde besprochen

Blaß hob besonders die darstellerische Leistung der noch jungen Toni van Eyck hervor: „So etwas Ernstliches, Menschenhaftes, Durchdringend Echtes, das ist eine Seltenheit, ein Sonderfall, ein Ernstfall“.

  • von HaWa [d. i. Hans Wallenberg] in der BZ am Mittag Nr. 106 vom 19. April 1929
  • von h.f. [d. i. Hans Feld] in Film-Kurier Nr. 93 vom 19. April 1929

Feld nahm sich besonders des heiklen Themas Zensur an: „sie passt auf, daß kein Film erscheint, der zur Gegenwart, zum Leben, Stellung nimmt“, warf er ihr vor und machte die Einstellung der Prüfer an dem nicht zugelassenen Zwischentitel „So liegt die Hauptschuld an denen, die die jungen Leute im Stich gelassen haben, an den Erziehern“[7] deutlich; am Schluss seiner Kritik warf er die Frage auf: „Wie lange noch Filmzensur?“.

  • von Frank Maraun [d. i. Erwin Goelz] in der Deutschen Allgemeinen Zeitung Nr. 183 vom 20. April 1929

Maraun machte darauf aufmerksam, „daß Boese durch Apparatbewegung, Einstellung und Bildausschnitt neue Formen des filmischen Raumes erobert. Es ist ein Raum von eindringlicher Geschlossenheit, der die darstellerische Bewegung natürlich umfängt und aus dem mit zwingender Unmittelbarkeit menschlich erregendes Schicksal erwächst.“

1960 drehte Max Nosseck ein tönendes Remake von Geschminkte Jugend, das jedoch 1963 nur in einer gekürzten Fassung unter dem Titel Die Nacht am See für kurze Zeit in die Kinos kam, um danach im Archiv zu verschwinden. Die Originalfassung wurde erst 1988 öffentlich vorgeführt.[8]

Auch der 2004 vollendete Spielfilm Was nützt die Liebe in Gedanken des am 13. November 1968 in München geborenen Achim von Borries griff auf Motive der „Steglitzer Schülertragödie“ von 1927 zurück.[9]

Manuela Reichard schrieb darüber im Magazin für politische Kultur »Cicero« vom 4. Juni 2010: „Es ist nicht die erste Verfilmung dieser wahren Geschichte. 1929 ging Regisseur Carl Boese mit dem realen Stoff sehr frei um. In «Geschminkte Jugend» standen die lasterhafte Atmosphäre der zwanziger Jahre, die Verantwortungslosigkeit der Erwachsenen im Mittelpunkt; dreißig Jahre später spielte Christian Doermer in einem aktualisierten Remake von Max Nosseck einen unglücklichen, grübelnden Protagonisten, der an der Oberflächlichkeit seiner Zeit verzweifelt und – unverstanden von den Twist tanzenden Freunden und den biederen Eltern – mit seiner Tat ein Zeichen setzen will. Die Freiwillige Selbstkontrolle zog den Film damals aus dem Verkehr.“[10]

  • Rolf Aurich, Wolfgang Jacobsen, Deutsche Kinemathek; Filmmuseum Berlin (Hrsg.): Erwin Goelz alias Frank Maraun. Filmkritiker. Edition Text + Kritik im Richard Boorberg Verlag, München 2006, ISBN 3-88377-823-0.
  • Herbert Birett: Stummfilmmusik. Materialsammlung. Deutsche Kinemathek, Berlin 1970.
  • Herbert Birett: Quellen zur Filmgeschichte 1920–1931. Titelliste von deutschen Stummfilmen. (kinematographie.de)
  • Gero Gandert (Hrsg.): 1929. Der Film der Weimarer Republik. Ein Handbuch der zeitgenössischen Kritik. de Gruyter-Verlag, Berlin / New York 1997, ISBN 3-11-015805-1, S. 244–248.
  • Felix Müller: Die Morde in der Albrechtstraße. In: Berliner Morgenpost. 8. Februar 2004. (morgenpost.de)
  • Täglicher Kampf. In: Der Spiegel. Nr. 46, 8. November 1971, S. 202. (spiegel.de)
  • Ernst-Erich Noth: Erinnerungen eines Deutschen. Erstes Buch: Die deutschen Jahre. hrsg. von Lothar Glotzbach. Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-935333-15-3.
  • Andy Räder: Kindheit, Jugend und Film in der Weimarer Republik. Magisterarbeit. Hochschule für Film- und Fernsehen „Konrad Wolf“ Potsdam-Babelsberg, Berlin 2010. (opus.kobv.de)
  • Manuela Reichard: Jugend ist Trunkenheit ohne Wein. In: Cicero. Magazin für politische Kultur. 4. Juni 2010. (cicero.de)
  • Frank-Rainer Schurich: Die Schülertragödie von Steglitz. In: Das Blättchen. 15. Jahrgang, Nummer 17, 20. August 2012. (das-blaettchen.de)
  • Friedrich von Zglinicki: Der Weg des Films. Geschichte der Kinematographie und ihrer Vorläufer. Rembrandt Verlag, Berlin 1956, DNB 455810680.

Einzelnachweise

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  1. vgl. D. Wunderlich, Buchtipps & Filmtipps[1] und Felix Müller, Berliner Morgenpost vom 8. Februar 2004: »Die Steglitzer Schülertragödie war mehr als ein Eifersuchtsdrama. Sie reichte in Tiefen, in die die Weimarer Öffentlichkeit des Jahres 1927 eigentlich nicht blicken wollte. Die Berliner Morgenpost sprach von einem „grellen Schlaglicht“, „das diese Tragödie auf die geistige und moralische Verfassung eines Teils der heranwachsenden Jugend wirft“.« 
  2. Räder (S. 74–75) nennt als weitere Beispiele die Filme Frühlings Erwachen (Deutschland 1929, Regie: Richard Oswald, Drehbuch: Friedrich Raff, Herbert Rosenfeld, Kamera: Eduard Hoesch, Produzent: Liddy Hegewald, Richard Oswald, Uraufführung: 14. November 1929), Der Geiger von Florenz (Deutschland 1925/26, Regie: Paul Czinner, Drehbuch: Paul Czinner, Kamera: Otto Kanturek, Adolf Schlasy, Arpad Viragh, Produzent: Erich Pommer, Uraufführung: 10. März 1926), Der Kampf der Tertia (Deutschland 1928, Regie: Max Mack, Drehbuch: Max Mack, Axel Eggebrecht, Kamera: Emil Schünemann, Produzent: Rudolf Strobl, Uraufführung: 18. Januar 1929), Der Kampf des Donald Westhof (Deutschland 1927, Regie: Fritz Wendhausen, Drehbuch: Fritz Wendhausen, Kamera: Curt Courant, Günther Rittau, Produzent: o. A., Uraufführung: 29. September 1927). Zu erwähnen wären auch Großstadtjugend B 19 073 und Die Halbwüchsigen B 23 197, Birett, Stummfilmmusik S. 133, Die Achtzehnjährigen B 15 393, ebenda S. 137 und Zwischen 14 und 17 B 23 135, ebenda S. 140
  3. Die Filmwoche Berlin Nr. 16 vom 17. April 1929; zit. bei Gandert, 1929, S. 244.
  4. FROELICH-ATELIER Berlin-Tempelhof, Borussiastr. 45–49. Gegründet: 1918/19 vgl. cinegraph.de[2]
  5. vgl. Birett, Quellen: B21996 Geschminkte Jugend 1929 [3]
  6. vgl. Birett, Stummfilmmusik S. 127–128
  7. vgl. Zensurentscheidung Nr. 529 der Film-Oberprüfstelle Berlin vom 1. Oktober 1929, die für den 12. Titel im VII. Akt eine Textänderung „So liegt die Schuld ebenso sehr an der Jugend wie an der Erziehung“ erzwang; sie sollte „zum Ausdruck bringen, daß die falsche Erziehung im Elternhaus, nicht aber die Erziehungsmaßnahmen der Lehrer der drei Mädchen die Ursache für die bedenklichen Handlungen in dem Film war“. Bei: filmportal.de/Materialien[4]
  8. vgl. filmportal.de[5] und Schurich 2012: „Der zweite Film von Regisseur Max Nosseck und Produzent Axel Alexander mit gleichem Titel (1960/61) floppte, weil die Sittenwächter der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft den Streifen nur für Erwachsene freigaben. Der Film ‚bietet sich geradezu als Musterbeispiel für eine Beeinträchtigung der Erziehung zur gesellschaftlichen Tüchtigkeit an‘, hieß es in der tugendhaften Begründung. ‚Es saßen wohl alte Damen in der Kommission, die sich noch an den Fall und die sexuellen Ausschweifungen der Akteure genau erinnern konnten.‘“
  9. Gedreht nach dem gleichnamigen Hörspiel von Annette Hess und Alexander Pfeuffer (DeutschlandRadio Berlin 1997), vgl. filmportal.de[6], Schurich 2012
  10. Vgl. ihren Artikel Jugend ist Trunkenheit ohne Wein, online bei cicero.de: [7]