Gleisdreieck Leipzig

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Das Gebäudeensemble (2018)

Als Gleisdreieck Leipzig wird ein 3,6 Hektar großes Areal im Leipziger Ortsteil Marienbrunn zwischen der Bahnstrecke Leipzig-Engelsdorf–Leipzig-Connewitz, der Bahnstrecke Leipzig–Hof und der Verbindungskurve Leipzig-Tabakmühle bezeichnet, das ein 1904/05 errichtetes denkmalgeschütztes Gebäudeensemble beherbergt. Mit dem Eisenbahnkraftwerk Leipzig-Connewitz diente ein bis 1980 betriebenes Braunkohlekraftwerk zur Stromversorgung von Bahnanlagen wie Bahnhofsbeleuchtung und einem Bahnbetriebswerk. Von 2016 bis 2019 war das Kraftwerk als Black Triangle vom Arno-Nietzsche-Kulturkollektiv besetzt, 2021 wurden mit dem Projekt Gleisdreieck von der Leipziger Club- und Kulturstiftung Pläne für den Umbau zu einem Veranstaltungszentrum vorgestellt.

Eisenbahnkraftwerk Leipzig-Connewitz

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit Baubeginn September 1904 wurde auf dem 3,6 Ha großen[1] Gelände ein Kohlekraftwerk[2] sowie eine Bahnmeisterei[3] sowie vier kleinere Wohngebäude[4] errichtet. Im November 1905 wurde an das mit Braunkohle[5] betriebene Kraftwerk das Reichsbahnausbesserungswerk Leipzig-Engelsdorf angeschlossen[6] und dieses ab 1909 mit Strom versorgt.[7] Das Werk wurde in zwei Baustufen errichtet, veranschlagt waren Kosten in Höhe von 1,6 Millionen , dies entspricht nach heutiger Kaufkraft 11,69 Millionen €. Die Dampfturbinen waren für 1,7 mW Höchstbelastung (Dreiphasenwechselstrom) ausgelegt, die Fernleitungen hatten eine Länge von 8 km.[8] Mindestens bis Mitte der 1930er Jahre diente es auch der Versorgung der Beleuchtungsanlagen der ehemals sächsischen Bahnhöfe auf Leipziger Gebiet.[9]

1908 wurde von Eisenbahnern der Kleingartenverein KGV Reichsbahn Connewitz e. V. gegründet, der sich im südlichen und östlichen Teil des Geländes befindet.[10]

Nach dem 2. Weltkrieg wurden während der Sowjetischen Besatzung zwischen November 1946 und Januar 1947 Umspanner demontiert, das Kraftwerk war zeitweise wegen Kohlemangel stillgelegt.[11] Das Kohlekraftwerk wurde anschließend als VEB Bahnkraftwerk Leipzig Connewitz[12] bis 1980 betrieben.[5] Von 1905 bis 1979 bestand an der Bahnstrecke Leipzig–Hof ein eigener Gleisanschluss Anst Bahnkraftwerk Leipzig-Connewitz.[13] Das Gebäude wurde 1993 unter Denkmalschutz gesetzt und bis 1994 genutzt. Mit Kohlelager, Ölkeller und Werkstätten ist es im sächsischen Altlastenkataster erfasst.[4]

Anfang Juni 2016 wurde das seit 1994 ungenutzte und zunehmend verfallende Objekt unter dem Namen Black Triangle durch das Arno-Nietzsche-Kulturkollektiv besetzt, am 23. Juni wurde die Deutsche Bahn durch einen Mitarbeiter auf die Besetzung aufmerksam. Am 1. Juli 2016 wurde in der Regionalgeschäftsstelle der Deutschen Bahn durch 15 bis 20 Personen die Forderung aufgestellt, der Gruppe das Objekt zu überlassen.[14] Die Deutsche Bahn forderte das Kulturkollektiv zur Räumung auf.[15] Mitte Juli 2016 weigerte sich eine Gerichtsvollzieherin eine einstweilige Verfügung zur Räumung zuzustellen, da die Namen der Besetzenden nicht zweifelsfrei identifizierbar waren.[16] In der folgenden Zeit etablierte sich das Projekt als Kunst- und Veranstaltungsraum im Leipziger Süden und das Kulturkollektiv kümmerte sich um Instandhaltungsmaßnahmen, um den weiteren Verfall zu stoppen.[17] Im Juli 2017 kam es zu einer solidarischen Besetzung von 12 weiteren Gebäuden in Leipzig.[18] Nachdem bereits im Oktober 2016 die Deutsche Bahn mit einem Zwangsvollstreckungsverfahren zur Räumung bei dem Amts- sowie Landgericht gescheitert waren, bestätigte im Juli 2017 der Bundesgerichtshof diese Entscheidungen.[16] Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen Hausfriedensbruch auf und veranlasste Mitte Januar 2019 eine Durchsuchung zur Feststellung der Personalien der Besetzenden, die Polizei fand jedoch ein leeres Gebäude vor. Mit einer Demonstration am 16. Januar 2019 endete die Besetzung des Gebäudes.[19]

Projekt Gleisdreieck

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Logo des Projekts Gleisdreieck

Im Juli 2019 wurde notariell das komplette Gelände an die Leipziger Club- und Kulturstiftung verkauft,[20][21] die von den Betreibern der Clubs Distillery und TV-Club Leipzig gegründet wurde und das Kraftwerk zu einem Kreativ- und Musikzentrum umbauen möchte. Jedoch machte kurz vor Verstreichen der Frist die Stadt Leipzig von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch und erwarb Anfang 2022 das Gelände für 575.000 €, nach heutiger Kaufkraft 674.476 €. Anwohner und Kleingärtner kritisierten die zähe Kommunikation mit der Stiftung, äußerten Besorgnis über den zu erwartenden Lärm und übten daher Druck auf die Stadt aus. Diese entschied sich zur Wahrung der Interessen aller Beteiligten zum Erwerb des Gelände.[1] Lediglich das circa ein Hektar große Areal mit dem Kraftwerk wurde an die Stiftung verkauft.[22]

Von März 2021 bis Oktober 2022 führte die Stiftung in Kooperation mit Kreatives Sachsen einen Beteiligungsprozess durch, bei dem Wünsche, Anregungen und Kritik gesammelt wurden. 740 Personen nahmen an diesem Prozess teil.[23] Die Stiftung veröffentlichte eine 48-seitige PDF Dokumentation & Handlungsempfehlungen zum Beteiligungsprozess.[24]

In ersten Planungen sollte das Gelände die durch Gentrifizierung von ihren ursprünglichen Standorten vertriebenen Clubs Distillery und TV-Club bereits 2025 aufnehmen[25], jedoch wird nicht vor 2035 mit dem Beginn des Kulturbetriebs gerechnet. Beide Clubs kommen daher an alternativen Standorte unter, so zieht die Distillery auf der Alten Messe in die Halle 7 und der TV-Club in den Kohlrabizirkus. Die Stiftung rechnet für die Sanierung und Ausbau mit einem Finanzbedarf von 18 Millionen €, den sie mit Krediten, Spendenaktionen und Fördermittel bestreiten möchte.[26] So unterstützt die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien mit 540.000 € aus dem Investitionsprogramm Industriekultur das Projekt.[27]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b Till Wimmer: Gärten, Gleisdreieck und Grundstückskauf. In: Kreuzer. 16. Januar 2022, abgerufen am 18. Oktober 2024.
  2. Eisenbahnkraftwerk Leipzig-Connewitz; Instandhaltungswerk der Deutschen Reichsbahn. In: Liste der Kulturdenkmale in Sachsen. Abgerufen am 12. Mai 2024.
  3. Eisenbahnkraftwerk Leipzig-Connewitz; Bahnmeisterei. In: Liste der Kulturdenkmale in Sachsen. Abgerufen am 12. Mai 2024.
  4. a b Frank Döring: „Black Triangle“: Bahn verhandelt mit Investoren. In: Leipziger Volkszeitung. 22. Januar 2019, abgerufen am 27. Mai 2024.
  5. a b Bund unterstützt Sanierung von Leipziger „Gleisdreieck“ mit 540.000 Euro. Leipziger Volkszeitung, 4. März 2024, abgerufen am 12. Mai 2024.
  6. Manfred Berger: Hauptbahnhof Leipzig: Geschichte - Architektur - Technik. 1. Auflage. transpress, Berlin 1990, ISBN 978-3-344-00474-3, S. 47,231.
  7. Lutz Hempel: Engelsdorf-Historie VII RAW I. Abgerufen am 12. Mai 2024.
  8. Vereine. In: Deutsche Bauzeitung. XL. Jg., Nr. 16. Berlin 24. Februar 1906, S. 108, 109.
  9. Rolf Bayer, Gerd Sobek: Der Bayerische Bahnhof in Leipzig. Entstehung, Entwicklung und Zukunft des ältesten Kopfbahnhofs der Welt. 1. Auflage. transpress VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin 1985, Ereignisse bis 1945, S. 121.
  10. KGV “Reichsbahn Connewitz” e.V. In: Stadtverband Leipzig der Kleingärtner e.V. Abgerufen am 18. Oktober 2024.
  11. Klaus Jochen Arnold: Demontagen in der Sowjetischen Besatzungszone und in Berlin 1945 bis 1948. Hrsg.: Klaus Neitmann, Jochen Laufer. BWV Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-8305-1899-0, S. 219 (bwv-verlag.de [PDF]).
  12. Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.): Betriebsliste „Vorhandene Unterlagen“. Berlin 2009.
  13. Leipzig Bayerischer Bf — Hof Hbf | Citytunnel Leipzig. In: Sachsenschiene.de. Abgerufen am 12. Mai 2024.
  14. René Loch: Besetzer des „Black Triangle“ besuchen die Geschäftsstelle der Deutschen Bahn. In: Leipziger Internet Zeitung. 1. Juli 2016, abgerufen am 27. Mai 2024.
  15. René Loch: Deutsche Bahn fordert Besetzer in der Arno-Nitzsche-Straße erneut zur Räumung auf. In: Leipziger Internet Zeitung. 3. August 2016, abgerufen am 27. Mai 2024.
  16. a b René Loch: Deutsche Bahn kann besetztes „Black Triangle“ vorerst nicht räumen lassen. In: Leipziger Internet Zeitung. 28. Januar 2018, abgerufen am 27. Mai 2024.
  17. René Loch: Bewohner des Black Triangle befürchten baldige Räumung. In: Leipziger Internet Zeitung. 13. Juli 2017, abgerufen am 27. Mai 2024.
  18. Michael Freitag: Black Triangle: Solidarische Haus-Besetzungen in Leipzig. In: Leipziger Internet Zeitung. 30. Juli 2017, abgerufen am 27. Mai 2024.
  19. René Loch: Ermittlungen wegen Hausfriedensbruch: Polizei durchsucht leeres „Black Triangle“. In: Leipziger Internet Zeitung. 19. Januar 2019, abgerufen am 27. Mai 2024.
  20. Jens Rometsch: Leipziger Black Triangle verkauft – Distillery und TV-Club planen Kulturzentrum. In: Leipziger Volkszeitung. 25. August 2019, abgerufen am 27. Mai 2024.
  21. Grüne fordern Unterstützung der Stadt Leipzig bei Kulturprojekt am Gleisdreieck. In: Radio Leipzig. 20. September 2020, abgerufen am 27. Mai 2024.
  22. Jens Rometsch: Stadt Leipzig kauft Teile des Gleisdreiecks Connewitz. In: Leipziger Volkszeitung. 10. November 2021, abgerufen am 18. Oktober 2024.
  23. Birthe Kleemann: Der Beteiligungsprozess um das Projekt Gleisdreieck und seine Ergebnisse. In: Leipziger Internetzeitung. 24. Oktober 2022, abgerufen am 18. Oktober 2024.
  24. Maxi Blunck: Dokumentation & Handlungsempfehlungen. In: Leipziger Club- und Kulturstiftung & Kreatives Sachsen. Oktober 2022, abgerufen am 18. Oktober 2024.
  25. Franziska Nistler: Projekt Gleisdreieck Leipzig: Interview zum neuen Standort der Distillery. In: Groove. 15. April 2021, abgerufen am 18. Oktober 2024.
  26. Jens Rometsch: TV-Club zieht in Kohlrabizirkus Leipzig: Was wird nun aus dem Gleisdreieck? – Distillery plant auch um. In: Leipziger Volkszeitung. 29. November 2023, abgerufen am 18. Oktober 2024.
  27. Bund unterstützt Sanierung von Leipziger „Gleisdreieck“ mit 540.000 Euro. In: Leipziger Volkszeitung. 4. März 2024, abgerufen am 18. Oktober 2024.

Koordinaten: 51° 18′ 42,8″ N, 12° 23′ 28,1″ O