Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche

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Die Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche war eine 1878 entstandene lutherische Kirche altkonfessioneller Prägung.

Kleine Kreuzkirche in Hermannsburg

Hintergrund der Entstehung der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche war das im Zuge des Kulturkampfs erlassene Gesetz über die Eheschließung, das die Zivilehe obligatorisch machte und am 1. Januar 1876 in Kraft trat. Die Kirche behielt das Recht, Trauungen nach der alten Trauformel vorzunehmen. Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers änderte dennoch die Trauformel ohne Aufforderung des Staates, indem ihre Landessynode beschloss, dass eine kirchliche Trauung ausschließlich nach der standesamtlichen Eheschließung erfolgen kann. Trotz zahlreicher Petitionen, die alte Trauformel beizubehalten, wurde die neue eingeführt.

Alte Form Neue Form
Es sind allhier gegenwärtig
NN. und NN., welche sich in
den ehelichen Stand nach göttlichem
Willen zu begeben bedacht sind
Weil NN und NN sich untereinander
zur Ehe begehren, so spreche ich sie
ehelich zusammen im Namen des Vaters und
des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
oder
Wenn denn diese gegenwärtigen Personen
NN und NN einander zur Ehe begehren, so
spreche ich sie hiermit öffentlich vor
dieser christlichen Versammlung ehelich
zusammen. Was nun Gott zusammengefügt hat,
das soll der Mensch nicht scheiden. Amen
Es sind hier gegenwärtig NN und NN,
die ordentlicher Weise ihre Ehe
rechtsgültig geschlossen haben
und nun mehr im Namen des dreieinigen
Gottes sich wollen trauen lassen
NN, ich frage euch an Gottes Statt:
Wollt ihr gegenwärtige NN als Euer
eheliches Gemahl haben usw.
Weil denn diese gegenwärtige
Personen NN und NN einander zur Ehe
begehrt und allhier vor Gottes
Angesicht und vor dieser Gemeinde
sich als christliche Eheleute
bekannt, sich auch darauf die Hände
gegeben haben, so spreche ich als ein
verordneter Diener der Kirche sie zusammen

In der alten Form wird deutlich, dass Mann und Frau als Braut und Bräutigam vor den Altar treten und nicht schon als Eheleute wie in der neuen Form. Ebenso wird in der neuen Form nicht ehelich zusammengesprochen, sondern ausschließlich zusammengesprochen. Einer der Pfarrer, die sich gegen die neue Trauformel wandten, war Pfarrer Theodor Harms, Hermannsburg. Im Jahr 1878 wurde er von der Hannoverschen Kirchenbehörde suspendiert, weil er sich weigerte, die neue Trauformel zu gebrauchen. Neben ihm wurden zahlreiche andere Pfarrer amtsenthoben, so auch der Göttinger Superintendent Rudolf Rocholl. Nachdem die Pfarrer amtsenthoben wurden, traten auch zahlreiche Gemeindeglieder aus der Hannoverschen Landeskirche aus. Die ausgetretenen Pfarrer und die mit ihnen gegangenen Gemeinden schlossen sich am 30. April 1878 auf der Synode zu Hermannsburg zur Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche zusammen. Auf dieser Synode wurde die Lüneburger Kirchenordnung als Grundlage angenommen.

Die Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche schloss sich 1945 mit anderen lutherischen Kirchen zur (Alten) Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland zusammen, die wiederum 1972 Teil der heutigen Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) mit Sitz in Hannover wurde.

Auf der ersten Hermannsburger Synode wurde ein Synodalausschuss gewählt, der die Kirche leitete. An der Spitze stand ein Präses. Ihm zur Seite wurden zwei Pfarrer und zwei Laien gestellt. Diesem Gremium und der Synode oblag die Leitung der Kirche.

Die Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche verstand die Bibel als unfehlbares Wort Gottes und die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche als deren gültige und verbindliche Auslegung.

  • Geschichte der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche. Herausgegeben von dem Pastorenkonvent, Celle 1924