Helmut F. Späte
Helmut F. Späte (* 10.07.1936 in Gera; † 2017 in Halle (Saale)) war ein deutscher Psychiater. Von 1984 bis 1992 war er als Professor für Psychiatrie Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrie und Nervenheilkunde in Halle (Saale).[1]
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Helmut F. Späte wurde 1936 in Gera geboren. Er studierte Medizin in Leningrad und Berlin. Seine Facharztausbildung absolvierte er in Brandenburg-Görden. Anschließend war in Bernburg als Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses für Psychiatrie und Neurologie tätig.[2] Mit der nach der Emeritierung von Helmut Rennert erfolgten Trennung der Lehrstühle für Psychiatrie und Neurologie wurde er 1984 auf den Lehrstuhl für Psychiatrie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg berufen.[3]
Nach seiner Emeritierung im Jahr 1992 war er bis 2002 stellvertretender Ärztlicher Direktor des Kommunalen Psychiatrischen Krankenhauses Halle und anschließend freier Gutachter.[4]
Wirken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Während seiner Zeit als Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses für Psychiatrie und Neurologie in Bernburg setzte sich Späte dafür ein, an die Euthanasie-Verbrechen während des Nationalsozialismus an derselben Stelle zu erinnern. In der offiziellen Erinnerungskultur der DDR spielten diese Verbrechen keine Rolle.[5]
Ein besonderer Schwerpunkt der Tätigkeit Spätes war die Suizidprävention. So leitete er Anfang der 1970er Jahre in Brandenburg eine der nur zwei Betreuungsstellen für Suizidgefährdete. Dieses Thema war in der DDR nur schwer zu bearbeiten, da Suizide von offizieller Seite tabuisiert wurden. Dementsprechend ungehört verhallte Spätes 1972 auf dem Jahreskongress der Akademie für ärztliche Fortbildung aufgestellte Forderung nach einer öffentlichen Aufklärungsarbeit als wichtigem Baustein erfolgreicher Suizidprophylaxe. Dennoch gelang es ihm, grundlegende Forschungsarbeit zu leisten und zu publizieren.[6][7]
Besondere Bedeutung erlangte Helmut F. Späte durch seine Mitwirkung an der Entwicklung der Sozialpsychiatrie in der DDR.[8] Er gehörte zu den Mitverfassern der wegweisenden Brandenburger Thesen[9][10], die als Fortentwicklung der 1963 formulierten Rodewischer Thesen das Konzept der therapeutischen Gemeinschaft in den Mittelpunkt stellten. Zentraler Punkt war dabei die Öffnung der psychiatrischen Stationen.[11][12] Obwohl damit durchaus auf dem Stand der internationalen Diskussion[13], blieb die Umsetzung der Thesen aus personellen, finanziellen und politischen Gründen auf wenige Leuchttürme beschränkt.[14]
In einer 1984 veröffentlichten Studie[15] stellten Späte und sein Mitautor fest, dass ein großer Teil der untersuchten Zwangseinweisung nicht rechtskonform waren. Im Anschluss daran formulierten Späte und Achim Thom Richtlinien für den Umgang mit psychisch auffälligen Menschen[16] und warnten vor einem möglichen Missbrauch. So dürfe etwa „Behördenlästigkeit“ kein Grund für eine Zwangseinweisung sein.[17][18]
Von 1983 bis 1990 war Helmut F. Späte Vorstandsmitglied der Sektion Psychiatrie in der Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie der DDR.[19] Im Januar 1990 gehörte Späte zu den Verfassern des Leipziger Initiativaufrufes zur Gründung einer Gesellschaft für soziale Psychiatrie[20], aus der sich dann die Gesellschaft für kommunale Psychiatrie entwickelte[21], die sich wiederum 1992 mit der Deutschen Gesellschaft für soziale Psychiatrie vereinigte.[22]
Schriften (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Monografien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Helmut F. Späte, Klaus-Rüdiger Otto: Leben nehmen. Verführung zum Leben – Gedanken zur Suizidverhütung. Verlag Ille & Riemer Leipzig/Weißenfels 2015, ISBN 978-3-95420-008-5
- Helmut F. Späte, Klaus-Rüdiger Otto: Irre irren nicht. Verlag Ille & Riemer Leipzig/Weißenfels 2010, ISBN 978-3-936308-08-2
- Helmut F. Späte, Achim Thom, Klaus Weise: Theorie, Geschichte und aktuelle Tendenzen in der Psychiatrie. Gustav Fischer Verlag Jena 1982
Herausgeberschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Helmut F. Späte, T. Degenhart: 7. Symposion der Sozialistischen Länder Europas über Psychiatrische Rehabilitation. Vorträge der wissenschaftlichen Tagung vom 24. bis 27. Mai 1983 in Rodewisch. Bezirkskrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie, Bernburg 1983
- Erdmuthe Fikentscher, Helmut F. Späte: Psychosoziale Probleme im Umgang mit Patienten und Angehörigen – Wege zur Verbesserung. Abteilung Wissenschaftliche Publikationen der Martin-Luther-Univ. Halle-Wittenberg, Halle 1988, ISBN 3-86010-171-4
- Heinz Hennig, Helmut F. Späte: Krisenintervention bei psychiatrischen Patienten im Jugendalter. Abteilung Wissenschaftliche Publikationen der Martin-Luther-Univ. Halle-Wittenberg, Halle 1988, ISBN 3-86010-090-4
- Helmut F. Späte, Ulrike Jänicke: Beiträge zu sozialen Problemen depressiver Erkrankungen. Abteilung Wissenschaftliche Publikationen der Martin-Luther-Univ. Halle-Wittenberg, Halle 1989, ISBN 3-86010-108-0
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Andreas Marneros, Valenka M. Dorsch, Philipp Gutmann, Frank Pillmann: Reil und seine Nachfolger. Zwei Jahrhunderte Universitätspsychiatrie am Geburtsort der „Psychiatrie“ ANA Publishers, Köln 2012, ISBN 978-3-931906-17-7
- Ellen von Driesch: Unter Verschluss. Eine Geschichte des Suizids in der DDR 1952–1990. Campus Verlag Frankfurt/New York 2021, ISBN 978-3-593-51329-4. DOI:10.12907/978-3-593-44696-7
- Christian Reumschüssel-Wienert: Psychiatriereform in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Chronik der Sozialpsychiatrie und ihres Verbandes – der DGSP. transcript-Verlag Bielefeld 2021, ISBN 978-3-8376-5813-2, https://doi.org/10.14361/9783839458136
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Von der Geburt der „Psychiatrie“ bis zur Wendezeit. Abgerufen am 19. September 2024.
- ↑ Helmut F. Späte. Abgerufen am 20. September 2024.
- ↑ Erdmuthe Fikentscher und Heinz Hennig: Psychotherapie in der Universitätsnervenklinik Halle 1980-1989. In: Michael Geyer (Hrsg.): Psychotherapie in Ostdeutschland. Geschichte und Geschichten 1945-1995. 1. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen / Oakville 2011, ISBN 978-3-525-40177-4, S. 563.
- ↑ Helmut F. Späte. Abgerufen am 19. September 2024.
- ↑ Grit Warnat: Das Töten in Bernburg. Abgerufen am 20. September 2024.
- ↑ Deutscher Ärzteverlag GmbH, Redaktion Deutsches Ärzteblatt: Suizidprophylaxe in der DDR: Auf verlorenem Posten. 10. April 2010, abgerufen am 20. September 2024.
- ↑ Marie Teitge, Ekkehardt Kumbier: Medizinisches Publizieren als Politikum. Zur Entstehungsgeschichte der Zeitschrift „Psychiatrie, Neurologie und medizinische Psychologie“ in der SBZ/DDR. In: Peer Pasternack (Hrsg.): die hochschule. journal für wissenschaft und bildung. Nr. 1. Institut für Hochschulforschung (HoF) an der Martin‐Luther‐Universität Halle‐Wittenberg, Wittenberg 2015, S. 97.
- ↑ Kumbier, Ekkehardt (Hrsg.): Psychiatrie in der DDR II. Weitere Beiträge zur Geschichte. 1. Auflage. be.bra Wissenschaft Verlag, Berlin 2020, ISBN 978-3-95410-263-1, S. 12.
- ↑ Sozialpsychiatrie in der DDR. In: SGSP e.V. Abgerufen am 20. September 2024.
- ↑ Siegfried Schirmer, Karl Müller, Helmut F. Späte: Brandenburger Thesen zur Therapeutischen Gemeinschaft. In: Psychiatrie, Neurologie Und Medizinische Psychologie. Jg. 28, Nr. 1. Franz Steiner Verlag, 1976, S. 21–25, JSTOR:45253471.
- ↑ Deutscher Ärzteverlag GmbH, Redaktion Deutsches Ärzteblatt: Sozialpsychiatrie in der DDR: Die unvollendete Reform. 20. September 2013, abgerufen am 20. September 2024.
- ↑ Ekkehardt Kumbier, Kathleen Haack: Psychiatrie in der DDR zwischen Aufbruch und Stagnation: Die Brandenburger Thesen zur „Therapeutischen Gemeinschaft“ (1974/76). In: Psychiatrische Praxis. Band 44, Nr. 8, November 2017, ISSN 0303-4259, S. 434–445, doi:10.1055/s-0043-100843.
- ↑ Häfner, Heinz: Die Psychiatrie-Enquete - historische Aspekte und Perspektiven. In: Aktion Psychisch Kranke (Hrsg.): 25 Jahre Psychiatrie-Enquete. 1. Auflage. Band 1. Psychiatrie-Verlag, Bonn 2001, ISBN 3-88414-311-5, S. 89.
- ↑ Franz-Werner Kersting: Psychiatrie-Reform und '68. In: Aktion Psychisch Kranke (Hrsg.): 25 Jahre Psychiatrie-Enquete. 1. Auflage. Band 1. Psychiatrie-Verlag, Bonn 2001, ISBN 3-88414-311-5, S. 169.
- ↑ H. F. Späte, H. Rogoll: [Normative and legal procedure prerequisites in the commitment of psychiatric patients in relation to Paragraph 6 of the Commitment Law of East Germany]. In: Psychiatrie, Neurologie, Und Medizinische Psychologie. Band 36, Nr. 8, August 1984, ISSN 0033-2739, S. 489–495, PMID 6494344.
- ↑ H. F. Späte, A. Thom: [Ethical principles and moral norms of psychiatric care in a socialistic society]. In: Psychiatrie, Neurologie, Und Medizinische Psychologie. Band 36, Nr. 7, Juli 1984, ISSN 0033-2739, S. 385–394, PMID 6484063.
- ↑ Rainer Erices: Politischer Missbrauch in der Psychiatrie der DDR. In: Psychotherapeut. Band 66, Nr. 4, 1. Juli 2021, ISSN 1432-2080, S. 282–287, doi:10.1007/s00278-021-00514-5.
- ↑ Maria Widmer, Adrian Schmidt-Recla, Holger Steinberg: Die Forensische Psychiatrie in der DDR. Ein Überblick. In: Fortschritte der Neurologie · Psychiatrie. Band 91, Nr. 05, Mai 2023, ISSN 0720-4299, S. 199–208, doi:10.1055/a-1735-3186.
- ↑ Ekkehardt Kumbier, Kathleen Haack: Auf dem Weg zur Demokratie – der Transformationsprozess 1990/91 und die Rolle der Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenheilkunde in der DDR. In: Der Nervenarzt. Band 94, Nr. 5, 2023, ISSN 0028-2804, S. 438–445, doi:10.1007/s00115-023-01445-z, PMID 36806889 (rdcu.be [abgerufen am 20. September 2024]).
- ↑ Helmut F. Späte, Klaus Weise, Achim Thom, Otto Bach: Deutsch: Initiativaufruf zur Gründung einer Gesellschaft für soziale Psychiatrie. 22. Januar 1990, abgerufen am 30. September 2024.
- ↑ Gesellschaft für kommunale Psychiatrie (GKP). Abgerufen am 20. September 2024.
- ↑ Über uns. In: SGSP e.V. Abgerufen am 20. September 2024.
Personendaten | |
---|---|
NAME | Späte, Helmut F. |
ALTERNATIVNAMEN | Späte, Helmut |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Psychiater und Hochschullehrer |
GEBURTSDATUM | 1936 |
GEBURTSORT | Gera |
STERBEDATUM | 2017 |
STERBEORT | Halle (Saale) |