Großherzoglich Hessische Staatseisenbahnen
Die Großherzoglich Hessischen Staatseisenbahnen gehörten zu den Länderbahnen in der Zeit des Deutschen Reichs.
Grundlagen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Großherzogtum Hessen bestand im 19. Jahrhundert aus drei Provinzen. Zwischen Rhein, Main und Neckar umfasste die Provinz Starkenburg den Odenwald und das Hessische Ried. Zu ihr gehörte auch die Residenzstadt Darmstadt. Links des Rheins befand sich die Provinz Rheinhessen mit Mainz, Worms und Bingen. Ohne unmittelbare Verbindung mit diesem Gebiet umschloss die Provinz Oberhessen den Vogelsberg und die Wetterau.
Auch wegen dieser territorialen Zersplitterung kam es zunächst nicht zum Bau einer eigenen Staatsbahn. Vielmehr beteiligte sich Hessen zusammen mit den Nachbarstaaten an gemeinschaftlichen Eisenbahnunternehmungen. Das waren
- die Main-Neckar-Eisenbahn-Gesellschaft mit der Freien Stadt Frankfurt und dem Großherzogtum Baden,
- die Main-Weser-Bahn mit der Freien Stadt Frankfurt und dem Kurfürstentum Hessen und
- die Frankfurt-Offenbacher Eisenbahn mit der Freien Stadt Frankfurt.
Des Weiteren beteiligte sich das Großherzogtum an der privaten Hessischen Ludwigs-Eisenbahn-Gesellschaft (700 km), deren Sitz sich in Mainz befand und die ihren Ausgang von Rheinhessen nahm.
Gründung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Erst 1876 gründete das Großherzogtum Hessen eine eigene Staatsbahn. Anlass war der Erwerb der Oberhessischen Eisenbahn-Gesellschaft, nachdem diese sich nicht wie erwartet entwickelt hatte und der Staat jährlich eine Zinsgarantie an die Aktionäre auszahlen musste.[1] Die Oberhessische Eisenbahn-Gesellschaft hatte von Gießen aus zwischen 1869 und 1871 die Bahnstrecke Gießen–Fulda und die Lahn-Kinzig-Bahn eröffnet und betrieben. Von insgesamt 175,8 km Strecke lagen (1880) 147,2 km in Hessen-Darmstadt und 28,0 km in Preußen. Das Großherzogtum gründete für seine Staatsbahn eine Eisenbahndirektion mit Sitz in Gießen.[2]
Betrieb
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Güterverkehr wichtig war 1883 der Anschluss der Braunkohlegrube „Friedrich“ im Bahnhof Trais-Horloff. Auf der Grubenbahn selbst führte das Bergwerk den Verkehr mit eigenen Lokomotiven durch.[3]
Die Staatsbahn erweiterte ihr Streckennetz gemäß einem Gesetz vom 29. Mai 1884 um drei Nebenbahnen, die von der Linie Gießen–Gelnhausen in den Vogelsberg hineinführten[4]:
- Nidda–Schotten ab 26. Mai 1888
- Stockheim–Gedern ab 1. Oktober 1888
- Hungen–Laubach ab 1. Juni 1890
Eine weitere staatliche Nebenbahn wurde am 20. Dezember 1886 zwischen Eberstadt und Pfungstadt eröffnet. Sie war nur 1,9 km lang und wurde von der Main-Neckar-Eisenbahn-Gesellschaft betrieben, besaß aber eigenes Personal sowie eigene Lokomotiven und Personenwagen. Weiter folgten
- die Weschnitztalbahn (1895), die ebenfalls von der Main-Neckar-Bahn betrieben wurde[5],
- die Rodgaubahn (1896) und
- die Bahnstrecke Offenbach-Bieber–Dietzenbach (1898)
sowie im Norden, nordöstlich von Gießen
- die Lumdatalbahn von Grünberg, ab 1. August 1896 zunächst bis Londorf, ab 1902 weiter bis Lollar.
Als letzte Strecke der Großherzoglich Hessischen Staatseisenbahnen wurde 1897 östlich von Darmstadt die Bahnstrecke Darmstadt Ost–Groß-Zimmern in Betrieb genommen.
Die Staatsbahn wurde seitens des Großherzogtums vorwiegend aus strukturpolitischen Gründen betrieben. Wirtschaftlich war sie genzwertig: Der Überschuss lag in der Regel unter 1 %.[6]
Ende
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Königreich Preußen und das Großherzogtum Hessen gründeten am 23. Juni 1896 mit einem Staatsvertrag[7] die Preußisch-Hessische Eisenbahngemeinschaft. Preußen wollte damit vor allem die lästige Konkurrenz der Hessischen Ludwigsbahn beseitigen (was gelang) und ein Startsignal Richtung „Reichseisenbahn“ setzen (was misslang). Das Großherzogtum wurde bei dieser Gelegenheit seine unrentable Staatsbahn los. So übernahmen die Preußischen Staatseisenbahnen die Betriebsführung der Staatseisenbahnen des Großherzogtums Hessen zum 1. April 1897. Zuständige Direktionen wurden für die Strecken in der Provinz Oberhessen die Königliche Eisenbahndirektion Frankfurt/Main[8] und für die Strecken in den Provinzen Rheinhessen und Starkenburg die Königlich Preußische und Großherzoglich Hessische Eisenbahndirektion Mainz.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Bernhard Hager: „Aufsaugung durch Preußen“ oder „Wohltat für Hessen“? Die preußisch-hessische Eisenbahngemeinschaft von 1896/97. In: Andreas Hedwig (Hg.): „Auf eisernen Schienen, so schnell wie der Blitz“. Regionale und überregionale Aspekte der Eisenbahngeschichte = Schriften des hessischen Staatsarchivs Marburg (Bd. 19). Hessisches Staatsarchiv, Marburg 2008, ISBN 3-88964-196-2, S. 81–111.
- Jürgen Röhrig und Stefan Klöppel: 150 Jahre Oberhessische Eisenbahnen. Arbeitsgemeinschaft Drehscheibe, Köln 2020, ISBN 978-3-929082-38-8
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Röhrig / Klöppel, S. 13f.
- ↑ Röhrig / Klöppel, S. 15.
- ↑ Röhrig / Klöppel, S. 19.
- ↑ Röhrig / Klöppel, S. 20.
- ↑ Vgl.: Eisenbahndirektion Mainz (Hrsg.): Sammlung der herausgegebenen Amtsblätter vom 2. März 1901. 5. Jahrgang, Nr. 9., Bekanntmachung Nr. 81, S. 51.
- ↑ Hager, S. 89.
- ↑ Staatsvertrag über die gemeinsame Verwaltung des beiderseitigen Eisenbahnbesitzes. In: Eisenbahndirektion Mainz (Hg.): Sammlung der herausgegebenen Amtsblätter. Jg. 1897, Nr. 8, S. 29ff.
- ↑ Röhrig / Klöppel, S. 25.