Golnar Shahyar
Golnar Shahyar (persisch گلنار شهیار, * 1985 in Teheran, Iran) ist eine iranisch-kanadische Musikerin, die als Komponistin, Sängerin und Multiinstrumentalistin in mehreren Ensembles bekannt wurde. Sie lebt seit 2008 in Wien und ist sowohl im Bereich der Weltmusik als auch im Jazz und der zeitgenössischen Musik tätig. Weiterhin ist Shahyar auch durch ihre Aufrufe für mehr Diversität im österreichischen Kulturbetrieb bekannt geworden.
Unter anderem ist Shahyar im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins, im Burgtheater in Wien, in der Royal Festival Hall in London und in der Elbphilharmonie in Hamburg aufgetreten. Bei ihren Auftritten setzte sie sich wiederholt für die feministische Revolution im Iran ein.
Leben und Wirken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Shahyar stammt aus einer iranischen Familie der Mittelklasse und lebte bis zu ihrem 17. Lebensjahr in Teheran. 2001 zog sie mit ihren Eltern nach Toronto, Kanada, wo sie später an der York University einen Bachelor in Biologie erwarb. 2008 übersiedelte sie nach Wien und begann dort ein Gesangs- und Gitarrenstudium an der Universität für Musik und darstellende Kunst.[1] Entscheidenden Einfluss bei ihrer künstlerischen Entwicklung zur improvisierten Musik hatte dabei die Jazzmusikerin Elfi Aichinger.[2]
Shahyar bezieht ihre musikalische Inspiration aus verschiedenen Musikkulturen, die von nordafrikanischen und iranischen traditionellen Formen bis zum Jazz und zeitgenössischer Musik reichen.[3] Außer in ihrer Muttersprache Persisch singt sie auch in Englisch, Kurdisch, Türkisch, Spanisch und Ladino, der Sprache der jüdisch-sefardischen Bevölkerung aus dem maurischen al-Andalus.[4] Mit ihrem in persischer Sprache verfassten Protestsong Sagt meiner Mutter, dass sie keine Tochter mehr hat zitierte sie einen Slogan der feministischen Revolution im Iran.[5] Er drückt die Trauer um Frauen aus, die Opfer der Unterdrückung im Iran wurden. Im November 2022 wurde diese Komposition live im Wiener Jazzclub Porgy & Bess aufgezeichnet.[6]
Shahyar wurde durch ihre Auftritte und Aufnahmen in verschiedenen Gruppen bekannt. So gründete sie mit dem Gitarristen Mahan Mirarab und dem Perkussionisten Shayan Fathi das Weltmusiktrio Sehrang, das ausgehend von iranischer Musik 2014 das Album Dar Lahze veröffentlichte.[7] Weiterhin ist sie mit Mirarab und dem Perkussionisten Amir Wahba auch als Golnar & Mahan Trio aufgetreten, zum Beispiel im Wiener Konzerthaus.[8] Im Trio Gabbeh singt Shahyar mit der Klarinettistin Mona Matbou Riahi und dem Bassisten Manu Mayr.[9] Am 15. November 2019 spielte Shahyar zusammen mit der Bassistin Judith Ferstl und dem Schlagzeuger András Dés bei der Eröffnung des Central European University Campus in Wien.
Im Jahr 2017 war Shahyar im BBC World Service in einem Programm mit „globalen Beats“ zu hören.[10] Am 16. November 2022 stand sie beim Woman, Life, Freedom Festival in der Royal Festival Hall auf der Bühne, um zusammen mit anderen iranischen und internationalen Musikerinnen Solidarität mit den Frauen im Iran zu bezeugen.[11] Im Mai 2024 bestritt sie als Gast der NDR Bigband neben dem Klarinettisten Kinan Azmeh ein Set in der Elbphilharmonie Hamburg.[12]
Tear Drop, ihr erstes Album unter eigenem Namen, wurde für den Deutschen Jazzpreis 2023 als Debütalbum des Jahres (international) nominiert. Dabei würdigte die Jury sowohl ihren herausragenden Gesangsstil als auch die hohe Qualität der Aufnahmen und bezeichnete das Album insgesamt als „ausdrucksstark, eigen und vielfältig.“[13]
Neben ihren Auftritten und Studioproduktionen als Sängerin und Instrumentalistin ist Shahyar auch als Schauspielerin und Komponistin von Bühnenmusik für Theater, Tanz und zeitgenössisches Musiktheater hervorgetreten.[14][15] Weiterhin wirkte sie in der Saison 2017/2018 als künstlerische Leiterin für das Festival The Female Voice of Iran an der Zeitgenössischen Oper Berlin.[16]
Mit dem Ziel, Musikern und anderen Kulturschaffenden vor allem aus den sogenannten „Freien Szenen“ mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, veröffentlichte Shahyar 2020 einen „offenen Brief an die Musik- und Kulturjournalist*innen“ in Österreich. Auslösend für diesen Aufruf war die ihrer Meinung nach weitgehende Marginalisierung vor allem migrantischer Künstler im etablierten Kulturbetrieb. Dabei forderte sie angemessene mediale Darstellung der vielfältigen kulturellen Ausdrucksformen und kulturellen Einflüsse und beendete ihren Aufruf als „eine Einladung zu mehr Solidarität in der österreichischen Musikindustrie.“[17]
Diskografie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Dar Lahze mit dem Trio Sehrang, Lotus Records, Wien 2014
- Sormeh mit Mona Matbou Riahi und Jelena Popržan, Lotus Records 2014
- Derakht mit dem Golnar & Mahan Trio, Lotus Records 2017
- Tear Drop, Klaeng Records 2022
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Aida Shirazi et al.: Iranerinnen. In: Musik & Ästhetik. Band 27, Nr. 107, 2023, ISBN 978-3-608-97560-4, Stimmen der Gleichheit. Iranische Sängerinnen in einem geschichtlichen Augenblick. Niloufar Nourbakhsh im Austausch mit Shaghayegh Bagheri, Samin Ghorbani und Golnar Shahyar, S. 66–72 (musikundaesthetik.de [PDF]).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Offizielle Webpräsenz
- Videoportrait mit Golnar Shahyar auf YouTube (englisch)
- Videokanal von Golnar Shahyar auf YouTube
- Golnar Shahyar singt Tear Drop (englische UT)
- Tell my mother she has no daughter anymore live im Jazzclub Porgy & Bess, Wien 2022
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Ganz Wien — They Shoot Music. Abgerufen am 21. Mai 2024 (englisch).
- ↑ Susanne Gradl: Alumna im Fokus : Golnar Shahyar. In: mdw-Magazin. Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, 22. Februar 2021, abgerufen am 23. Juni 2024.
- ↑ Markus Frank: Female Voice of Iran – Festival of Zeitgenössische Oper Berlin. 21. Januar 2017, abgerufen am 22. Mai 2024.
- ↑ »Niemand kann irgendwem eine Stimme geben.« • VAN Outernational #12. VAN OUTERNATIONAL, 28. Mai 2018, abgerufen am 23. Juni 2024.
- ↑ Dilek Ergün: Die Wut in die Welt. 26. Mai 2023, abgerufen am 21. Mai 2024.
- ↑ Stefan Franzen: Golnar Shahyars Album "Tear Drop" und die Iran-Proteste: "Eine kulturelle und mentale Revolution". In: Qantara.de. 12. April 2023, abgerufen am 22. Mai 2024.
- ↑ Michael Ternai: Sehrang – Dar Lahze. 3. März 2014, abgerufen am 21. Mai 2024 (deutsch).
- ↑ kulturen in bewegung: Golnar & Mahan Trio. Abgerufen am 21. Mai 2024.
- ↑ Gabbeh. Reaktor Art, 2023, abgerufen am 23. Juni 2024.
- ↑ BBC World Service – Global Beats, Iran. Abgerufen am 25. Juni 2024 (britisches Englisch).
- ↑ Safi Bugel: ‘Woman, life, freedom!’: British concert shows solidarity with women in Iran amid rising death toll. In: The Guardian. 16. November 2022, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 21. Mai 2024]).
- ↑ IMF in der Elphi: NDR Bigband feat. Golnar Shahyar & Kinan Azmeh. NDR, 19. Mai 2024, abgerufen am 22. Mai 2024.
- ↑ Debut Album of the Year International. Deutscher Jazzpreis, 2. Mai 2021, abgerufen am 23. Juni 2024.
- ↑ Alireza Daryanavard: Ein Staatenloser. Einblicke in die Festung Europa. In: WERK X. Abgerufen am 23. Mai 2024.
- ↑ Marie-Ève Signeyrole und Keyvan Chemirani: Negar. Deutsche Oper Berlin, 2022, abgerufen am 23. Mai 2024.
- ↑ Markus Frank: Female Voice of Iran – Festival of Zeitgenössische Oper Berlin. 21. Januar 2017, abgerufen am 23. Mai 2024.
- ↑ Michael Ternai: Offener Brief von GOLNAR SHAHYAR an die Musik- und Kulturjournalist*innen des Landes. In: musicaustria.at. 20. April 2020, abgerufen am 25. Juni 2024.
Personendaten | |
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NAME | Shahyar, Golnar |
ALTERNATIVNAMEN | گلنار شهیار |
KURZBESCHREIBUNG | iranisch-kanadische Musikerin |
GEBURTSDATUM | 1985 |
GEBURTSORT | Teheran, Iran |