Hélène Miard-Delacroix
Hélène Miard-Delacroix (* 5. November 1959) ist eine französische Zeithistorikerin und Politikwissenschaftlerin. Sie ist Professorin für Geschichte und Kultur des zeitgenössischen Deutschlands an der Sorbonne Université.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach den geisteswissenschaftlichen Vorbereitungsklassen am Lycée Henri IV studierte sie von 1980 bis 1985 École normale supérieure in Fontenay-aux-Roses und der Universität Paris IV (Paris-Sorbonne) Germanistik und Geschichte. Sie bestand 1983 die Agrégation (Lehrbefugnis für höhere Schulen) im Fach Deutsch. Ein Aufbaustudium in Internationalen Beziehungen am Institut d’études politiques de Paris (Sciences Po) schloss sie 1985 mit einem DEA ab. Sie promovierte 1989 an der Université Paris-Sorbonne mit einer Arbeit über Helmut Schmidt und das Verhältnis zu Frankreich während seiner Kanzlerschaft 1974–1982.[1] Von 1990 bis 1993 war sie Maître de conférences (Dozentin) für Germanistik an der Universität Tours und anschließend bis 2003 an der Universität Paris IV. Dort habilitierte sie sich 2002 mit einer Arbeit über die Deutsche Frage und die politischen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland mit Frankreich von 1949 bis 1990.[2][3]
Im Jahr darauf erhielt sie einen Ruf als Universitätsprofessorin für Geschichte und Kultur des zeitgenössischen Deutschlands an die École normale supérieure Lettres et sciences humaines in Lyon. Sie wechselte 2008 zurück an die Universität Paris IV (seit 2018 Sorbonne Université), wo sie eine Professur mit der gleichen Denomination im Fachbereich für germanische und nordische Studien der Geisteswissenschaftlichen Fakultät erhielt.[4] Im Wintersemester 2016/2017 war sie Alfred-Grosser-Gastprofessorin für Bürgergesellschaftsforschung der Stiftung Polytechnische Gesellschaft an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Ihre Forschungsgebiete sind die deutsche Geschichte seit 1945 sowie die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen und der europäische Integration. Ihre Forschung zu der Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen ist von dem Wunsch geprägt, über eine vergleichende Geschichte hinaus eine gemeinsame Geschichte zu schreiben, die die Verflechtungen und Wechselwirkungen zwischen den beiden Ländern berücksichtigt. In ihrem 2011 erschienenen Buch Deutsch-französische Geschichte 1963 bis in die Gegenwart. Im Zeichen der Europäischen Einigung[5] verfolgte sie den Ansatz der histoire croisée.
Einige ihrer Arbeiten, im Kontext der kollektiven Öffnung öffentlicher Archive entstanden, bewerten die Dynamik in den letzten Jahrzehnten des Kalten Krieges neu und überdenken die Errungenschaften bilateraler Verhandlungen und die Rolle Deutschlands in der europäischen Integration.[6][7][8] Ihre aktuelle Forschung konzentriert sich auf die Geschichte der Emotionen in den internationalen Beziehungen.[9]
Ihre Expertise über Politik und Gesellschaft in beiden Ländern sowie über die deutsch-französischen Beziehungen ist in deutschen und französischen Medien gefragt.
Bis 2018 war Miard-Delacroix Vorsitzende des Internationalen Beirats der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung[10] und bis 2020 stellvertretende Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats des Instituts für Zeitgeschichte.[11] Sie gehört zum Wissenschaftlichen Beirat im Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel.[12] Sie ist Mitglied der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien.[13] Seit 2020 ist sie Mitglied des Senats der Leibniz-Gemeinschaft.
Zur Anerkennung ihrer Verdienste um die nachhaltige Förderung der bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und ihrem Heimatland in der Wissenschaft und durch die Wissenschaft erhielt sie im Oktober 2022 den gemeinsam von der Fritz Thyssen Stiftung und der Alexander-von-Humboldt-Stiftung verliehenen Reimar Lüst-Preis.[14]
Preise und Auszeichnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ernennung zum Ritter der französischen Ehrenlegion (13. Juli 2023, Übergabe am 23. Januar 2024)[15]
- Trägerin des Bundesverdienstkreuzes am Bande
- Trägerin des Ordre des Palmes Académiques
- Maurice Baumont Preis der Académie des sciences morales et politiques (2012)
- Internationaler Forschungspreis der Max Weber Stiftung beim Historischen Kolleg (2017)[16]
- Reimar Lüst-Preis der Alexander-von-Humboldt-Stiftung (2022)[14]
Schriften (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Hrsg. mit Andreas Wirsching: Emotionen und internationale Beziehungen im Kalten Krieg (= Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien. Band 104), De Gruyter, Berlin 2020, ISBN 978-3-11-067954-0.
- mit Andreas Wirsching: Von Erbfeinden zu guten Nachbarn. Ein deutsch-französischer Dialog, Reclam, Stuttgart 2019.
- Willy Brandt. Life of a Statesman, I.B. Tauris, London, New York 2016.
- Willy Brandt, Fayard, Paris 2013.
- Hrsg. mit Reiner Marcowitz: 50 ans de relations franco-allemandes. Nouveau monde éditions, Paris 2013, ISBN 978-2-36583-351-6.
- Im Zeichen der europäischen Einigung. 1963 bis in die Gegenwart (= Deutsch-französische Geschichte. Band 11). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2011.
- Hrsg. mit Rainer Hudemann: Wandel und Integration. Deutsch-französische Annäherungen der Fünfziger Jahre – Mutations et intégration. Les rapprochements franco-allemands dans les années cinquante. Oldenbourg, München 2005.
- Question nationale et nationalisme. Perceptions françaises d’une problématique allemande au début des années cinquante. Septentrion, Lille-Villeneuve d’Ascq 2004.
- mit Alfred Grosser: Allemagne (= Dominos. Bd. 27). Flammarion, Paris 1994.
- Partenaires de choix ? Le Chancelier Helmut Schmidt et la France. Peter Lang, Berne/Paris/New York 1993.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Hélène Miard-Delacroix im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Hélène Miard-Delacroix auf der Website der Sorbonne
- Aktueller Lebenslauf und vollständiges Schriftenverzeichnis (PDF, 602 kB)
- Hélène Miard-Delacroix auf Academia.edu
- Tele-Akademie Sendung: Deutschland, Frankreich und der Aufbau Europas
- DRadio Wissen: Zeitgeschichte „Chronologie und Zäsuren I“ ( vom 13. Februar 2011 im Internet Archive)
- Gespräch mit den Nürnberger Nachrichten
- Eintracht, Effizienz, Exemplarität? Die deutsch-französischen Beziehungen auf dem Prüfstand
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Hélène Miard-Delacroix: Le chancelier Helmut Schmidt et la France, 1974–1982. Dissertation, Université Paris-Sorbonne 1989.
- ↑ Hélène Miard-Delacroix: La question nationale allemande et les relations politiques de la République fédérale d’Allemagne avec la France, 1949–1990. Habilitation à Diriger des Recherches, Université Paris-Sorbonne 2001.
- ↑ CV Hélène MIARD-DELACROIX, UFR d’Études germaniques et nordiques, Sorbonne Université, März 2022.
- ↑ MIARD-DELACROIX Hélène ( vom 24. Januar 2020 im Internet Archive), auf lettres.sorbonne-universite.fr.
- ↑ Hélène Miard-Delacroix: Im Zeichen der europäischen Einigung 1963 bis in die Gegenwart, auf sehepunkte.de.
- ↑ Tim Geiger, Jürgen Lillteicher, Hermann Wentker (Hrsg.): Zwei plus Vier, auf sehepunkte.org.
- ↑ Mitterrand, les années d'alternance, auf livre.fnac.com.
- ↑ The Environment and the European Public Sphere, auf whpress.co.uk.
- ↑ Emotionen und internationale Beziehungen im Kalten Krieg, auf degruyter.com.
- ↑ Gremien ( vom 28. Juni 2016 im Internet Archive), auf willy-brandt.de
- ↑ Wechsel an der Spitze des Beirats – IfZ-Gremium in neuer Besetzung, auf ifz-muenchen.de, abgerufen am 6. März 2021.
- ↑ Das Kuratorium und Wissenschaftliche Beirat, auf historia-europa.ep.eu.
- ↑ Vorstand & Mitglieder, auf kgparl.de, abgerufen am 6. März 2021.
- ↑ a b Reimar Lüst-Preise 2022: Herausragende Forschung zur deutsch-französischen Geschichte sowie in der Neuropsychologie ausgezeichnet, auf humboldt-foundation.de.
- ↑ JORF n° 0162 du 14 juillet 2023 - Légifrance. Abgerufen am 25. Januar 2024.
- ↑ Internationaler Forschungspreis für französische Deutschlandhistorikerin Miard-Delacroix. 6. Februar 2017, abgerufen am 9. Januar 2022.
Personendaten | |
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NAME | Miard-Delacroix, Hélène |
KURZBESCHREIBUNG | französische Geschichts- und Politikwissenschaftlerin |
GEBURTSDATUM | 5. November 1959 |