Gewahrsam

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Der überwiegend strafrechtlich verwendete Begriff Gewahrsam (von mittelhochdeutsch gewarsame, „Sicherheit“) korrespondiert mit dem überwiegend zivilrechtlich und öffentlich-rechtlich verwendeten Begriff des Besitzes. Gewahrsam und Besitz unterscheiden sich im Wesentlichen im Bereich von mittelbarem Besitz und Besitzdienerschaft. Der mittelbare Besitzer hat zwar Besitz, nicht aber Gewahrsam an einer Sache. Der Besitzdiener hat keinen Besitz an der Sache, wohl aber Gewahrsam.

Rechtsgrundlagen

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Der Gewahrsam hat vor allem bei den Eigentumsdelikten der §§ 242 ff. StGB (Diebstahl, Raub) Bedeutung. Nach dem Wortlaut des Gesetzes liegen Diebstahl oder Raub nur dann vor, wenn der Täter dem Opfer eine Sache wegnimmt. Die Wegnahme setzt sich aus dem Bruch des Gewahrsams, welches das Opfer an der Sache hatte, und der Begründung neuen Gewahrsams zusammen. Entwendet jemand eine Sache, an welcher das Opfer keinen Gewahrsam hatte, dann liegt kein Diebstahl, sondern allenfalls Unterschlagung vor.

Wird ein Gewahrsam an einer Sache gebrochen, die sich zuvor etwa aufgrund einer Sicherstellung oder Beschlagnahme in hoheitlichem Gewahrsam befand, stellt dies tatbestandsmäßig einen Verwahrungsbruch oder Verstrickungsbruch (jeweils Vergehen) dar.

In der Rechtswissenschaft bezeichnet man mit dem Gewahrsam[1] nach herrschender Meinung die tatsächliche Sachherrschaft einer natürlichen Person über eine Sache, die von einem sog. generellen Sachherrschaftswillen (vgl. hiermit den generellen Besitzwillen im Zivilrecht), also dem Willen über eine Sache in seiner Gewahrsamssphäre zu verfügen, getragen sein muss. Dies bedeutet, dass sich der Sachherrschaftswille nicht bewusst auf jede konkrete im Herrschaftsbereich befindliche Sache beziehen muss, um einen Gewahrsam an den Sachen zu begründen. Bei Schlafenden und Bewusstlosen ist vom potentiellen Sachherrschaftswillen die Rede, sodass auch hier ein Gewahrsamsbruch möglich ist. Zur Annahme der tatsächlichen Sachherrschaft kommt es entscheidend auf die Anschauung des täglichen Lebens und die Verkehrsauffassung an; einer anderen Ansicht nach ist Gewahrsam die sozial-normative Zuordnung einer Sache zur Herrschaftssphäre einer Person.[2] Vorteil dieser Theorie ist, dass sie auf einfacherem Weg zu den gleichen Ergebnissen wie die herrschende Meinung gelangt.[3] Diese benötigt viele Ausnahmen, was im Endeffekt zur Auflösung des Hauptmerkmals „tatsächliche Sachherrschaft“ führt.

Gewahrsam liegt nach der dargestellten herrschenden Meinung auch dann noch vor, wenn der Gewahrsamsinhaber nicht mehr unmittelbaren Zugriff auf die Sache hat, diesen aber jederzeit wieder erlangen könnte (Gewahrsamslockerung). So hat etwa der Fahrradbesitzer auch dann noch (gelockerten) Gewahrsam an seinem Fahrrad, wenn er es in seiner Heimatstadt auf dem Bahnhofsvorplatz angeschlossen hat und in eine andere Stadt zur Arbeit fährt. Ebenfalls hat ein Ladenbesitzer Gewahrsam an sämtlichen Waren in seinem Laden, auch wenn er die faktische Zugriffsmöglichkeit auf seine Angestellten als seine Gewahrsamsgehilfen übertragen hat.

Begründung und Übergang des Gewahrsams

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Bei der Übergabe einer Sache von einer Person an eine andere Person geht stets auch der Gewahrsam an der Sache über, wobei es sachenrechtlich unerheblich ist, ob dies freiwillig oder wissentlich geschieht. Der unfreiwillige Übergang wird Gewahrsamsbruch genannt, z. B. wenn eine Person unbezahlte Ware in der Kleidung verbirgt.

An einer Sache, die zuvor in niemandes Gewahrsam war, kann man Gewahrsam begründen, indem man sie in (vorübergehenden) Besitz nimmt. So erlangt der Finder einer Sache Gewahrsam an dieser Sache.

Ein Gewahrsamsinhaber kann den Gewahrsam aufgeben, indem er die Sachherrschaft aufgibt. Beispielsweise verliert man den Gewahrsam an einer Sache durch Übereignung (inklusive Schenkung) oder Dereliktion (Entledigung, z. B. wenn man sie in einen öffentlichen Abfalleimer wirft).

Einzelnachweise

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  1. Definition Gewahrsam
  2. so Wolfgang Bittner: „Der Gewahrsamsbegriff und seine Bedeutung für die Systematik der Vermögensdelikte“, Diss. Göttingen 1972.
  3. Siehe auch Jan Zopfs, Goltdammer’s Archiv für Strafrecht 11/2011, S. 670–672.