Heiratssatz

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Der Heiratssatz, oder auch Satz von Hall, benannt nach Philip Hall, ist ein mathematischer Satz aus der Kombinatorik bzw. aus der Theorie der endlichen Mengen aus dem Jahre 1935.[1] Er gilt als Ausgangspunkt der Matching-Theorie in der Graphentheorie.[2]

Problemstellung

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, , und ist eine mögliche Auswahl.
Die Mengen verletzen die Hall-Bedingungen, da deren Vereinigung nur 2 Elemente enthält.

Gegeben seien eine natürliche Zahl , eine endliche Menge und endlich viele Teilmengen von , die nicht notwendigerweise alle verschieden sein müssen. Dann ist die Frage:

Gibt es ein „Vertretersystem“ (englisch system of distinct representatives), also Elemente   derart, dass die alle verschieden sind?

Oder anders formuliert:

Gegeben seien eine endliche Indexmenge und dazu eine Familie endlicher Mengen. Dann ist die Frage:

Existiert für eine „injektive Auswahlfunktion

,

so dass für alle gilt?

Folgende Interpretation führte zum weitverbreiteten Begriff Heiratssatz:[3]

Gegeben seien eine endliche Menge heiratswilliger Frauen und dazu eine endliche Menge von mit diesen Frauen befreundeten Männern. Für jede Frau sei die Menge der mit befreundeten Männer.

Dann ist die Frage:

Lassen sich die Frauen mit den Männern so verheiraten, dass jede Frau einen der mit ihr befreundeten Männer heiratet, ohne dass die Monogamieregel verletzt wird?[2] Eine Veranschaulichung des Heiratssatzes findet sich in dem Beitrag von Konrad Jacobs in den Selecta Mathematica I.[4]

Notwendige Bedingung

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Eine solche Heirat verlangt, dass jede Frau einen Mann zur Heirat auswählt, ohne dass dabei zwei Frauen denselben Mann heiraten. Dies muss nicht nur für die Gesamtheit der Frauen gelten, sondern auch für jede beliebige Teilmenge. Es ist also offensichtlich notwendig, dass je Frauen immer mit mindestens Männern befreundet sind.[5]

Dies bedeutet: Für jede Teilmenge muss es in der Vereinigungsmenge immer mindestens Elemente geben.[6]

Zur Existenz einer Auswahl der verlangten Art erhalten wir exakt die folgende notwendige Bedingung, die man auch die Hall-Bedingung oder hallsche Bedingung (englisch Hall’s condition) nennt:

Für jede Teilmenge ist .

Der Heiratssatz sagt nun aus, dass die Hall-Bedingung für die Existenz einer Auswahl nicht nur notwendig, sondern auch hinreichend ist:

Es seien und wie oben beschrieben. Dann sind folgende Aussagen äquivalent:

  • Es existiert für eine injektive Auswahlfunktion
.
  • Die Hall-Bedingung ist erfüllt.

Beweise und verwandte Sätze

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Ein direkter Beweis kann mittels Induktion über die Anzahl der Mengen geführt werden. Ein solcher Beweis findet sich in den Proofs from THE BOOK von Martin Aigner und Günter Ziegler.[2] Der Satz lässt sich ebenfalls direkt auf den Satz von Dilworth zurückführen. Wie sich zeigt, lassen sich der Heiratssatz, der Satz von Dilworth und der Satz von König leicht gegenseitig auseinander herleiten.[7]

Graphentheoretische Darstellung

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Die blauen Kanten bilden ein Matching, in dem alle Knoten aus A vorkommen.

Der Heiratssatz von Hall lässt sich wie folgt graphentheoretisch darstellen. Es sei ein bipartiter Graph mit Bipartition . Ein Matching ist eine Menge von verschiedenen Kanten, die keine Knoten des Graphen gemeinsam haben. Für eine Teilmenge sei die Menge aller zu benachbarten Punkte, die wegen der Bipartitheit notwendigerweise eine Teilmenge von sind. Die Frage nach einem Matching, in dem alle Knoten vorkommen, ist die Frage nach einer Auswahl von paarweise verschiedenen Knoten für alle . Der Heiratssatz lautet in diesem Kontext:[8]

Für einen bipartiten Graphen mit Bipartition sind folgende Aussagen äquivalent:

  • Es gibt ein Matching, in dem jeder Knoten aus vorkommt.
  • Für alle Teilmengen gilt .
  • Es existiert eine injektive Funktion mit Definitionsbereich (welche eine mögliche injektive Auswahlfunktion wie in Kapitel Problemstellung beschrieben ist).

Ob ein derartiges Matching existiert, lässt sich mithilfe des Modells des Netzflusses beantworten.

Verallgemeinerungen

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In der Literatur zum Heiratssatz findet sich eine große Anzahl von Verallgemeinerungen und Erweiterungen unter verschiedenen Maßgaben:

Verallgemeinerung nach Philip A. Ostrand

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Diese Verallgemeinerung (Satz von Ostrand) verschärft den Heiratssatz in der Weise, dass hier eine untere Schranke zur Abschätzung der Anzahl der Vertretersysteme angegeben wird, mit der sich der Heiratssatz unmittelbar ergibt:[9][5][10]

Gegeben seien eine natürliche Zahl und dazu eine endliche Familie endlicher Mengen. Diese sei in folgendem Sinne aufsteigend angeordnet:

Die Anzahl der Vertretersysteme von werde mit bezeichnet.[11]

Dann gilt:

Erfüllt die Hall-Bedingung, so ist
.

Die Verbindung zum Heiratssatz ergibt sich aus der Beobachtung, dass für durchweg gilt. Der Satz von Ostrand sagt also insbesondere aus, dass bei Gültigkeit der Hall-Bedingung die Anzahl der Vertretersysteme mindestens sein muss, dass also in diesem Falle ein Vertretersystem existiert.

Wie der niederländische Mathematiker Jacobus Hendricus van Lint zeigen konnte, ist die oben genannte Schranke, wenn allein die Anzahlen bekannt sind, die bestmögliche.[12]

Verallgemeinerung nach Rado

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Diese Verallgemeinerung, welche auf Richard Rado zurückgeht, bringt den Heiratssatz in Verbindung mit der Matroidtheorie. Ausgangspunkt ist hier die folgende Frage:

Unter welchen Bedingungen existiert zu einem gegebenen Matroid und zu einer gegebenen endlichen Familie von -Teilmengen ein „Vertretersystem“ derart, dass die Teilmenge „unabhängig“ ist?[13][14]

Eine solche Teilmenge nennt man auch eine „unabhängige Transversale“.

Kurz und knapp formuliert ist die in Rede stehende Frage also so zu stellen:

Unter welchen Bedingungen hat ein gegebenes Matroid zu einer gegebenen endlichen Teilmengenfamilie eine unabhängige Transversale?

Die Antwort auf diese Frage gibt der Satz von Rado, welcher folgendes besagt:[15][16][17][18]

hat zu eine unabhängige Transversale dann und nur dann, wenn für jede Teilfamilie   die Ungleichung erfüllt ist.[19]

Die letzte Bedingung nennt man kurz Rados Bedingung (englisch Rado’s condition) oder auch Hall-Rado-Bedingung (englisch Hall-Rado condition) oder ähnlich. Sie bedeutet, dass für jedes die zugehörige Vereinigungsmenge eine unabhängige Teilmenge mit mindestens Elementen umfasst. Von ihr aus gelangt man zur Hall-Bedingung, indem man als Rangfunktion die Anzahlfunktion nimmt, welche jeder Teilmenge die Anzahl ihrer Elemente zuordnet. In dem zur Anzahlfunktion gehörigen Matroid sind alle Teilmengen von unabhängig. So erweist sich der Heiratssatz als Spezialfall des Satzes von Rado.

Erweiterung auf den unendlichen Fall

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Zum Heiratssatz und zum Satz von Rado (und ebenso zum Satz von Dilworth) gibt es erweiterte Versionen, welche (u. a.) den Fall einbeziehen, dass die Grundmenge unendlich ist. Die Beweise dieser transfiniten Versionen setzen allerdings üblicherweise als entscheidendes Hilfsmittel das Lemma von Zorn bzw. den Satz von Tychonoff ein, gehen also vom Auswahlaxiom aus.[20][21]

Die Erweiterung auf den unendlichen Fall wurde von Ron Aharoni, Crispin Nash-Williams und Saharon Shelah bewiesen.[22][23][24]

Einzelnachweise und Anmerkungen

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  1. P. Hall: On representation of subsets. Quart. J. Math. (Oxford) 10, 1935, S. 26–30.
  2. a b c Aigner-Ziegler: S. 134–136.
  3. Der Terminus „Heiratssatz“ (englisch marriage theorem) und die damit verbundene Interpretation werden in der Fachliteratur auf Hermann Weyl zurückgeführt; vgl. Jacobs-Jungnickel: S. 23, 393. Weyl nennt die in Rede stehende Fragestellung explizit das marriage problem; vgl. Weyl: Amer. J. Math. Band 71, S. 202 ff.
  4. Jacobs: Selecta Mathematica I. S. 103 ff.
  5. a b Halder-Heise: S. 145–149.
  6. Dabei bezeichnet die Anzahl der Elemente von .
  7. Jungnickel, Konrad Jacobs: S. 27 ff.
  8. Winfried Hochstättler: Algorithmische Mathematik, Springer-Verlag (2010), ISBN 3-642-05421-8, Satz 4.36.
  9. Ostrand: J. Math. Anal. Appl. Band 32, S. 1–4.
  10. Die Notwendigkeit des Erfülltseins der hallschen Bedingung wird hierbei als evident angesehen.
  11. Dies ist also die Anzahl der injektiven Auswahlfunktionen für . Hier gilt im Allgemeinen, wenn nichts weiter vorausgesetzt wird, .
  12. Halder-Heise: S. 149.
  13. ist die gegebene endliche Grundmenge, in der alle enthalten sind und ist das zugehörige System der unabhängigen Teilmengen.
  14. Stellt man den Zusammenhang mit der oben beschriebenen injektiven Auswahlfunktion her, so ist , wobei die Teilmenge genau die -Bildmenge von ist, zu der sie auf diesem Wege in umkehrbar eindeutiger Beziehung steht.
  15. Rado: Quart. J. Math. (Oxford). Band 13, S. 83 ff.
  16. Aigner: S. 246 ff.
  17. Mirsky: S. 93 ff.
  18. Welsh: S. 97 ff.
  19. ist die zu gehörige Rangfunktion.
  20. Welsh: S. 389 ff.
  21. Siehe hierzu auch Rados Auswahlprinzip.
  22. R. Aharoni, C. S. J. A. Nash-Williams, S. Shelah,. Marriage in infinite societies, in: Progress in Graph Theory (Waterloo, Ontario, 1982), Academic Press, Toronto, 1984, S. 71–79
  23. R. Aharoni, C. S. J. A. Nash-Williams, S. Shelah, A general criterion for the existence of transversals, Proceedings of the London Mathematical Society, Band 3, 1983, S. 43–68.
  24. R. Aharoni, C. S. J. A. Nash-Williams, S. Shelah, Another Form of a Criterion for the Existence of Transversals, Journal of the London Mathematical Society, Band 2, 1984, S. 193–203