Heinrich Lüders (Orientalist)
Heinrich Lüders (* 25. Juni 1869 in Lübeck; † 7. Mai 1943 in Badenweiler) war ein deutscher Orientalist und Indologe.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Heinrich Lüders wuchs als Sohn von Friedrich und Hedwig Lüders (geb. Heym) in Lübeck auf, wo er Ostern 1888 das Katharineum mit dem Reifezeugnis verließ[1], um Germanistik an der Universität München und später Indologie an der Universität Göttingen zu studieren. Er wurde 1894[2] unter Franz Kielhorn mit einer Dissertation über die vyāsaśikṣā promoviert.
Von 1895 bis 1899 war Lüders am Indischen Institut der Universität Oxford tätig und lernte dort Max Müller kennen, dessen Beiträge zur Mythologie er aus dem Englischen übersetzte. 1898 verlieh ihm die Universität Göttingen die Lehrbefugnis als Privatdozent. Im selben Jahr habilitierte er sich mit einer Schrift Über die Grantharecension des Mahābhārata. Die Universität Rostock berief Lüders im Jahre 1903 zum außerordentlichen Professor. 1905 bis 1908 hatte er dann als ordentlicher Professor den Lehrstuhl für indische Philologie in Rostock inne. 1908 wechselte er in gleicher Eigenschaft auf eine Professur an der Universität Kiel, wo er allerdings nur ein halbes Jahr wirkte.
Lüders erhielt 1909 einen Ruf an die Universität Berlin, wo er mehr als drei Jahrzehnte als Lehrstuhlinhaber für altindische Sprache und Literatur wirkte. Im Ersten Weltkrieg trat Lüders für weitreichende territoriale Annexionen und gegen einen Verständigungsfrieden ein. Nach dem Krieg schloss er sich der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) an[3] 1927/28 unternahm er zusammen mit seiner Frau eine Studien- und Vortragsreise nach Indien. 1931/32 war er Rektor der Berliner Universität. Zu seinen namhaften Schülern in Berlin gehörten u. a. der Indologe Heinrich Zimmer[4] sowie der Indologe und spätere Bibliothekar der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft Wilhelm Printz[5].
Er wurde 1935 emeritiert und widmete sich hauptsächlich der Forschung, da ihm die Lehre aus politischen Gründen verwehrt wurde. Als sein Nachfolger wurde Bernhard Breloer berufen.
Lüders war verheiratet mit der Indologin Else Lüders (1880–1945).
1943 starb Lüders in einem Sanatorium in Badenweiler und wurde im kleinen Kreis seiner Familie in Freiburg eingeäschert[6]; eine Gedenkstätte findet sich auf dem Waldfriedhof Berlin-Dahlem.
Wissenschaftliche Arbeit und Wirkung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Den Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeit Heinrich Lüders' bildete die Erschließung der in Pali und Sanskrit verfassten buddhistischen Literatur, basierend auf einem reichhaltigen Fundus alt-buddhistischer Erzählungen (Jakarta). Als ergänzenden Bestandteil seiner Textanalysen nutzte er die 'Sprache der Denkmäler', wodurch sich direkte Bezugspunkte zur indischen Archäologie ergaben.
Nach seiner Berufung an die Berliner Universität wirkte Lüders maßgeblich an der Auswertung der handschriftlichen Funde der "Turfan-Expeditionen" mit, die unter der Leitung von Albert Grünwedel und Albert von Le Coq in das Staatliche Museum für Völkerkunde gebracht worden waren.
Zu seinen besonderen Leistungen zählen darüber hinaus die Ergebnisse zur Sprachforschung mit Hilfe indischer Kriegsgefangener und die Abschrift alter indischer Handschriften.
Seine umfangreichen wissenschaftlichen Arbeiten hat Heinrich Lüders in vielen Veröffentlichungen dokumentiert. Die von ihm begonnenen Arbeiten an den Turfan-Handschriften wurden von seiner Ehefrau bis zu ihrem Tode fortgeführt.
Lüders' Wirken verdankt die Epigraphik unzählige wissenschaftliche Beiträge. Posthum erschienen zwei bedeutende Werke zu den Mathurā (1961) und den Bhārhut (1963) Inschriften.
Mitgliedschaften und Ehrungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1907 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften gewählt.[7] Am 15. Juli 1909 wurde Lüders zum ordentlichen Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften berufen. 1915 wurde er Teil der „Königlich Preußischen Phonographischen Kommission“, deren Ziel es war, die etwa 250 Sprachen, die unter den Internierten der deutschen Kriegsgefangenenlager gesprochen wurden, zu erfassen.[8] 1920 bis 1938 hatte er innerhalb der Akademie die Funktion des Sekretärs der Philosophisch-historischen Klasse inne. Seit 1922 war Lüders stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. Im Dezember 1924 wurde er als korrespondierendes Mitglied in die Russische Akademie der Wissenschaften aufgenommen.[9]
Lüders wurde 1924 Ritter des Ordens Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste. 1931 wurde er des Ordens Vizekanzler. 1932 erhielt er die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft. Seit 1919 war Lüders Ehrenmitglied der Universität Rostock, seit 1928 Ehrenmitglied des Kern-Institutes in Leiden und seit 1931 Ehrenmitglied der Société asiatique in Paris. Im Jahre 1931 wurde er außerdem Ehrenmitglied der American Oriental Society und 1932 Ehrenmitglied der Royal Asiatic Society in London. 1941 wurde er Ehrenmitglied der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft.
Publikationen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Philologica Indica. Ausgewählte kleine Schriften von Heinrich Lüders. Festgabe zum siebzigsten Geburtstage am 25. Juni 1939 dargebracht von Kollegen, Freunden und Schülern. Göttingen 1940.
- Mathura inscriptions. Unpubl. papers ed. by Klaus L. Janert. Göttingen 1961. Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philol.-hist. Klasse 3. Folge.
- Beobachtungen über die Sprache des buddhistischen Urkanons. Aus d. Nachlass hrsg. von Ernst Waldschmidt. Berlin 1954. Abhandlungen der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Klasse für Sprachen, Literatur und Kunst.
- Kleine Schriften. Hrsg. von Oskar Hinüber (= Glasenapp-Stiftung, Bd. 7). Steiner, Wiesbaden 1973.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Friedrich Wilhelm: Lüders, Heinrich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 15, Duncker & Humblot, Berlin 1987, ISBN 3-428-00196-6, S. 453 f. (Digitalisat).
- Ernst Waldschmidt: Heinrich Lüders. In: Forschungen und Fortschritte. Nachrichtenblatt der Deutschen Wissenschaft und Technik, Organ des Reichsforschungsrates. Jg. 19, Nr. 23/24. Leipzig 1943, S. 250–252.
- Ludwig Alsdorf: Die Indologie in Berlin von 1821-1945. In: H. Leussink, E. Neumann, G. Kotowski (Hrsg.): Studium Berolinense. Aufsätze und Beiträge zu Problemen der Wissenschaft und der Geschichte der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Berlin 1960, S. 567–580 (Gedenkschrift der Westdeutschen Rektorenkonferenz und der Freien Universität Berlin zur 150. Wiederkehr des Gründungsjahres der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin).
Auch in:
- Albrecht Wezler (Hrsg.): Ludwig Alsdorf. Kleine Schriften. Franz Steiner Verlag, Wiesbaden 1974, S. 723–736 (auszugsweise online am ehemaligen Institut für die Sprachen und Kulturen Südasiens am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin [abgerufen am 17. September 2015]).
- Heinrich Lüders. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Band 97, S. 157 f.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Heinrich Lüders im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und über Heinrich Lüders in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Literatur über Heinrich Lüders in der Landesbibliographie MV
- Eintrag zu Heinrich Lüders im Catalogus Professorum Rostochiensium
- Schriften von Heinrich Lüders auf CrossAsia-Repository online frei zugänglich
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Hermann Genzken: Die Abiturienten des Katharineums zu Lübeck (Gymnasium und Realgymnasium) von Ostern 1807 bis 1907. Borchers, Lübeck 1907. (Beilage zum Schulprogramm 1907), Nr. 900.
- ↑ Widersprüchliche Angaben, 1894 lt. Waldschmidt und 1895 lt. Wilhelm.
- ↑ Michael Grüttner u. a., Die Berliner Universität zwischen den Weltkriegen 1918–1945, Berlin 2012 (Geschichte der Universität Unter den Linden, Bd. 2), S. 21 ff. und146.
- ↑ Siehe z. B. Heinrich Zimmer: Notizen zu einem Lebenslauf [1943]. – In: Merkur, Jahrgang VII (1953), Heft 1. Im Projekt Gutenberg (digitalisiert nach der Wiederveröffentlichung in Zimmer: Die indische Weltmutter, 1980): Notizen zu einem Lebenslauf
- ↑ Siehe Andreas Pohlus: Vorordnung der Indologen-Nachlässe der Bibliothek der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (uni-halle.de), S. 27ff.
- ↑ Waldschmidt 1943, 250.
- ↑ Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 156.
- ↑ Jürgen-K. Mahrenholz: Südasiatische Sprach- und Musikaufnahmen im Lautarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin. In: MIDA Archival Reflexicon. 2020, S. 3 (projekt-mida.de).
- ↑ Ausländische Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften seit 1724. Heinrich Lüders. Russische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 2. Oktober 2015 (russisch).
Personendaten | |
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NAME | Lüders, Heinrich |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Orientalist und Indologe |
GEBURTSDATUM | 25. Juni 1869 |
GEBURTSORT | Lübeck, Provinz Schleswig-Holstein, Königreich Preußen |
STERBEDATUM | 7. Mai 1943 |
STERBEORT | Badenweiler, Baden, Deutsches Reich |
- Indogermanist
- Orientalist
- Indologe
- Linguist
- Sprachwissenschaftler
- Hochschullehrer (Georg-August-Universität Göttingen)
- Hochschullehrer (Universität Rostock)
- Hochschullehrer (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel)
- Rektor (Humboldt-Universität zu Berlin)
- Träger des Pour le Mérite (Friedensklasse)
- Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften
- Korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften
- Mitglied der Niedersächsischen Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
- Mitglied der Société asiatique
- Deutscher
- Geboren 1869
- Gestorben 1943
- Mann