Hot Club Leipzig
Der Hot Club Leipzig, kurz: HCL, war ein überregional bekannter informeller Jazzclub in Leipzig, der in den 1930er Jahren von Kurt Michaelis („Hot-Geyer“) initiiert wurde.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Club hatte kein festes Clublokal; man traf sich nach vorheriger Verabredung im Stamm-Cafe in einer der Wohnungen der Interessierten und hielt dort die Jazzabende ab.[1] Die Mitglieder hatten einen Spitznamen (Nickname), das gehörte zum Stil der Zeit und stellte sich später als großer Vorteil heraus. Der am Nebentisch sitzende Gestapo-Spitzel kannte die Klar-Namen nicht.
Die Jazz-Freunde versammelten sich an sogenannten „blauen Montagen“ um ein mit der Aufziehkurbel zu bedienendes Koffergrammophon und hörten amerikanische, britische und deutsche Jazz-Aufnahmen.[2] Weiterhin knüpften die Mitglieder Kontakte zu Hot Clubs und Jazzbegeisterten in anderen Städten und Ländern. Einige Mitglieder fuhren bereits 1930 nach Berlin, in das deutsche Mekka des Jazz, um die Kapellen von Dajos Béla und Lud Gluskin zu erleben. Zwei Jahre später war ein Auftritt von Louis Armstrong in London ihr Ziel. 1934 besuchten sie London zum zweiten Mal, dort lernten sie Max Abrams, den Schlagzeuger von Jack Hylton, kennen und auch den Plattensammler und späteren Schallplattenhändler und Schlagzeuger Carlo Krahmer, der 1936 zum Gegenbesuch nach Leipzig kam. Michaelis selbst korrespondierte auch mit Leonard Feather, der die Nachrichten über die zunehmende Unterdrückung des Jazz in Deutschland im Melody Maker veröffentlichte, und mit amerikanischen Plattensammlern wie Ross Russell, so dass die Mitglieder des Hot Club auch über aktuelle Konzerte, etwa das Carnegie Hall Concert 1938 von Benny Goodman durch briefliche Mitteilungen informiert waren.[3]
Unter der nationalsozialistischen Herrschaft galten die Aktivitäten des HCL als illegal. Aus den Kreisen des HCL gingen später namhafte Jazz-Größen wie Jutta Hipp hervor. Zu den Mitgliedern des HCL gehörten (in der zeitlichen Reihenfolge ihres Kommens):
Kurt Michaelis („Hot-Geyer“), „Fiddlin’ Joe“ Joachim Frommann, Stefan Krywes, Scheer, Klude, Robert Schramm, „Teddie“ Frohwalt Neubert – Drums, „Schütterfürst“, „Rhythm-Doc Salm“, Joachim Leipziger, Georgie Catsaros, Cliff Rossmeisl, Lutz Warschauer, Peter Fuchs, „Herby“ Herbert Becke – Bass, „Ibse“ Hans Gross, Siggi Michel, Ingfried Henze, H. J. Beugel, Lammy Sathoff, Maria Becke-Rausch, Jutta Hipp, „Wespe“ Hertha Thomas, Willi Lichtinger, Gerhardt Wienstroht, Charlie Rohmann, „Bienenkorb“ Eva Landmann, Evi Stampa, Pfeifer, Tom Haller, „Pee Wee“ Morell-Bohrmann, „Kuli“ Schmidt, Roger Rossmeisl, Hans Krayer, Dieter Jörs, Rolf Wiedemann – Alt, Werner Tautz[4] – Piano, Rolf Kühn – Clar., Albert Leyko – Tenor, Herbert Beck – Tenor, Herzog – Bass, Erling Corneliussen – Tenor, Alf Corneliussen – Posaune+Piano, Wolfgang Doleys – Guitar, „Tom“ Thomas Buhé – Guitar, Walter Eichenberg – Trump., Fips Fleischer, Harry Passage, Rolf Keller, Götz Wagner, Wolfgang Schultz, Rolf Melzer, Wolfgang Arndt – Drums, Hans Reinhold – Trump., Dieter Resch, Rolf Cratzschik, Wolfgang Günther, Rolf Weller, Teddy Göpner.
Mit zunehmender Dauer des Krieges waren immer mehr Mitglieder zum Wehrdienst eingezogen; die jungen Frauen „wurden zum stabilen Element, denn sie konnten nicht einberufen werden.“ Die Mitglieder hörten nun nicht nur Jazzplatten und die Programme der BBC, sondern gründeten auch eine eigene, informelle Band, die vor allem Swing spielte.[5]
Am 18. April 1945 wurde Leipzig von amerikanischen Truppen[6] besetzt. Nun hofften alle sich aus der Illegalität befreien und wieder richtig auch öffentlich Jazz und Swing spielen zu können. Im Ballsaal des Hotel Fürstenhof etablierte sich auch bald die erste Band. Die Freude[7] aber währte nur kurz. Nach den Vereinbarungen der Konferenz von Jalta[8] übernahm schon am 2. Juli 1945 die sowjetische Militäradministration die Herrschaft in Leipzig, die Amerikaner zogen sich nach Bayern zurück, einige Musiker des Hot-Club folgten sogleich oder etwas verzögert, um in den Clubs der Amerikaner aufzutreten.
Aus den Hot Clubs in Deutschland formierte sich in den 1950er Jahren die Deutsche Jazz Föderation.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Julius Becke: Really the Blues. Eine Jugend 1927–1948.
- Rainer Bratfisch: Freie Töne. Die Jazzszene in der DDR. Ch. Links, Berlin 2005.
- Michael H. Kater: Gewagtes Spiel. Jazz im Nationalsozialismus. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1995.
- J. Kurz: „Swinging Democracy“. Jugendprotest im 3. Reich (Geschichte der Jugend, Bd. 21.) Münster 1995.
- D. Peukert: Edelweißpiraten, Meuten, Swing. Jugendsubkulturen im Dritten Reich. In: Gerhard Huck (Hrsg.): Sozialgeschichte der Freizeit. Wuppertal 1980, S. 307–327.
- Bernd Polster (Hrsg.): Swing Heil. Jazz im Nationalsozialismus. Berlin 1989.
- F. Ritter (Hrsg.): Heinrich Himmler und die Liebe zum Swing – Erinnerungen und Dokumente. Leipzig 1994.
- E. Stiller: Von „Swing“ bis „Edelweiß“. Lebenswelten von Jugendlichen. In: Geschichte Lernen. Sammelband Nationalsozialismus. Velber 2000.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Die Geschichte der Hot Clubs
- Sandra Müller, Julika Stark: Heinz, Fritz, das Geschenk und andere Verdächtige „Jugend im Nationalsozialismus“ als Mystery (PDF)
- »Kultur« In der Berliner Kulturszene der dreißiger Jahre spielten … (PDF; 1,3 MB)
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise und Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Oft traf man sich im „Geyer-Horst“, wie die Gohliser Wohnung von Kurt Michaelis unter den Freunden hieß oder ab Ende 1938 bei „Goethe-Papa“ Franz Neubert, dem Vater des Schlagzeugers „Teddie“ Frohwalt Neubert.
- ↑ Diese Treffen hatten etwas Rituelles an sich: Jacketts und Krawatte waren als Kleidung vorgeschrieben, Tee und Kekse wurden gereicht.
- ↑ Michael H. Kater: Gewagtes Spiel, S. 152ff.
- ↑ Brilliant-Musik Werner Tautz
- ↑ Michael H. Kater: Gewagtes Spiel, S. 280f.
- ↑ 2. Infanterie-Division, Brennender Panzer
- ↑ Man erhoffte sich fürderhin unter amerikanischer Verwaltung zu stehen, mit den Russen wollte man eher nichts zu tun haben.
- ↑ Hierin wurde vereinbart, dass ein Teil Berlins (die Westzonen) gegen die von den Amerikanern eroberten „Ostgebiete“ „eingetauscht“ wurden.