Gnotschaft

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
„Urgnotschaften“ des Berchtesgadener Landes. Kartenausschnitt einer Landkarte von J. Mall (1628).

Gnotschaft ist eine seit Jahrhunderten ausschließlich in der Region Berchtesgadener Land innerhalb des heutigen Landkreises Berchtesgadener Land gebräuchliche Bezeichnung für einen Zuständigkeitsbereich, aus der Anfang des 19. Jahrhunderts die Bezeichnungen von Gemeinden und Gemeindeteilen abgeleitet wurden. Sie geht auf Ende des 14. Jahrhunderts im gebietsgleichen Kernland der Fürstpropstei Berchtesgaden entstandene bäuerliche Zusammenschlüsse zurück. Nach Übernahme ihrer Aufgaben durch die Gemeindeverwaltungen werden seit Mitte des 20. Jahrhunderts keine Gnotschafter mehr gewählt und der Begriff Gnotschaft steht nur noch für eine Gemeindeteilbezeichnung.

Mit dem 1377 ausgestellten Landbrief des Propstes Ulrich Wulp begann das Klosterstift Berchtesgaden – wegen seiner hohen Schulden notgedrungen – den leibeigenen Bauern deren Höfe als Lehen mit eingeschränkten Eigentumsrechten zu überlassen. Die Bauern schlossen sich daraufhin in Gnotschaften (vermutlich für: Genossenschaften) zusammen, was damals zumindest dem Begriff nach bereits auf etwas „mildere Untertansverhältnisse“ deutete.[1] Die Gnotschaften suchten nach und nach Grundsätze der Selbsthilfe zu verwirklichen, wie es sich im nachbarschaftlichen Zusammenstehen bei Hochzeiten und Beerdigungen, der gemeinsamen Brauchtums- und Festtagspflege sowie bei Zusammenkünften nach Art der „Heimgartenbesuche“ zeigte.[2] Ob jedoch die Gnotschaften in freien genossenschaftlichen Zusammenschlüssen der jeweils benachbarten Einödhöfe oder in einem „Organisationsakt der Landesherrschaft“ begründet waren, ist nicht mehr nachweisbar.[3]

Bereits in dem ersten Steuerbuch des Berchtesgadener Landes von 1456 werden die acht „Urgnotschaften“ Au, Salzberg, Bischofswiesen, Ettenberg, Gern, Ramsau, Scheffau und Schönau sowie als deren Unterabteilungen „Gnotschaftsbezirke“ und die sie betreuenden „Gnotschafter“ (Schreibweise lt. Feulner auch: Gnotschäfter) aufgeführt. Diese acht Gnotschaften im „Land Berchtesgaden“ gruppierten sich um die Hauptorte des Berchtesgadener Kernlandes, den zentralen Markt Berchtesgaden und den Markt Schellenberg, und hatten bis zur Säkularisation im Jahre 1803 Bestand. Die Anzahl ihrer „Gnotschafterbezirke“ variierte im Laufe der Jahrhunderte und betrug zuletzt 32.[4][5]

Die Gnotschafter wurden von den Bauern ohne Mitwirkung der Landesherren in der Regel alljährlich neu gewählt, in der Gnotschaft Gern laut einer Liste von 1802 alle zwei Jahre. Ihr wissenschaftlich bislang kaum untersuchtes Aufgabenfeld lag unter anderem in der Mitwirkung bei der Besprechung von Wege- und Brückenbaumaßnahmen oder auch Bachregulierungen. Zudem waren sie an der Aufsicht über die für die Bauern „ausgeschiedenen Gemeinwälder“ wie auch beim Abfassen der Steuerrollen für das Landgericht und der Weiterleitung regierungsamtlicher Anordnungen beteiligt. Ab dem 17. Jahrhundert hatten sie zudem als „Armenpfleger“ bedürftige Personen zu unterstützen. Trotzdem waren über die Jahrhunderte hinweg auch die „Gnotschafter“ als deren Leibeigene zuallererst der Regentschaft des Stifts verpflichtet gewesen.[5]

Dieter Albrecht vermutet, dass zwischen Landschaftausschuss und Gnotschaftern ein Zusammenhang bestand und die Ausbildung der Gnotschaften zumindest „das genossenschaftlich-kooperative Bewusstsein der Bauernschaft befördert“ hat.[3]

1803 wurde die Fürstpropstei Berchtesgaden aufgelöst und das Berchtesgadener Land verlor damit seine politische Eigenständigkeit. Nach drei kurz hintereinander folgenden Herrschaftswechseln wurden 1810 dessen Gebiet und seine Gnotschaften dem Königreich Bayern angegliedert.[4]

Gnotschaften nach 1817

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Gnotschaften innerhalb des Amtsgerichts Berchtesgaden (grau: das angrenzende, nur teilweise angezeigte Amtsgericht Reichenhall), Kartenausschnitt von 1896

In den Gemeindeverzeichnissen ab 1817 sind die acht „Urgnotschaften“ nunmehr als „Gemeinden“, die einstigen 32 „Gnotschafterbezirke“ – nach Splittung der zwei bisherigen Bezirke in Ramsau und Umverteilung von vier Schellenberger Ortsteilen – als deren nunmehr 38 „Gnotschaften“ aufgeführt.[4][5] Hinzu kommen noch der Markt Berchtesgaden mit seinem Landgericht als Hauptort sowie das „Marktgericht“ Schellenberg Markt, das nur noch den Marktkern selbst behielt und seine „Bürgerlehen“ außerhalb als neue Gnotschaften Götschen, Schaden, Schneefelden, Unterstein 1818 an die neu gebildete Gemeinde Schellenberg Land abtrat.[6]

Der diesem Abschnitt vorangestellte Kartenausschnitt des Amtsgerichts Berchtesgaden von 1896 stellt die Zugehörigkeit der dort nicht namentlich bezeichneten Einzelgehöfte zu den Gnotschaften dar – nicht aber die Grenzen zwischen den Gnotschaften. Die heutige Zugehörigkeit der Einzelgehöfte zu den Gnotschaften im Sinne von amtlich benannten Gemeindeteilen weicht bisweilen davon ab.

Von „Urgnotschaften“ und Gnotschafterbezirken zu Gemeinden und Gnotschaften
„Urgnotschaften“ bis 1803
Gemeinden ab 1817
Gnotschafterbezirke bis 1803 Gnotschaften ab 1817
Au 1. Gnotschafterbezirk Unterau
2. Gnotschafterbezirk Oberau
3. Gnotschafterbezirk Resten
Bischofswiesen 1. Gnotschafterbezirk Loipl
2. Gnotschafterbezirk Stanggaß
3. Gnotschafterbezirk Strub
4. Gnotschafterbezirk Bischofswiesen
5. Gnotschafterbezirk Winkl
6. Gnotschafterbezirk Engedey
Ettenberg 1. Gnotschafterbezirk Vorderettenberg
2. Gnotschafterbezirk Hinterettenberg
vorm. Schellenberg Markt Schneefelden
(ab 1818 in neuer Gemeinde
Schellenberg Land)
vorm. Schellenberg Markt Schaden
(ab 1818 in neuer Gemeinde
Schellenberg Land)
Gern 1. Gnotschafterbezirk Vordergern
2. Gnotschafterbezirk Obergern
3. Gnotschafterbezirk Hintergern
Ramsau 1. Gnotschafterbezirk Au
Schwarzeck
2. Gnotschafterbezirk Antenbichl
Taubensee
ab 1824 inkl. Weiler Ramsau
Salzberg 1. Gnotschafterbezirk Anzenbach
(von 1817–1818 bei Gern)
2. Gnotschafterbezirk Metzenleiten
(von 1817–1818 bei Gern)
3. Gnotschafterbezirk Untersalzberg I
4. Gnotschafterbezirk Untersalzberg II
5. Gnotschafterbezirk Obersalzberg
6. Gnotschafterbezirk Mitterbach
Scheffau 1. Gnotschafterbezirk Oberstein
2. Gnotschafterbezirk Neusieden
vorm. Schellenberg Markt Götschen
(ab 1818 in neuer Gemeinde
Schellenberg Land)
vorm. Schellenberg Markt Unterstein
(ab 1818 in neuer Gemeinde
Schellenberg Land)
Schönau 1. Gnotschafterbezirk Königssee
(ab 1817 eigenständige Gemeinde
inkl. 2 weitere Gnotschaften s.u.)
2. Gnotschafterbezirk Oberschönau I
3. Gnotschafterbezirk Hinterschönau
4. Gnotschafterbezirk Königssee: Schwöb
5. Gnotschafterbezirk Unterschönau II
6. Gnotschafterbezirk Oberschönau II
7. Gnotschafterbezirk Unterschönau I
8. Gnotschafterbezirk Königssee: Faselsberg

Gnotschaften als Gemeindeteile heute

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das Berchtesgadener Land (rot) innerhalb des Landkreises Berchtesgadener Land mit Grenzen der heutigen fünf Gemeinden sowie den zwei gemeindefreien Gebieten bzw. Forsten (dunkelrot) Schellenberger Forst im Norden und Eck im Osten. Wasserflächen: (li.) Hintersee, (re.) Königssee u. Obersee

Nach der Gebietsreform in Bayern von 1971 bis 1980 sind die vormals acht Urgnotschaften bzw. Gemeinden des ursprünglichen „Berchtesgadener Landes“ in den fünf Gemeinden Berchtesgaden, Bischofswiesen, Marktschellenberg, Ramsau bei Berchtesgaden und Schönau am Königssee sowie den zwei gemeindefreien Gebieten bzw. Forsten Schellenberger Forst im Norden und Eck im Osten aufgegangen. Die Gnotschafter verrichteten ihre Gemeindedienste bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts. Die einstigen „Gnotschafterbezirke“ dienen jetzt nur noch als kleinteilige Ortsteil- bzw. Gemeindeteilbezeichnungen innerhalb der fünf Gemeinden, werden aber von den Einheimischen noch immer als „Gnotschaften“ bezeichnet.[4][5]

Im Amtlichen Ortsverzeichnis für Bayern wurden zuletzt 38 Gnotschaften aufgeführt, die sich auf die Gemeinden Berchtesgaden (12), Bischofswiesen (6), Marktschellenberg (8), Ramsau bei Berchtesgaden (4) und Schönau am Königssee (8) verteilen. Sechs Gemeindeteile von vier dieser Gemeinden, darunter auch die beiden historischen Hauptorte, werden nicht als Gnotschaft bezeichnet.

In die Gemeinde Berchtesgaden wurden im Rahmen der Gebietsreform in Bayern von 1971 bis 1980 die zuvor selbstständigen Gemeinden Au, Gern und Salzberg eingemeindet.

Gemeindeteile und Gnotschaften der Marktgemeinde Berchtesgaden
Gemarkungen Gemeindeteile Art Anmerkungen
Markt Berchtesgaden Markt Berchtesgaden Hauptort vormals fürstliche Residenz des Klosterstifts Berchtesgaden
Au Unterau Gnotschaft Eigenständige Gemeinde bis 1972
Oberau Gnotschaft
Resten Gnotschaft
Maria Gern Hintergern Gnotschaft Eigenständige Gemeinde bis 1972, bis 1953 Ortsname: Gern
Obergern Gnotschaft
Vordergern Gnotschaft
Am Etzerschlößl Neuere Siedlung benannt nach dem von Fürstpropst Jakob Pütrich 1574 erbauten,
1960 abgerissenen „Lustschloss“ Etzerschlößl am Fuße der Gnotschaft Gern
Salzberg Anzenbach Gnotschaft Eigenständige Gemeinde bis 1972
Metzenleiten Gnotschaft
Mitterbach Gnotschaft
Obersalzberg Gnotschaft
Untersalzberg I Gnotschaft
Untersalzberg II Gnotschaft

In der Gemeinde Bischofswiesen entsprechen alle Gemeindeteile den einstigen Gnotschaften der „Urgnotschaft“ Bischofswiesen.

  1. Bischofswiesen
  2. Engedey
  3. Loipl
  4. Stanggaß
  5. Strub
  6. Winkl

Marktschellenberg

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1911 erfolgte eine Umbenennung: Aus Schellenberg Markt wurde Marktschellenberg; aus Schellenberg Land wurde Landschellenberg. Am 1. März 1911 wurde Ettenberg in die Gemeinde Landschellenberg eingemeindet. Am 1. Oktober 1969 wurden Marktschellenberg, Landschellenberg und Scheffau zur neuen Gemeinde Marktschellenberg zusammengeschlossen.

Gemeindeteile und Gnotschaften der Gemeinde Marktschellenberg
Gemarkungen Gemeindeteile Art Anmerkungen
Marktschellenberg Marktschellenberg Hauptort neue Gemeinde mit „Bürgerhäusern“
vormals Sitz der „Hallinger“ der Fürstpropstei Berchtesgaden
Landschellenberg Ettenberg
(Hinter- u. Vorderettenberg)
Gnotschaft Eigenständige Gemeinde bis 1969
Götschen Gnotschaft
Schaden Gnotschaft
Schneefelden Gnotschaft
Unterstein Gnotschaft
Scheffau Mehlweg zu Neusieden Eigenständige Gemeinde bis 1969
Neusieden Gnotschaft
Oberstein Gnotschaft
Scheffau ehem. Hauptort

Ramsau bei Berchtesgaden

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gemeindeteile der Gemeinde Ramsau bei Berchtesgaden entsprechen nahezu unverändert den einstigen Gnotschaften der „Urgnotschaft“ Ramsau. Aneinander angrenzende Anteile der Gnotschaften Au, Schwarzeck und Taubensee bilden einen im Zusammenhang bebauten Innenbereich, der informell als Dorf Ramsau[7] oder als Ortszentrum[8] bezeichnet wird.

Gemeindeteile / Gnotschaften der Gemeinde Ramsau bei Berchtesgaden
Gemeindeteile Art Anmerkungen
Antenbichl Gnotschaft
Au Gnotschaft
Schwarzeck Gnotschaft
Taubensee Gnotschaft Hierzu gehört auch der einstige Weiler Ramsau
Hintersee Dorf[9] am gleichnamigen See

Schönau am Königssee

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gemeinden Schönau und Königssee wurden 1978 im Rahmen der Gebietsreform in Bayern zusammengelegt zur Gemeinde Schönau am Königssee. (Einwohnerzahlen laut Volkszählung am 25. Mai 1987 in Klammern)

Gemeindeteile und Gnotschaften der Gemeinde Schönau am Königssee
Gemarkungen Gemeindeteile Art Anmerkungen
Forst Sankt Bartholomä gemeindefreies Gebiet eingemeindet 1984 unbewohnt, Almhütten nur im Sommer bewohnt
St. Bartholomä (25) Einöde vormals fürstliche Besitzung,
dann von 1903 bis 1978 Exklave der Gemeinde Königssee
Forst Königssee gemeindefreies Gebiet eingemeindet 1984 unbewohnt, Almhütten nur im Sommer bewohnt
Königssee Königssee (675) Gnotschaft Eigenständige Gemeinde bis 1978
Faselsberg (790) Gnotschaft
Schwöb (590) Gnotschaft
Schönau Hinterschönau (82) Gnotschaft Eigenständige Gemeinde bis 1978
Oberschönau (1421) Gnotschaft
Unterschönau (1630) Gnotschaft
Commons: Gnotschaft – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Historisches Kartenmaterial

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Joseph Ernst von Koch-Sternfeld: Geschichte des Fürstenthums Berchtesgaden und seiner Salzwerke. Band 2, ab S. 28 f. in der Google-Buchsuche
  2. gemeinde.bischofswiesen.de (Memento vom 10. Mai 2016 im Internet Archive) Festschrift zu 850 JAHRE Bischofswiesen 1155–2005, PDF-Datei S. 8 f. (Prospektseite 12 f.) und S. 24 (Prospektseite 45).
  3. a b Dieter Albrecht: Die Fürstpropstei Berchtesgaden. In: Max Spindler, Andreas Kraus (hrsg.): Handbuch der bayerischen Geschichte. S. 293.
  4. a b c d Joseph Ernst von Koch-Sternfeld: Geschichte des Fürstenthums Berchtesgaden und seiner Salzwerke. Band 2, ab S. 145 f.
  5. a b c d Manfred Feulner: Maria Gern – Gnotschaft und Gemeinde (Memento vom 28. Oktober 2021 im Internet Archive) im Auftrag der Blaskapelle Maria Gern. Literatur und Quellen: berchtesgadeninfo.de, Marktarchiv Berchtesgaden, Abt. Maria Gern.
  6. Historischer Atlas von Bayern, Band Altbayern, Reihe I Heft 7: Fürstpropstei Berchtesgaden. S. 34 f., geschichte.digitale-sammlungen.de
  7. Sitzungsprotokolle öffentliche Sitzung vom 20. September 2011 des Ramsauer Gemeinderats – auf Seite 3 der PDF-Datei heißt es: „Das Baugrundstück (..), Gemarkung Ramsau, liegt im Innenbereich. Im Flächennutzungsplan der Gemeinde Ramsau ist das Gebiet als Fläche Dorfgebiet ausgewiesen.“
  8. gemeinde-ramsau.de. Unter „Zahlen, Daten, Fakten“ die Angabe der Höhenlage des Ortszentrums
  9. Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung (Hrsg.): Amtliches Ortsverzeichnis für Bayern, Gebietsstand: 25. Mai 1987. Heft 450 der Beiträge zur Statistik Bayerns. München November 1991, DNB 94240937X, OCLC 231287364, S. 71 (Digitalisat).