Hans Cory

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Hans Cory, OBE (* 18. März 1889 in Wien, Österreich-Ungarn, als Hans Koritschoner;24. April 1962 in Daressalam, Tanganjika) war ein autodidaktischer britischer Sozialanthropologe österreichischer Herkunft, Farmer und Autor mit besonderem Interesse an traditionellen Lebensformen ethnischer Gruppen im damaligen Tanganjika, heute ein Teil von Tansania. Über seine Kindheit und Jugend in Wien liegen nur spärliche Quellen vor, ebenso wie über den Lebensabschnitt vor dem Ersten Weltkrieg in Deutsch-Ostafrika.

Nachdem er den größten Teil seines Lebens in Tanganjika gelebt hatte, starb Cory im Alter von 73 Jahren in Daressalam. Seine Arbeiten aus den Jahren 1930 bis 1960 stellen wichtige frühe Studien zur Geschichte und Kultur in Tanganjika dar.

Hans Koritschoner war der Sohn des Arztes Samuel Robert Koritschoner und dessen Ehefrau Rebekka Amalia Koritschoner (geb. Goldschmidt). Er war mit Lillian Koritschoner (geb. Wolff) verheiratet und soll aus einer musikalischen Familie stammen. Dem britischen Musikethnologen Hugh Tracey zufolge, mit dem er durch seine Sammlung von Musik der Sukuma und Nyamwezi in Kontakt stand, veranlassten Freuds Schriften Koritschoner dazu, sich bei seinen ethnografischen Studien in Tanganjika mit psychischen Erkrankungen und afrikanischen Therapieformen durch rituelle Tänze oder traditionelle Medizin zu beschäftigen.[1][2]

Bereits vor dem Ersten Weltkrieg lebte Koritschoner im damaligen Deutsch-Ostafrika als Farmer in Morogoro-Russegwa.[3] Nach der deutschen Niederlage wurde Tanganjika britisches Mandatsgebiet, und Koritschoner wurde in einem britischen Lager für Kriegsgefangene in Palästina inhaftiert. 1926 kehrte er nach Tanganjika zurück, betrieb eine Farm für Sisal­anbau und sammelte Material für seine privaten Studien über traditionelle einheimische Lebensformen, die er bereits während des Krieges begonnen hatte.[1][4]

Studien und Veröffentlichungen

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Cory sprach sowohl die Verkehrssprache Suahili als auch mehrere lokale Sprachen des Landes und hatte ein besonderes Interesse an den kulturellen Traditionen verschiedener ethnischer Gruppen, die damals „Stämme“ genannt wurden. Als autodidaktischer Sozialanthropologe sammelte Cory durch jahrzehntelange teilnehmende Beobachtungen umfangreiche ethnografische Informationen. Auf dieser Grundlage veröffentlichte er seit den 1930er Jahren zahlreiche Artikel und Bücher in englischer Sprache in namhaften Verlagen, vor allem zu Themen wie traditionellem afrikanischen Gewohnheitsrecht, lokalen Bräuchen und Riten, Geheimbünden und Hexenglaube, Essgewohnheiten und einheimischer Medizin[5] sowie über traditionelle Musik und Initiationsriten.[2] Seine eigenen Gedichte auf Swahili, die zum Teil auch als Tonaufnahmen im South African Music Archive zugänglich sind, veröffentlichte er 1950 in einem Band mit Illustrationen seiner Tochter.[6][7]

Basierend auf Kopien von Wandmalereien aus Initiationsriten der „Snake charmer societies“ der Sukuma und Nyamwezi veröffentlichte Cory 1953 seine Sammlung von, wie er es nannte, „primitiven“ Gemälden und seine Kommentare zu ihrem Entstehungskontext, in dem Novizen die mündlich überlieferte Geschichte dieser Gesellschaften vermittelt wurde.[8] In einer Rezension zu dieser Studie wurde Cory wie folgt zitiert:[9]

„Diese Wandmalereien können zumindest ein wenig dazu beitragen, das Problem der besseren Verständigung zwischen Europäern und Afrikanern anzugehen. Sie zeigen, dass der Afrikaner künstlerische Fähigkeiten entwickelt, die vielleicht noch keine großen technischen Fähigkeiten aufweisen, die aber bereits ausreichend entwickelt sind, um die Existenz von vielleicht nicht auffallenden Höhen der Kunstfertigkeit, aber auf jeden Fall beträchtliche Tiefe intellektueller Durchdringung zu bezeugen.“

Hans Cory: Wall-paintings by snake charmers in Tanganyika. London 1953

Von etwa 1930 bis 1950 sammelte Cory etwa 1000 ungebrannte Tonfiguren verschiedener Ethnien, die für Initiationsriten verwendet wurden, wobei diese meist als Kopien der originalen Stücke eigens für ihn angefertigt wurden,[10] und veröffentlichte mehrere Arbeiten zu diesem Thema. Sein 1956 in London erschienenes Werk African figurines: their ceremonial use in puberty rites in Tanganyika[11] ist diesen Tonfiguren und ihrer rituellen Funktion gewidmet. Einige dieser Stücke wurden 1994 im Katalog zur Ausstellung Tanzania – Meisterwerke afrikanischer Skulptur in einer kunsthistorischen Studie auf Deutsch und Swahili veröffentlicht.[12] Laut der Ethnologin Elisabeth Grohs, die in den 1960er Jahren ebenfalls Initiationsriten und Tonfiguren in Tansania untersuchte, schenkte Cory die meisten dieser Figuren später dem Nationalmuseum in Daressalam.[13]

Als „government sociologist führte Cory weiterhin ein Projekt für die britische Kolonialverwaltung zur Sammlung und Kodifizierung des Gewohnheitsrechts ethnischer Gruppen in Tanganjika durch, zum Beispiel der Sukuma, Nyamwezi, Haya oder Wagogo, und veröffentlichte die Ergebnisse anschließend auf Swahili für die Kolonialverwaltung. Auch nach der Unabhängigkeit des Landes Ende 1961 wurden diese Initiativen fortgesetzt, um traditionelles afrikanisches Recht in die neue nationale Rechtsordnung zu übertragen. Corys unveröffentlichte Arbeiten befinden sich heute in der Bibliothek der Universität Daressalam und stellen ebenso wie seine Veröffentlichungen wichtige frühe Studien zur Geschichte und Kultur in Tanganyika dar.[14][15]

Nach 1950 lebte Cory in Mwanza am Viktoriasee, und seine letzte Veröffentlichung ist der Geschichte des angrenzenden Bukoba-Distrikts gewidmet. Für seine Verdienste um die Kultur des Landes wurde er als Officer of the Order of the British Empire (OBE) ausgezeichnet.[1]

Literarische Rezeption

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In Ernest Hemingways Reisebericht über seine Safari im Jahr 1934 in Tanganjika, Green Hills of Africa, erzählt Hemingway von einer Begegnung mit dem österreichischen Farmer „Kandisky“, der ihm sein Wissen über die lokalen Kulturen vermittelte und der im wirklichen Leben kein anderer als Hans Cory war.[16]

Ausgewählte Veröffentlichungen

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als Hans Koritschoner:

  • Ngoma Ya Sheitani. An East African Native Treatment for Psychical Disorder, The Journal of the Royal Anthropological Institute of Great Britain and Ireland, 66, 1936.
  • Some East African Native Songs. Tanganyika Notes and Records 4: 51–64, 1937.

als Hans Cory:

Einzelnachweise

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  1. a b c Hugh Tracey: Obituary: Hans Cory, O.B.E. 1889–1962. In: African Music: Journal of the African Music Society. 3. Jahrgang, Nr. 1, 1962, doi:10.21504/amj.v3i1.742 (englisch, ru.ac.za).
  2. a b Hans Koritschoner: Ngoma Ya Sheitani. An East African Native Treatment for Psychical Disorder. In: The Journal of the Royal Anthropological Institute of Great Britain and Ireland. Nr. 66, 1936, ISSN 0307-3114, S. 209–219, doi:10.2307/2844124, JSTOR:2844124 (englisch).
  3. Hans Cory. In: geni_family_tree. Abgerufen am 30. Juli 2019 (englisch).
  4. In der Einleitung zu African Figurines (1956) beschrieb er, wie er begann, sich für solche Figuren verschiedener ethnischer Gruppen zu interessieren, da er die freie Zeit während des Krieges nutzte, um von afrikanischen Soldaten verschiedener Stämme mehr über Initiationsriten zu erfahren. S. 20–21
  5. Hans Cory: “The Ingredients of Magic Medicines.” Africa: Journal of the International African Institute 19, no. 1 (1949): 13–32, doi:10.2307/1156261.
  6. Für Tonaufnahmen aus den 1950er Jahren las er eigene Gedichte in Suahili mit markantem deutschem Akzent. Hans Cory, South African Music Archive Project. In: samap.ukzn.ac.za. Abgerufen am 30. Juli 2019 (englisch).
  7. Hans Cory: Sikilizeni: Mashairi. Eagle Press, Nairobi 1950 (worldcat.org [abgerufen am 24. März 2022]).
  8. W. B.: Review of Wall-Paintings by Snake Charmers in Tanganyika. In: Anthropos. Band 49, Nr. 3/4, 1954, ISSN 0257-9774, S. 782–782, JSTOR:40451001.
  9. Harold K. Schneider: Review of Wall Paintings by Snake Charmers in Tanganyika. In: Midwest Folklore. Band 3, Nr. 3, 1953, ISSN 0544-0750, S. 187–189, JSTOR:4317408.
  10. "The pieces in my collection are not all of the size originally used during the ceremonies. [. . .] Some of the Nguu figurines are smaller than those which would be prepared for us in a hut, simply because of the difficulty of transporting large objects. I had to ask my friends to make figures of portable size because of packing problems and bad road conditions." (Cory 1956, S. 23)
  11. Hans Cory: African figurines : their ceremonial use in puberty rites in Tanganyika. --. London : Faber and Faber, 1956 (archive.org [abgerufen am 24. März 2022]).
  12. Georges Meurant, Ton- und Holzskulpturen aus Nordost-Tansania. In Jens Jahn (Hrsg.) Tanzania – Meisterwerke afrikanischer Skulptur. München: Fred Jahn, 1994, S. 154–166. ISBN 978-3-88645-118-0
  13. E. Grohs: Tanzania oder die längst fällige Aufwertung der künstlerischen Tradition dieses Landes. Anthropos, 90(4/6), S. 567–574, JSTOR:40463202.
  14. Norman N. Miller: Tanzania: Documentation in Political Anthropology – The Hans Cory Collection. In: African Studies Bulletin. 11. Jahrgang, 1968, S. 195–213, doi:10.2307/522924 (englisch): “Hans Cory produced a collection of papers and monographs in the general field of political anthropology that rank as an important primary research source concerning that nation. The documentation, as do Cory's published writings, reflect the diverse interests of the author and the many sides of his character. The son of a Viennese musical family, his early interests were in African songs and dances, in composing Swahili poetry, and in collecting African drawings and figurines.”
  15. Sippel, Harald. “Die Bedeutung Afrikanischen Gewohnheitsrechts Im Nationalstaat: Entwicklungen in Tanzania Und Südafrika.” Africa Spectrum, vol. 33, no. 1, Institute of African Affairs at GIGA, Hamburg/Germany, 1998, S. 39–56, http://www.jstor.org/stable/40174763.
  16. Martin Walsh: Bad Swahili and pidgin Swahili in Hemingway. In: East African Notes and Records blog. 1. Januar 2010 (academia.edu [abgerufen am 22. März 2022]): „In his family history, written in 1956, Hans Cory referred to his encounter with the Hemingways and his appearance in Green Hills of Africa: ‘I am Kandinsky [sic], and though the conversation did not take place exactly as quoted, the events happened as described, and the breakdown of my lorry, etc. is true. Hemingway and his wife were very kind to me. I was their guest for three days, and we had many amusing and interesting conversations.’“
  17. Harold K. Schneider: Review of Wall Paintings by Snake Charmers in Tanganyika. In: Midwest Folklore. Band 3, Nr. 3, 1953, ISSN 0544-0750, S. 187–189, JSTOR:4317408.