Gustav Herbst (Mediziner)

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Ernst Friedrich Gustav Herbst (* 5. Januar 1803 in Uslar; † 6. März 1893 in Göttingen) war ein deutscher Physiologe.[1]

Gustav Herbst war der Sohn eines promovierten Lehrers am Göttinger Gymnasium. Nach dem Schulbesuch in Uslar und Göttingen nahm er im Jahre 1818 an der Georg-August-Universität Göttingen das Studium der Medizin auf. Er war dort Schüler u. a. von Johann Friedrich Blumenbach. 1823 schloss er das Medizinstudium mit dem akademischen Grad Dr. med. ab und wurde 1826 „Accessist bei der Königlichen Bibliothek“ (Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen).[2]

1828 trat er die Nachfolge von August Murray (1797–1865) (einem Großneffen des Mediziners und Botanikers Johan Andreas Murray)[3][4] als Assistent der zoologischen und ethnographischen Abteilung des „Königlichen Academischen Museums“, das unter der Oberaufsicht von Johann Friedrich Blumenbach stand,[5][6][7] an.[8]

Zu dieser Zeit hatte er durch seine Arbeiten schon zwei Preise gewonnen: 1822 einen von der medizinischen Fakultät ausgesetzten Preis mit einer Studie über die Blutungen beim Erwachsenen[9][10] und 1827 „den Preis der physischen Classe der hiesigen Societät der Wissenschaften“.[11][12]

1833 erhielt er das „Stipendium Blumenbachianum“,[13] das ein „vorzüglich würdiger junger Mann, welcher Doctor der Medicin ist und dessen weitere Ausbildung durch Reisen hoffen läßt, daß er in irgend einem Zweige der Medicin oder der Naturwissenschaften etwas Ausgezeichnetes leisten werde“ erhalten sollte, „um dafür ein Jahr für seine weitere Ausbildung und zur Befolgung eines bestimmten wissenschaftlichen Zwecks eine Reise unternehmen zu können.“ Herbst nutzte das Stipendium für eine Reise nach England, Frankreich und Holland.[14]

Beruflich war Herbst zunächst als Anwärter, daran anschließend als Sekretär an der Universitätsbibliothek Göttingen eingesetzt, bevor er dort 1829 als Assistent an das Akademische Museum wechselte. 1835 wurde er Sekretär der Universitätsbibliothek[15] und 1836 Assessor an der Königlichen Societät der Wissenschaften.[16][17]

Daneben hatte Herbst an der Universität Göttingen ab 1825 eine Dozentur, ab 1842 eine Außerordentliche Professur der Medizin, die er bis zu seinem Tod 1893 ausfüllte, inne.

Am 31. Dezember 1843 beobachtete Herbst erstmals das Einschleusen fester Partikel aus dem Darmlumen in die Blutbahn[18], den nach ihm benannten Herbst-Effekt.

Zwischen 1842 und 1851 versuchte Herbst die im Jahre 1835 von den britischen Medizinern James Paget + Richard Owen entdeckten und beschriebenen Trichinella spiralis (zu dieser Zeit noch „Trichina spiralis“ genannt)[19][20][21] weiter zu erforschen und führte eine Reihe von Fütterungsversuche mit trichinösem Fleisch an zahlreichen Säugetieren, Vögeln und Amphibien durch.[22][23][24] In seinen beiden Berichten an die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften, zeigte sich aber, dass ihm bei der Auswertung der Ergebnisse Fehler unterlaufen waren. So glaubte er irrigerweise den Ursprung der Trichinen aus Filariae attenuatae feststellen zu können („….Da aber die Trichinen aller Thierarten im Wesentlichen eine ähnliche Bildung zeigen, so ist anzunehmen, daß sie auch sämmtlich von Filarien herrühren…“ … „und also nichts Anderes als junge, auf der Stufe embryonaler Entwicklung stehen gebliebene, Filariae attenuatae sind….“)[25] Bei den Versuchstieren entdeckte Herbst zwar Trichinen in ihren verschiedenen Lebensphasen, es war ihm aber nicht möglich den gesamten Lebenszyklus der Trichinen zu erfassen. Stattdessen glaubte er 3 verschiedene Arten von Trichinen (eingekapselte, freie und halbfreie) erkennen zu können.[26] Durch diese falschen Annahmen verwirrte er die Forschung mehr als dass er sie weiterentwickelte.[27] Erst Rudolf Leuckart, Rudolf Virchow vor allem aber Friedrich Albert Zenker gelang es dann im Jahre 1860 den gesamten Lebenszyklus der Trichinen aufzudecken – und damit den Nachweis von den schweren pathologischen Erscheinungen zu erbringen, die die Trichinen im menschlichen Organismus hervorrufen können.[28][29][30][31][32][33][34]

  • Commentatio historico-critica et anatomico-physiologica in qua de sanguinis quantitate, qualis homini adulto et sano convenit, sententiae dissentientes critice recensentur et probabilis saltem eiusmodi calculi qui propius a vero abesse videtur, demonstratio tentata est.Deiterich, Göttingen 1822.
  • Untersuchung über die Verbreitungsart der asiatischen Cholera. Deuerlich, Göttingen 1832.
  • Das Lymphgefässsystem und seine Verrichtung. Nach eigenen Untersuchungen dargestellt. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1841, (Digitalisat).
  • Die Pacinischen Körper und ihre Bedeutung. Ein Beitrag zur Kenntniß der Nervenprimitivfasern. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1848, (Digitalisat).
  • Die Wuthkrankheit der Hunde und ihre Verhütung durch innere Mittel. Mit 2 Abbildungen wuthkranker Hunde. Verlag der Dieterichschen Buchhandlung, Göttingen 1864, (Digitalisat).

Einzelnachweise

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  1. Jeremy M. Norman: Medicine, travel & anthropology : from the library of Johann Friedrich Blumenbach. San Francisco 1979 (Buchauszug); S. V: Bild: E. F. Gustav Herbst
  2. Christine Nawa: Sammeln für die Wissenschaft? – Das Academische Museum Göttingen (1773 – 1840). Masterarbeit. Göttingen 2010; hier S. 97: Ernst Friedrich Gustav Herbst
  3. Christine Nawa: Sammeln für die Wissenschaft? – Das Academische Museum Göttingen (1773 – 1840). Masterarbeit. Göttingen 2010; hier S. 96f.: August Murray
  4. Gerhard Wagenitz: Göttinger Biologen. 1737–1945. Eine biographisch-bibliographische Liste (= Göttinger Universitätsschriften. Serie C: Kataloge. 2). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1988, S. 128
  5. Georg-August-Universität Göttingen: Die Tradition des Academischen Museums
  6. Akademisches Museum der Universität Göttingen – Home
  7. Youtube: Vortrag Dr. Mike Reich (Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie): Das Akademische Museum Göttingen
  8. Pütter/Saalfeld/Oesterley: Versuch einer academischen Gelehrten-Geschichte von der Georg-Augustus-Universität zu Göttingen. Vierter Teil: Von 1820 bis zur ersten Säcularfeier der Universität im Jahre 1837. Göttingen 1838; S. 91
  9. Pütter/Saalfeld/Oesterley: Versuch einer academischen Gelehrten-Geschichte von der Georg-Augustus-Universität zu Göttingen. Vierter Teil: Von 1820 bis zur ersten Säcularfeier der Universität im Jahre 1837. Göttingen 1838; S. 109ff. (§ 45 Von der Königlichen Stiftung jährlicher Preisfragen für alle vier Facultäten); hier S. 112: Cum mirus sane et passim vere abnormis exstat dissensus physiologorum in aestimanda quantitate sanguinis, qualis homini adulto et sano convenit ; sesiderat ordo criticum istarum sententiarum recensum et probabilem saltem ejusmodi calculi, qui propius a vero abesse videatur, demonstrationem.
  10. Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte: Herbst, Ernst Friedrich Gustav
  11. Pütter/Saalfeld/Oesterley: Versuch einer academischen Gelehrten-Geschichte von der Georg-Augustus-Universität zu Göttingen. Vierter Teil: Von 1820 bis zur ersten Säcularfeier der Universität im Jahre 1837. Göttingen 1838; S. 488f. : 3) Ernst Friedrich Gustav Herbst; + S. 102/103
  12. Christine Nawa: Sammeln für die Wissenschaft? – Das Academische Museum Göttingen (1773 – 1840). Masterarbeit. Göttingen 2010; hier S. 97: Ernst Friedrich Gustav Herbst
  13. Pütter/Saalfeld/Oesterley: Versuch einer academischen Gelehrten-Geschichte von der Georg-Augustus-Universität zu Göttingen. Vierter Teil: Von 1820 bis zur ersten Säcularfeier der Universität im Jahre 1837. Göttingen 1838; S. 422
  14. Pütter/Saalfeld/Oesterley: Versuch einer academischen Gelehrten-Geschichte von der Georg-Augustus-Universität zu Göttingen. Vierter Teil: Von 1820 bis zur ersten Säcularfeier der Universität im Jahre 1837. Göttingen 1838; S. 423 + 489
  15. Pütter/Saalfeld/Oesterley: Versuch einer academischen Gelehrten-Geschichte von der Georg-Augustus-Universität zu Göttingen. Vierter Teil: Von 1820 bis zur ersten Säcularfeier der Universität im Jahre 1837. Göttingen 1838; S. 88
  16. Pütter/Saalfeld/Oesterley: Versuch einer academischen Gelehrten-Geschichte von der Georg-Augustus-Universität zu Göttingen. Vierter Teil: Von 1820 bis zur ersten Säcularfeier der Universität im Jahre 1837. Göttingen 1838; S. 489
  17. Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 111.
  18. Gerhard Volkheimer: Resorption großkorpuskulärer Elemente (Untersuchungen zum Herbst-Effekt). In: Nahrung. Bd. 8, Nr. 8, 1964, ISSN 0027-769X, S. 691–702, doi:10.1002/food.19640080813.
  19. Richard Owen: Description of a Microscopic Entozoon infesting the Muscles of the Human Body. In: Transactions of the Zoological Society of London. Vol. I. (1835), S. 315–324
  20. Archiv für Anatomie, Physiologie und Wissenschaftliche Medicin, Jg. 1835, S. 526 – 528: Ein microscopischer Binnenwurm in den menschlichen Muskeln. Von R. Owen (Der Bericht Owens übersetzt/beschrieben von Jacob Henle)
  21. Dorothee Branz: How Parasites Make History: On Pork and People in the Nineteenth Century. In: Bulletin of the German Historical Institute, Washington, DC 36 (Spring 2005): 69-79
  22. V.Becker/H.Schmidt: Die Entdeckungsgeschichte der Trichinen und der Trichinosis. Berlin-Heidelberg-New York 1975, S. 4, F. 2
  23. Gustav Herbst: Bericht an die Königl. Gesellschaft der Wissenschaften über Beobachtungen über Trichina spiralis, in Betreff der Übertragung der Eingeweidewürmer (1. Bericht). In: Nachrichten von der G.A. Universität und der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen No. 19/Dezember 1851, S. 260–264
  24. Gustav Herbst: Bericht an die Königl. Gesellschaft der Wissenschaften über die Natur und die Verbreitungsweise der Trichina spiralis (2. Bericht). In: Nachrichten von der G.A. Universität und der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen No. 12/November 1852, S. 183–204
  25. Gustav Herbst: Bericht an die Königl. Gesellschaft der Wissenschaften über die Natur und die Verbreitungsweise der Trichina spiralis (2. Bericht). In: Nachrichten von der G.A. Universität und der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen No. 12/November 1852, S. 183 – 204; hier: S. 192
  26. Gustav Herbst: Bericht an die Königl. Gesellschaft der Wissenschaften über die Natur und die Verbreitungsweise der Trichina spiralis (2. Bericht). In: Nachrichten von der G.A. Universität und der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen No. 12/November 1852, S. 183 – 204; hier: S. 188ff. + 193ff.
  27. Benjamin Schwartz: Discovery of Trichinae and Determination of Their Life History and Pathogenicity. In: Proceedings of The Helminthological Society of Washington Vol. 27 (Special Anniversary Number), Dezember 1960, No. 3, S. 261–268; hier: 263
  28. V.Becker/H.Schmidt: Die Entdeckungsgeschichte der Trichinen und der Trichinosis. Berlin-Heidelberg-New York 1975
  29. Rudolf Virchow: Die Lehre von den Trichinen mit Rücksicht auf die dadurch gebotenen Vorsichtsmaaßregeln für Laien und Aerzte dargestellt. Berlin/3. Aufl. 1866
  30. Rudolf Leukart: Untersuchungen über Trichina spiralis. Leipzig + Heidelberg 1860
  31. Friedrich Albert von Zenker: Über die Trichinenkrankheit des Menschen. In: Virchows Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie und für klinische Medicin, Berlin, 1860, 18, S. 561–572
  32. Jacob Justus: Entdeckungsgeschichte der Trichinen. In: Ärzteblatt Sachsen 5/2008
  33. Deutsche Biographie: Friedrich Albert von Zenker
  34. Medicampus – WWU Münster – Medizinische Fakultät: Wer war Friedrich Albert von Zenker?
  • Gerhard Wagenitz: Göttinger Biologen. 1737–1945. Eine biographisch-bibliographische Liste (= Göttinger Universitätsschriften. Serie C: Kataloge. 2). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1988, ISBN 3-525-35876-8, S. 78–79.