Hochmoderne

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Hochmoderne (englisch High Modernism oder High Modernity) ist die Bezeichnung für einen Abschnitt der Moderne, die durch ein ungebrochenes Vertrauen in den Fortschritt von Wissenschaft und Technologie als Mittel zur Neuordnung der sozialen und natürlichen Welt gekennzeichnet ist.[1] Der Historiker Ulrich Herbert hat den Begriff als Bezeichnung für eine als Einheit gedachte Epoche, nämlich die Zeit etwa von der Wende zum 20. Jahrhundert bis in die 1970er Jahre in Europa, vorgeschlagen.

Die Hochmoderne zeichnet sich laut dem Politikwissenschaftler James C. Scott, der den Begriff Ende der 1990er Jahre prägte, durch folgende Merkmale aus:[2]

  • Starkes Vertrauen in das Potenzial für den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt, einschließlich des Vertrauens auf das Fachwissen von Wissenschaftlern, Ingenieuren, Bürokraten und anderen Intellektuellen.
  • Versuche, die Natur (einschließlich der menschlichen Natur) zu meistern, um menschliche Bedürfnisse zu erfüllen.
  • Ein Schwerpunkt liegt darauf, komplexe Umgebungen oder Konzepte (z. B. alte Städte oder soziale Dynamiken) lesbar zu machen, meist durch räumliche Anordnung (z. B. Stadtplanung auf einem Raster).
  • Missachtung des historischen, geografischen und sozialen Kontexts in der Entwicklung.

Für Europa hat der Historiker Ulrich Herbert den – als Einheit verstandenen – Zeitraum etwa zwischen 1880/1900 und 1960/1980 als Phase zwischen zwei „dynamisierenden Modernisierungsschüben“ unter dem Begriff der Hochmoderne konzipiert.[3] Dieses Periodisierungsangebot hat etwa auch Auswirkungen auf die Verortung der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert, die Herbert anstelle eines deutschen Sonderwegs im Rahmen einer transnationalen Hochmoderne zu verstehen versucht.[4]

  • Ulrich Herbert: Europe in High Modernity. Reflections on a Theory of the 20th Century. In: Journal of Modern European History. Band 5, 2007, S. 5–21.
  • Lutz Raphael: Ordnungsmuster der „Hochmoderne“? Die Theorie der Moderne und die Geschichte der europäischen Gesellschaften im 20. Jahrhundert. In: Ute Schneider, Lutz Raphael (Hrsg.): Dimensionen der Moderne. Festschrift für Christof Dipper. Peter Lang, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-631-57298-6, S. 73–91.
  1. James C. Scott: Seeing Like a State: How Certain Schemes to Improve the Human Condition Have Failed. Yale University Press, New Haven, CT 1999, S. 4.
  2. James C. Scott: Seeing Like a State, S. 4–5; Peter J. Taylor: Modernities: A Geohistorical Interpretation. University of Minnesota Press, Minneapolis 1999, S. 18, 32.
  3. Uwe Fraunholz, Thomas Hänseroth, Anke Woschech: Hochmoderne Visionen und Utopien. Zur Transzendenz technisierter Fortschrittserwartungen. In: dies. (Hrsg.): Technology Fiction: Technische Visionen und Utopien in der Hochmoderne. Transcript, Bielefeld 2012, S. 11–24, hier S. 16–19 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. Edgar Wolfrum: Die Hochmoderne und die extremen Deutschen. In: Neue Zürcher Zeitung. 13. August 2014 (Rezension zu Herberts Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert).