Hans Loew (Grafiker)
Hans Gabriel Loew (* 14. Juni 1919 in Klausenburg; † 27. Februar 2016 in Bad Krozingen) war ein rumäniendeutscher Kunstlehrer, Grafiker und Maler.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hans Loew wurde 1919 als Sohn des Farbengroßhändlers Rudolf Loew und dessen aus einer jüdischen Familie in Berlin stammenden Frau, Ilse Herzberg, Schwester des Grafikers und Karikaturisten Walter Herzberg, in der damals zu Ungarn gehörenden Stadt Klausenburg (ungar. Kolozsvár) in Siebenbürgen geboren. Nach dem Abitur, das Loew an einem Gymnasium in Klausenburg ablegte, folgte 1938/1939 ein etwa einjähriger Studienaufenthalt in Paris. Hans Loew besuchte Vorlesungen am Collège de France bei Paul Valéry und belegte Kurse an der École libre „Albert Simon“, die ihm und seiner Studentengruppe Besuche u. a. bei Georges Braque, Pablo Picasso und Henri Matisse ermöglichte.[1]
Unter dem Eindruck der politischen Verhältnisse und des drohenden Krieges kehrte Hans Loew 1939 nach Klausenburg zurück, das 1920 durch den Friedensvertrag von Trianon an Rumänien gefallen war. Nachdem das rumänische Cluj und weite Teile des nördlichen Siebenbürgen durch den Zweiten Wiener Schiedsspruch erneut Ungarn angegliedert worden waren, wurde Hans Loew 1940 zur Ableistung seiner Wehrpflicht in die ungarische Armee eingezogen und nahm bis 1944 in einer Flakartillerie-Abteilung der ungarischen 2. Armee am Deutsch-Sowjetischen Krieg teil. Loews Kriegstrauma wurde durch den Umstand verstärkt, dass er, der in der Terminologie der NS-Rassenideologie als „Halbjude“ galt, bis zuletzt davon bedroht war, bei seinen ungarischen bzw. deutschen militärischen Vorgesetzten gemeldet und schließlich in den Verfolgungs- und Vernichtungsprozess gegen die ungarischen Juden einbezogen zu werden. Spätestens mit der deutschen Besetzung Ungarns 1944 hatten die Isolierungs- und Deportationsmaßnahmen auch in Loews Heimatstadt Klausenburg begonnen. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits Loews Großmutter mütterlicherseits, Rose Herzberg, geb. Landsberg (1943), sein Onkel Walter Herzberg, dessen Frau Edith, geb. Wunderlich (beide 1943), und weitere Berliner Verwandte im KZ Theresienstadt und im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet worden.[2]
1945–1947 studierte Hans Loew Kunstgeschichte (Lehramt) in Klausenburg; Bekanntschaft mit dem Komponisten György Ligeti, der Loews Schwester Brigitte 1943 in Klausenburg kennengelernt hatte und von 1949 bis 1952 mit ihr verheiratet war.[3] Loew blieb in seiner seit 1947 wieder zu Rumänien gehörenden Geburtsstadt und arbeitete als Kunstlehrer, Bibliothekar und Publizist,[4] bevor er 1972 nach Freiburg im Breisgau übersiedelte und dort bis zu seiner Pensionierung 1983 als Kunstlehrer an einem Gymnasium arbeitete. Hans Loew starb am 27. Februar 2016 im Alter von 96 Jahren und wurde in Freiburg beigesetzt.
Werk
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Um 1980 begann Hans Loew, sich in ersten Serien von Linol- und Holzschnitten als freier Künstler zu profilieren. 1984 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern im Kunstverein Gundelfingen, dem er einige Jahre vorstand. Anfänglich an Formen und Strukturen der Natur und Landschaft interessiert, widmete sich Loew in den Folgejahren zunächst der Illustration literarischer Texte, u. a. von Samuel Beckett und Thomas Bernhard. Seit 1991 entstand in einer intensiven grafischen Auseinandersetzung mit den mittelalterlichen, plastischen Apostel- und Propheten-Darstellungen der Ostchorschranke im Bamberger Dom Loews zentrale Werkserie „Ode an Bamberg“, insbesondere über die biblisch-menschliche Gestalt des Propheten Jona, die im Rahmen von Einzelausstellungen und Retrospektiven 1998 und 1999 vom Diözesanmuseum Bamberg und Regensburg[5] und unter dem Titel „Prophet Jona“ 2002 in der Neuen Synagoge Freiburg bzw. „Jona-Zyklus und disputierende Propheten“ 2003 in der „CityKirche“, Wuppertal Elberfeld gezeigt wurde.[6] Bei der Eröffnung der Wuppertaler Ausstellung sprach Hans Loew rückblickend über diese, seine künstlerisches Schaffen prägende Beschäftigung mit der biblischen Jona-Erzählung und der Jona-Skulptur unter den disputierenden Propheten im Bamberger Dom.
Nach Abschluss seiner druckgrafischen „Ode an Bamberg“ betätigte sich Loew verstärkt als Zeichner: mit Kugelschreiber und Tuschfeder entstanden u. a. Zeichnungen nach Texten von Marguerite Duras und Manfred Riedel. In einer letzten, von der Malerei Serge Poliakoffs inspirierten Werkphase widmete er sich nach 2007 der Farbe und erweiterte als Maler sein bisheriges, monochromes, von Schwarzdrucken geprägtes Werk um experimentelle Arbeiten mit Pastellölkreide.[7]
Einen Großteil seines druckgrafischen Werkes hat Loew 1998/2008 dem Bamberger Diözesanmuseum überlassen. Zugleich war es sein Anliegen, den privat überlieferten Nachlass seines Onkels Walter Herzberg zu sichern, den er 2015 dem Jüdischen Museum Berlin vermachte, um die Lebensgeschichte der Familie Herzberg als Opfer des Holocaust nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.[8]
Im Sommer 2016 veranstalteten Freunde und Weggefährten des Künstlers in der „Galerie im Bonifatiusturm“, Röthenbach an der Pegnitz, die posthume Ausstellung „Hans Loew – Nachbild“; hierzu entstand auch der Katalog „Hans Loew. Begegnungen“ mit Bildern und Texten als Hommage im Privatdruck.
Werke (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Druckgrafik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Nach György Ligeti „Lontano“ – Zu György Ligetis Geburtstag, Linolschnitt 1979
- Naturelemente, Linolschnitte, 1980/81
- Nach Samuel Beckett: „Warten auf Godot“, Holzschnitte und Zeichnungen (Studien), 1986–1990
- Ode an Bamberg: Propheten, Jona, Holzschnitte und Zeichnungen (Studien) 1991–1998
Zeichnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Zu Thomas Bernhards Erzählung „Gehen“ und zum Bühnenstück „Einfach kompliziert“, 1994/95
- Nach Manfred Riedel: „Krug, Glas und frühe Begegnung. Zum Auftakt von Blochs Philosophie“, 1997
- Frau Welt und ihre Wächter, 1998
- Meditatives, 2000
- Nach Marguerite Duras: „Vize-Konsul“ und „Nathalie Granger“, 1998–2000
Malerei
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Hab‘ Poliakoff gesehen I-X, Pastellölkreide, 2007
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Hans Loew: Jona. Bekenntnisse. Katalog zur Ausstellung vom 30.10. bis 13.11.1996 in Röthenbach. Röthenbach 1996.
- Hans Loew: Jona. Fisch. Gefäße. Katalog zur Ausstellung vom 24.6. bis 1.7.1997 in Eichstätt. Röthenbach 1997.
- Schieb, Barbara (Hrsg.): Walter Herzberg. Künstler, Karikaturist, Humanist 1898–1943. Hamburg 1998, darin: Hans Loew: Walter Herzberg – Ein Leben der Linie gewidmet, S. 23–31. ISBN 3-933374-14-6.
- Göller, Luitgar (Hrsg.): Hans Loew. Ode an Bamberg. Entwürfe, Druckstöcke, Drucke. 18. September bis 15. Oktober 1998. Bamberg, Hauptabteilung Kunst und Kultur, Erzbischöfliches Ordinariat Bamberg (= Veröffentlichungen des Erzbischöflichen Ordinariats, Abteilung Kunst und Kultur, Band 5) 1998, ISBN 3-9804772-7-4.
- Angerer, Wolfgang; Degen, Eva-Maria (Hrsg.): Begegnung mit Hans Loew. Festschrift zur Retrospektive der Graphiken Hans Loews von 1978–1999 im Diözesanmuseum zu Regensburg vom 16.4. bis 30.5.1999. Regensburg, Diözesanmuseum Regensburg 1999.
- Göller, Luitgar (Hrsg.): Hans Loew. Wege. (Katalog und Werkverzeichnis). Bamberg, Hauptabteilung Kunst und Kultur, Erzbischöfliches Ordinariat Bamberg (= Veröffentlichungen des Diözesanmuseums Bamberg, Band 18) 2008, ISBN 978-3-931432-17-1.
- Degen, Eva-Maria / Angerer, Wolfgang (Hrsg.): Hans Loew. Begegnungen. Nürnberg, Röthenbach an der Pegnitz 2016.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Hans Loew im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Erzbistum Bamberg: Schicksalhafte Begegnungen in Kunst umgesetzt, zur Ausstellung im Diözesanmuseum Bamberg, 2008.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Vgl.: Hans Loew: Leben mit und in Bildern (Künstlerische Autobiographie), in: Luitgar Göller (Hrsg.): Hans Loew. Wege. Bamberg, Hauptabteilung Kunst und Kultur Erzbischöfliches Ordinariat Bamberg 2008, S. 99–102.
- ↑ Vgl.: Schieb, Barbara (Hrsg.): Walter Herzberg. Künstler, Karikaturist, Humanist 1898–1943, Hamburg 1998, S. 18 f.
- ↑ Vgl. Richard Steinitz: György Ligeti. Music of the Imagination. London 2003; zu Brigitte Löw im Folgenden hier.
- ↑ Hans Loews kunsthistorische Artikel wurden u. a. in den in Cluj erscheinenden, ungarischsprachigen Kulturzeitschriften Utunk und Korunk in den Jahren 1957–1971 abgedruckt.
- ↑ Vgl. Luitgar Göller (Hrsg.): Hans Loew. Ode an Bamberg. Entwürfe, Druckstöcke, Drucke. 18. September bis 15. Oktober 1998. Bamberg, Hauptabteilung Kunst und Kultur, Erzbischöfliches Ordinariat Bamberg (= Veröffentlichungen des Erzbischöflichen Ordinariats, Abteilung Kunst und Kultur, Band 5) 1998; Angerer, Wolfgang (Hrsg.): Begegnung mit Hans Loew. Festschrift zur Retrospektive der Graphiken Hans Loews von 1978–1999 im Diözesanmuseum zu Regensburg vom 16.4. bis 30.5.1999. Regensburg, Eigenverlag Diözesanmuseum Regensburg 1999.
- ↑ Die Ausstellung in Wuppertal wurde von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Wuppertal e.V. organisiert und fand zwischen dem 24. April und 25. Mai 2003 statt.
- ↑ Vgl. Marion Tietz-Strödel: „Hab' Poliakoff gesehen“. Gedanken zu einer neuen Werkserie von Hans Loew, in: Luitgar Göller (Hrsg.): Hans Loew. Wege. (Katalog und Werkverzeichnis). Bamberg, Hauptabteilung Kunst und Kultur, Erzbischöfliches Ordinariat Bamberg (= Veröffentlichungen des Diözesanmuseums Bamberg, Band 18) 2008, S. 46–51.
- ↑ Vgl.: Schieb, Barbara (Hrsg.): Walter Herzberg. Künstler, Karikaturist, Humanist 1898–1943, Hamburg 1998; darin: Hans Loew: Walter Herzberg – Ein Leben der Linie gewidmet, S. 23–31.
Personendaten | |
---|---|
NAME | Loew, Hans |
ALTERNATIVNAMEN | Loew, Hans Gabriel (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | rumäniendeutscher Kunstlehrer, Grafiker und Maler |
GEBURTSDATUM | 14. Juni 1919 |
GEBURTSORT | Klausenburg |
STERBEDATUM | 27. Februar 2016 |
STERBEORT | Bad Krozingen |