Hirschrhyton der Norbert-Schimmel-Sammlung
Das Hirschrhyton der Norbert-Schimmel-Sammlung ist ein hethitisches Tiergefäß, das im Kult Verwendung fand. Es zeigt eine Verehrungsszene zweier Gottheiten, die anhand der Ikonographie und der hieroglyphenluwischen Inschriften als der Schutzgott der Flur und seine Begleiterin Ala bestimmt werden können.
Beschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das silberne Rhyton stammt aus Anatolien und wird ins 15. bis 13. Jahrhundert v. Chr. datiert. Seine Höhe beträgt 18 cm. Es gehört zur Norbert Schimmel Collection in New York.
Das Rhyton hat die Form eines liegenden Hirsches, wobei der hintere Teil weggelassen wurde, so dass die Öffnung für das Opfergetränk aus Öffnungen bei der Brust eingefüllt und entleert werden konnte. Der Hirsch trägt ein Halsband. Um die Öffnung des Bauches verläuft ein Bildband mit einer Verehrungsszene. Darin finden sich zwei Inschriften mit goldenen Zeichen der hieroglyphenluwischen Schrift, die die Namen der dargestellten Gottheiten nennen.
Die dominanteste Person der Szene ist eine thronende Göttin mit einer Trinkschale in der linken und einem Adler in der rechten Hand. Sie trägt einen Spitzhut und ein zum Boden reichendes Gewand. Die zwischen Kopf und Adler angebrachte Inschrift nennt vermutlich die Göttin Ala: á-x (DEUSx) FILIA.[1] Die Füße des Sessels, auf dem sie sitzt, haben die Form von Hirschklauen. Neben der Göttin steht ein Räucheralter. Vor ihr steht auf einem Hirsch ein bartloser Gott mit einem Krummstab in der Linken und einem Adler in der Rechten. Er ist waffenlos und trägt einen Kurzrock und Schnabelschuhe. Die Inschrift nennt den Schutzgott: (DEUSx) CERVUSx.[1] Den beiden Gottheiten nähern sich zwei Männer, der vordere gießt ein Trankopfer auf den Boden, der zweite trägt einen Opferkuchen herbei. Dahinter ist ein kniender Mann mit einem Libationsgefäß. Hinter der Göttin Ala sind zwei Lanzen aufgestellt, mit nach unten gekehrter Spitze. Dahinter steht ein Baum, der anhand hethitischer Ritualtexte als der immergrüne eya-Baum gedeutet werden kann. Darunter liegt ein – möglicherweise erlegter – Hirsch und über diesem sind ein Köcher und eine kurša-Jagdtasche[2] aufgehängt. Sämtliche Objekte fanden in der Verehrung des Schutzgottes Verwendung.
Deutung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die abgebildeten Kultobjekte hinter den Gottheiten finden eine Parallele in einem hethitischen Ritualtext (KBo 54.143; 13. Jh. v. Chr.). Hiernach werden vor einer Gottheit Speere platziert und dann wird unter dem eya-Baum dem Schutzgott (dKAL) ein Ziegenbock geopfert. Dieser immergrüne Baum ist vielleicht eine Eibe oder eine Kermeseiche. Die kurša -Jagdtasche war ein lederner Sack, der im Kult verschiedener Gottheiten eine wichtige Rolle spielte. Ein Ritualtext beschreibt das Verfahren, wie die kurša-Jagdtaschen der Götter Zitḫariya und der Schutzgottheit von Ḫatenzuwa ausgewechselt werden.[3] Im Telipinu-Mythos wird beschrieben, wie eine kurša-Jagdtasche mit Gerste, Weintrauben, Fett, Fleisch von Schaf und Rind sowie Segenswünschen gefüllt wird und an den eya-Baum gehängt wird.[4]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Sedat Alp: Einige weitere Bemerkungen zum Hirschrhyton der Norbert-Schimmel-Sammlung. In: Fiorella Imparati (Hrsg.): Studi di storia e di filologia anatolica. Dedicati a Giovanni Pugliese Carratelli. Elite, Florenz 1988, S. 17–23.
- Natalia Bolatti Guzzo, Massimiliano Marazzi: Note di geroglifico anatolico. In: Jörg Klinger, Elisabeth Rieken, Christel Rüster (Hrsg.): Investigationes Anatolicae. Gedenkschrift für Erich Neu (= Studien zu den Boǧazköy-Texten. 52). Harrassowitz, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-447-06383-8, S. 11–28.
- Hans Gustav Güterbock: A note on the frieze of the stag rhyton in the Schimmel Collection. In: Cevdet Bayburtluoğlu (Hrsg.): Akurgal'a armagan (= Anadolu. 22, 1981/1983, ISSN 0570-0116). Ankara Üniversitesi – Dil ve Tarihcoǧrafya Fakültesi Eski Önasyaakdeniz, Ankara 1989, S. 1–5.
- Hans Gustav Güterbock: Hittite kursa „Hunting Bag“. In: Albert Leonard, Jr, Bruce Beyer Williams (Hrsg.): Essays in Ancient civilization. Presented to Helene J. Kantor (= Studies in Ancient Oriental Civilization. 47). Oriental Institute of the University of Chicago, Chicago IL 1989, ISBN 0-918986-57-5. S. 113–123.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b John D. Hawkins: Tudhaliya the Hunter. In: Theo P. J. van den Hout, Carolien H. van Zoest (Hrsg.): The Life and Times of Ḫattušili III and Tutḫaliya IV. Proceedings of a Symposium held in Honour of J. de Roos, 12–13 December 2003, Leiden (= Uitgaven van het Nederlands Instituut voor het Nabije Oosten te Leiden. 103). Nederlands Instituut voor het Nabije Oosten, Leiden 2006, ISBN 90-6258-314-8, S. 49–76, hier S. 52.
- ↑ Hans Gustav Güterbock: Hittite kursa „Hunting Bag“. In: Albert Leonard, Jr, Bruce Beyer Williams (Hrsg.): Essays in Ancient civilization. Presented to Helene J. Kantor. 1989, S. 113–123.
- ↑ Volkert Haas: Geschichte der hethitischen Religion (= Handbuch der Orientalistik. Sect. 1: Der Nahe und der Mittlere Osten. 15). Brill, Leiden 1994, ISBN 90-04-09799-6, S. 455.
- ↑ Volkert Haas: Geschichte der hethitischen Religion (= Handbuch der Orientalistik. Sect. 1: Der Nahe und der Mittlere Osten. 15). Brill, Leiden 1994, ISBN 90-04-09799-6, S. 456.