Gudula Walterskirchen
Gudula Walterskirchen (* 18. September 1967[1][2] in St. Pölten[3] als Gudula Schrittwieser) ist eine österreichische Historikerin, Autorin und Zeitungsherausgeberin.[4]
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Gudula Schrittwieser wuchs als sechstes von sieben Geschwistern in St. Pölten auf. Ihre Mutter Elisabeth Schrittwieser (1937–2008)[5] war Präsidentin des Katholischen Familienverbands Österreichs, ihr Vater Josef Schrittwieser (* 1931) kommt aus der Katholischen Arbeiterjugend, die er von 1951 bis 1957 in St. Pölten aufbaute,[6] und leitete später unter anderem das Familienreferat der Diözese St. Pölten.[7][8] Sie maturierte 1986 am Wirtschaftskundlichen Realgymnasium der Englischen Fräuleins in St. Pölten. Anschließend studierte sie Geschichte und Kunstgeschichte in Graz und an der Universität Wien. Nach dem Studium war sie in der Katholischen Aktion der Diözese Graz-Seckau und danach beim Hilfswerk Niederösterreich aktiv.[9] Im Jahr 2000 promovierte sie in Wien mit einer Dissertation zum Thema Adel in Österreich im 20. Jahrhundert: privates und öffentliches Leben, Berufswahl, wirtschaftliche Aktivitäten und politische Rolle.[10] Die Dissertation bildete die Grundlage für ihr erstes Buch Der verborgene Stand: Adel in Österreich heute. Von 2000 bis 2005 war sie als Redakteurin für die Tageszeitung Die Presse tätig. Als leitende Redakteurin für Niederösterreich baute sie in dieser Zeit ein Korrespondentenbüro in St. Pölten auf, das sie zwei Jahre lang leitete.[9] Seit 2005 arbeitet sie als freie Journalistin und Buchautorin. So schreibt sie seit 2014 Beiträge für die Kolumne Quergeschrieben für Die Presse[11] sowie für das Branchenmagazin Der Österreichische Journalist.[3] Neben Sachbüchern beschäftigt sie sich auch mit Satire und Belletristik.[12]
Ende Mai 2017 wurde Walterskirchen von der Generalversammlung des Katholischen Pressvereins St. Pölten zur Obfrau und damit Herausgeberin der Niederösterreichischen Nachrichten und der Burgenländischen Volkszeitung bestimmt. Sie folgte in diesem Amt dem verstorbenen Bischofsvikar Prälaten Franz Schrittwieser (1940–2017) nach und war nach Jahrzehnten die erste nichtgeistliche Person, die die Herausgeberschaft wahrnahm.[9][13][14] Im Herbst 2021 folgten ihr Sonja Planitzer und Herbert Binder als Herausgeber des Niederösterreichischen Pressehauses nach.[15]
Tätigkeit als Historikerin
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Walterskirchen ist auch die Autorin mehrerer historischer Bücher mit Themenschwerpunkt Zwischenkriegszeit beziehungsweise dem Ständestaat. Sie kritisiert in Werken wie Engelbert Dollfuß: Arbeitermörder oder Heldenkanzler oder Die blinden Flecken der Geschichte: Österreich 1927–1938 die in der österreichischen Öffentlichkeit übliche Darstellung dieser Zeit, die ihrer Ansicht nach hauptsächlich der Geschichtsauffassung und dem Diskurs der SPÖ folge, etwa in der Beurteilung von historischen Gestalten wie Engelbert Dollfuß oder Ernst Rüdiger Starhemberg. Ihre Bücher erhielten auch im benachbarten Ausland journalistische Aufmerksamkeit.[16][17] Während die Wiener Zeitung ihr Buch Blaues Blut für Österreich über österreichische Adelige im Widerstand gegen den Nationalsozialismus positiv rezensierte,[18] fanden ihre Thesen unter Historikern wenig Beachtung. Auf der deutschsprachigen Fachrezensionsplattform H-Soz-Kult findet sich lediglich eine sehr kritische Rezension, die dem Buch Die blinden Flecken der Geschichte eine „klare politische Schlagseite“ attestiert.[19] Das Buch wurde im Frühjahr 2018 auch von Günter Kaindlstorfer im Sachbuchmagazin Andruck des Deutschlandfunks besprochen.[20]
Mitgliedschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Walterskirchen ist Mitglied des österreichischen Verbands katholischer Publizistinnen und Publizisten sowie des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten Österreichs.[12]
Privates
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit 1992 ist sie mit dem Immobilienentwickler[21] Markus Walterskirchen verheiratet, den sie als 16-Jährige kennenlernte, und lebt mit ihrer Familie in Purkersdorf. Sie ist Mutter eines Sohnes.[1][22]
Kritik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Walterskirchen wird von ihren Kritikern zuweilen als „fundamental-katholisch-konservativ“ apostrophiert.[23] In einem Artikel aus 2017 warf ihr die Wiener Stadtzeitung Falter vor, sie habe sich in ihren wöchentlichen Kommentaren in der Tageszeitung Die Presse unter anderem gegen gleichgeschlechtliche Ehen, gegen Sexualerziehung in Kindergärten und Volksschulen sowie gegen die Fristenlösung ausgesprochen. Besonders ein Kommentar,[24] der dahin gehend interpretiert werden konnte, dass sie Schwangerschaftsabbrüche mit dem Sterben unschuldiger Kinder in Syrien verglich, sowie ihre Stellungnahme zur Abstimmung in Irland über die Abtreibung 2018[25] sorgten für Kontroversen.[26] Ihre auf derselben Plattform im Frühjahr 2018 publizierte Kritik am „Sozialkonzern“ Caritas kränkte nach Aussage des Caritasdirektors von St. Pölten, Hannes Ziselsberger, viele Mitarbeiter und Freiwillige.[27] Ein Faktencheck der Zeitschrift Profil von Lena Leibetseder und Jakob Winter, in dem Walterskirchen Desinformation vorgeworfen wurde,[28] wurde von ihr erfolglos geklagt.[29] 2024 urteilte der Österreichische Presserat, drei ihrer Artikel aus dem Vorjahr „verstoßen gegen Punkt 2.1 des Ehrenkodex für die österreichische Presse (Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche und Wiedergabe von Nachrichten).“[30][31]
Publikationen (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1999: Der verborgene Stand: Adel in Österreich heute, Neuauflage 2007 und 2010, Haymon-Taschenbuch, Innsbruck/Wien, ISBN 978-3-85002-428-0 / ISBN 978-3-85218-843-0
- 2000: Blaues Blut für Österreich. Adelige im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Amalthea-Verlag, Wien 2000, ISBN 978-3-85002-452-5
- 2001: Der Wiener Fasching: die Zeit der Bälle und Walzer, Holzhausen-Verlag, Wien 2001, ISBN 978-3-85493-039-6
- 2002: Starhemberg oder die Spuren der Dreißiger Jahre, Amalthea-Verlag, Wien 2002, ISBN 978-3-85002-469-3
- 2004: Engelbert Dollfuß: Arbeitermörder oder Heldenkanzler, Molden Verlag, Wien 2004, ISBN 978-3-85485-112-7
- 2005: Bomben – Hamstern – Überleben: Österreich 1945, Molden-Verlag, Wien 2005, ISBN 978-3-85485-126-4
- 2006: Die österreichische G'sellschaft: satirische Einblicke und Ausblicke, Amalthea Verlag, Wien 2006, ISBN 978-3-85002-577-5
- 2013: Der Franzi war ein wenig unartig – Hofdamen der Habsburger erzählen, Residenz Verlag 2013, ISBN 978-3-7017-3301-9
- 2014: Das Tagebuch der Gräfin Marie Festetics: Kaiserin Elisabeths intimste Freundin, Residenz Verlag 2014, ISBN 978-3-7017-3338-5
- 2017: Die blinden Flecken der Geschichte: Österreich 1927–1938, Kremayr und Scheriau, Wien 2017, ISBN 978-3-218-01063-4
- 2018: Mein Vaterland zertrümmert. 1918 – Kriegsende und Neuanfang in Briefen, Tagebüchern und Erinnerungen, Residenz Verlag 2018, ISBN 978-3-7017-3420-7
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Offizielle Website
- Kurzbiografie und Rezensionen zu Werken von Gudula Walterskirchen bei Perlentaucher
- Werke von und über Gudula Walterskirchen im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b NÖN: Adel verpflichtet, Folge 33: Gudula Walterskirchen in Purkersdorf ( vom 5. April 2017 im Internet Archive). Artikel vom 9. Mai 2011, abgerufen am 5. April 2017.
- ↑ Residenzverlag: Gudula Walterskirchen. Abgerufen am 4. April 2017.
- ↑ a b orf.at: Die Frau, die Hofdamen erzählen lässt. Artikel vom 30. Juni 2013, abgerufen am 5. April 2017.
- ↑ Buchbesprechung Audio 1/2 Jahr online ( vom 12. März 2018 im Internet Archive) Günter Kaindlstorfer Deutschlandfunk "Andruck" 12. März 2018
- ↑ Katholischer Familienverband trauert um Elisabeth Schrittwieser. Kathpress, 18. Februar 2008, abgerufen am 9. Oktober 2021.
- ↑ Dokumentation. Mitteilungen des Dokumentationsarchivs des Katholischen Jugendwerkes Österreich. Nummer 103 (September 2016), S. 39 (PDF; 1,9 MB).
- ↑ Von bürgerlicher, aber stark katholischer Abstammung ( vom 5. April 2017 im Internet Archive) im Archiv der NÖN vom 9. Mai 2011, abgerufen am 23. Mai 2018.
- ↑ Verabschiedung aus dem Vorstand. Senioren-Pastoral der Diözese St. Pölten (2017). Abgerufen am 9. Oktober 2021.
- ↑ a b c In eigener Sache. Niederösterreichisches Pressehaus, Mitteilung vom 26. Mai 2017, abgerufen am 25. Januar 2021.
- ↑ Verbundkatalog: Adel in Österreich im 20. Jahrhundert: privates und öffentliches Leben, Berufswahl, wirtschaftliche Aktivitäten und politische Rolle. Dissertation 2000, Universität Wien.
- ↑ Liste von Walterkirchens Kolumnen auf ihrer Webseite www.walterskirchen.cc. Abgerufen am 18. Mai 2018.
- ↑ a b Gudula Walterskirchen: Biografie ( vom 7. Januar 2016 im Internet Archive). Stand: April 2017.
- ↑ Gudula Walterskirchen neue NÖN-Herausgeberin. In: ORF. 29. Mai 2017, abgerufen am 25. Januar 2021.
- ↑ Gudula Walterskirchen wird Herausgeberin der NÖN. In: Die Presse. 29. Mai 2017, abgerufen am 25. Januar 2021.
- ↑ Neues Herausgeberschafts-Gremium für NÖN und BVZ. In: noen.at. 1. Oktober 2021, abgerufen am 9. Oktober 2021.
- ↑ Stephan Löwenstein: Österreich 1927 bis 1938: Schwarze, Rote, viele Tote. In: FAZ. 3. Juli 2017, abgerufen am 27. Dezember 2018.
- ↑ Franz Josef Kos: Der Auserwählte. In: FAZ. 16. September 2004, abgerufen am 27. Dezember 2018.
- ↑ Rainer Mayerhofer: Walterskirchen: Blaues Blut für Österreich. In: Wiener Zeitung, 27. Oktober 2000, abgerufen am 27. Dezember 2018.
- ↑ Carlo Moos: Rezension zu: Walterskirchen, Gudula: Die blinden Flecken der Geschichte. Österreich 1927–1938. Wien 2017. In: H-Soz-Kult, 26. September 2017, abgerufen am 27. Dezember 2018.
- ↑ Buchbesprechung zu Die blinden Flecken der Geschichte von Günter Kaindlstorfer im Sachbuchmagazin Andruck des Deutschlandfunks vom 12. März 2018 (nicht mehr online).
- ↑ Freude-am-Wohnen.at, Impressum, abgerufen am 23. November 2020.
- ↑ Die Frau, die Hofdamen erzählen lässt. In: ORF. 30. Juni 2013, abgerufen am 25. Januar 2021.
- ↑ Nina Horaczek: Gudula Walterskirchen: Eine "Tea Party" für die NÖN. In: Falter 24/17 vom 14. Juni 2017, abgerufen am 27. Dezember 2018 (Artikelanfang online mit Paywall).
- ↑ Gudula Walterskirchen: Europäische Werte: Schutz des Schwächeren und des Lebens. In: Die Presse vom 9. Januar 2017, abgerufen am 27. Dezember 2018 (Artikelanfang online mit Paywall).
- ↑ Gudula Walterskirchen: Frauen in Not brauchen gute Beratung, Zeit und Alternativen. In: Die Presse vom 3. Juni 2018, abgerufen am 27. Dezember 2018 (Artikelanfang online mit Paywall).
- ↑ Christian Fiala: Ein Unwissen, das nur auf die Autorin selbst zutrifft. In: Die Presse vom 1. Juli 2018, abgerufen am 27. Dezember 2018.
- ↑ Kritik am "Sozialkonzern" Caritas kränkt viele. Portal der Erzdiözese Wien, 21. März 2018, abgerufen am 27. Dezember 2018.
- ↑ Lena Leibetseder, Jakob Winter: Propaganda für Pensionisten: Wie „Die ganze Woche“ desinformiert. 19. Juni 2023, abgerufen am 21. November 2024.
- ↑ Walterskirchen blitzt mit Klage gegen "Profil"-Journalist Winter ab. Abgerufen am 21. November 2024.
- ↑ Selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung eines Lesers. Österreichischer Presserat, 3. November 2023, abgerufen am 21. November 2024.
- ↑ "Weltdiktatur": Presserat rügt "Ganze Woche" für falsche Darstellungen in Kolumnen. Abgerufen am 21. November 2024.
Personendaten | |
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NAME | Walterskirchen, Gudula |
ALTERNATIVNAMEN | Schrittwieser, Gudula (Geburtsname) |
KURZBESCHREIBUNG | österreichische Historikerin und Autorin |
GEBURTSDATUM | 18. September 1967 |
GEBURTSORT | St. Pölten |