Gylfiliten-Gilde
Die Gylfiliten-Gilde (manchmal auch nur als die Gylfiliten bezeichnet) ist eine um 1976 in Krefeld entstandene neuheidnische Glaubensgemeinschaft mit ariosophischer Ausrichtung.[1] Das Mitteilungsblatt der Vereinigung hieß abgeleitet vom Skaldenmet Odrörir – Wiedergeburt der germanischen Religion. Seit den späten 1990er Jahren sind keine Aktivitäten der Gemeinschaft mehr nachweisbar.[2]
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Gylfiliten wurden 1976 von Wolfgang Kantelberg (Pseudonym: „Bruder Wali“) gegründet als Abspaltung des größten deutschen Germanenverbandes, der Goden.[3] Kantelberg war in den 1960er Jahren Mitglied der NPD, trat aber wieder aus, weil sie ihm „zu links“ war, schloss sich dann der Aktion Widerstand an und wurde danach Mitglied der Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit.[4] Für die Gemeinschaft entwickelte Kantelberg eine kultische Geheimsprache, die sich an alten Sprachformen des Deutschen orientiert und „Diutisk“ genannt wird.[5][6]
Inhaltliches Profil
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Gylfiliten sind benannt nach dem mythischen skandinavischen König Gylfi und bezeichnen sich als eine religiöse Vereinigung, die ihr Leben „nach den Lehren der Edden“ ausrichten. Die Gylfiliten-Gilde pflegt ein germanisches Neuheidentum mit starken Anklängen an nationalsozialistisches Gedankengut wie die Blut-und-Boden-Ideologie und Rassismus. Juden, Zeugen Jehovas, Freimaurern und anderen ist die Aufnahme in die Gemeinschaft verwehrt. Adolf Hitler wird als Heiliger verehrt, der eine kommunistische Weltdiktatur „nachweislich verhindert“ habe. Gemeinsam mit Arminius und dem Namensgeber Gylfi wird er in die Liste der im Kampf Getöteten eingereiht, die in Walhalla fortleben.[7] Die Gemeinschaft beruft sich auf ein historisches rassistisches Germanenbild in Anlehnung an völkische Organisationen vor 1933.[8] Die jüdisch-christliche Tradition mit ihrem Monotheismus und ihrem Egalitarismus wird kategorisch abgelehnt.
Einordnung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Stefan von Hoyningen-Huene ordnet die Gylfiliten zu den völkisch-religiösen Gruppen, die in unterschiedlicher Weise ariosophische, deutschgläubige und neogermanische Vorstellungen verbinden. Die Gylfiliten verbanden demnach nordisch-mythologische Vorstellungen wie das Ragnarök mit buddhistischen Elementen und, so Hoyningen-Huene, „anderen esoterischen Ideen, wie“ Hanns Hörbigers parawissenschaftlicher Welteislehre.[9]
Hugo Stamm ordnet die Gylfiliten als neuheidnische Religionsbewegung ein. Kantelbergs Gruppe verortet er als Teil einer Bewegung neuheidnischer Gruppen, die sich immer mehr der Astrologie und sonstiger Esoterik zugewandt hätten.[10]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Rainer Fromm: Am rechten Rand. Lexikon des Rechtsradikalismus. Schüren Presseverlag, Marburg 1993, ISBN 3-89472-080-8, S. 101 ff.: Gylfiliten.
- Friedrich Wilhelm Haack: Blut-Mythos und Rasse-Religion. München 1983
Dokumentationen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Martin Papirowski, Klaus Schellschmidt: Aus der Serie „Esoterik heute“: Wotans Wiederkehr. Mundus, 1990 (45 min)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ René Freund: Braune Magie? Okkultismus, New Age und Nationalsozialismus. Picus-Verlag, Wien 1995, ISBN 3-85452-271-1, S. 183.
- ↑ René Gründer: Germanisches (Neu-)Heidentum in Deutschland. Entstehung, Struktur und Symbolsystem eines alternativreligiösen Feldes (= PeriLog. Bd. 2). Logos, Berlin 2008, ISBN 978-3-8325-2106-6, S. 96.
- ↑ Hugo Stamm: Im Bann des Maya-Kalenders. Endzeithysterie in Sekten und Esoterik. Gütersloher Verlags-Haus, Gütersloh 2012, ISBN 978-3-579-06674-5, S. 160 und Reimar Oltmanns: Aus deutschen Landen – Rotwein, Runen, Rechtsradikale. In: Stern, vom 6. Mai 1976.
- ↑ Rainer Fromm: Am rechten Rand. Lexikon des Rechtsradikalismus. Mit Beiträgen von Barbara Kernbach und Hans-Gerd Jaschke. 2., aktualisierte Auflage. Schüren, Marburg u. a. 1994, ISBN 3-89472-104-9, S. 101 f. und Reimar Oltmanns: Aus deutschen Landen – Rotwein, Runen, Rechtsradikale. In: Stern, vom 6. Mai 1976.
- ↑ Hugo Stamm: Im Bann des Maya-Kalenders. Endzeithysterie in Sekten und Esoterik. Gütersloher Verlags-Haus, Gütersloh 2012, ISBN 978-3-579-06674-5, S. 160.
- ↑ Rainer Fromm: Am rechten Rand. Lexikon des Rechtsradikalismus. Mit Beiträgen von Barbara Kernbach und Hans-Gerd Jaschke. 2., aktualisierte Auflage. Schüren, Marburg u. a. 1994, ISBN 3-89472-104-9, S. 102.
- ↑ Stefan von Hoyningen-Huene: Religiosität bei rechtsextrem orientierten Jugendlichen (= Religion und Biographie. Bd. 7). LIT-Verlag, Münster u. a. 2003, ISBN 3-8258-6327-1, S. 233.
- ↑ René Gründer: Germanisches (Neu-)Heidentum in Deutschland. Entstehung, Struktur und Symbolsystem eines alternativreligiösen Feldes (= PeriLog. Bd. 2). Logos, Berlin 2008, ISBN 978-3-8325-2106-6, S. 24.
- ↑ Stefan von Hoyningen-Huene: Religiosität bei rechtsextrem orientierten Jugendlichen (= Religion und Biographie. Bd. 7). LIT-Verlag, Münster u. a. 2003, ISBN 3-8258-6327-1, S. 62 f.
- ↑ Hugo Stamm: Im Bann des Maya-Kalenders. Endzeithysterie in Sekten und Esoterik. Gütersloher Verlags-Haus, Gütersloh 2012, ISBN 978-3-579-06674-5, S. 160.