Hotel zum Desenberg
Das Hotel zum Desenberg war ein im 18. Jahrhundert erbautes Barockgebäude in der Hauptstraße 66–68 in Warburg (Nordrhein-Westfalen). Es war seit 1972 in der Liste der Baudenkmäler in Warburg als Baudenkmal überregionaler Bedeutung ausgewiesen[1] und wurde dennoch 1980 abgebrochen.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Über die Entstehung des Gebäudes ist wenig bekannt. Die im Louis-seize-Stil gestaltete Baudekoration verweist auf eine Bauzeit um 1780, wobei möglicherweise ältere Teile von Vorgängerbauten einbezogen wurden. Das Haus gehörte daher zu den wenigen Bauten, die zwischen dem Siebenjährigen Krieg und der napoleonischen Zeit in der damals verarmten Stadt Warburg errichtet wurden und diente zunächst als Wohnhaus eines landwirtschaftlichen Gutes.
1818 wurde das Gebäude verkauft und als Hotel umgebaut. Es entwickelte sich, trotz mancher Besitzerwechsel, zum führenden Hotel der damaligen Kreisstadt Warburg. 1839 wurde dort die Kasino-Gesellschaft Warburg e.V. gegründet. Nach dem Protokoll der Gründungsversammlung beschlossen 27 honorige Bürger, dass es der Zweck des neuen Vereins sei, „seinen Mitgliedern im Kreise gebildeter Personen Erholung durch den Genuss erlaubter Lebensfreuden zu verschaffen“.[2] Der Verein bezog die Parterreräume links des Eingangs und gestaltete mit exklusiven Festveranstaltungen das gesellschaftliche Leben in Warburg führend mit. Rückwärtig wurde ein großer Festsaal mit Bühne angebaut. Es gab dort Winterbälle, Damenkränzchen, Herrenabende und Vorträge von Forschern, Wissenschaftlern und Künstlern. Am 8. Mai 1848 wurden im damals noch "Bracht'scher Gasthof" genannten Haus der Bürgermeister Heinrich Fischer als Abgeordneter für die preußische Nationalversammlung in Frankfurt gewählt.
1893 erwarb Carl Struve das Hotel und führte es mit seiner Familie fast vierzig Jahre. Seine „erstklassige Bedienung und Bewirtung“ der Gäste sowie seine Fähigkeit, die Gäste durch „mit Humor gewürzte Unterhaltung“ zu fesseln, wurde gelobt. Zudem war Struve Vorsitzender des Warburger Kriegervereins, des Wirtevereins, der Hotelbesitzervereinigung und Mitglied des Presbyteriums der evangelischen Kirchengemeinde.[3] Nach seinem Tod 1933 wurde das Hotel von seinen Nachfahren weitergeführt. Da jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg die Gäste ausblieben, wurden einige Räume zu Verwaltungszwecken an die Warburger Nahrungsmittelwerke vermietet. 1957 gab die Familie Struve den Hotel- und Gastronomiebetrieb auf, so dass erstmals die Schließung des Hauses drohte.[4] Es erfolgte die Gründung einer Hotel Zum Desenberg GmbH, die Renovierungsmaßnahmen in den Gästezimmern durchführte und den Hotelbetrieb noch ca. 20 Jahre lang aufrechterhielt.[5] Die Erdgeschossräume wurden nach Schließung der Gastronomie zu Beginn der 70er Jahre an ein benachbartes Kaufhaus als Verkaufsfläche vermietet.
1975 erwarb die Spar- und Darlehenskasse Warburg das Gebäude, um es abzureißen und an seiner Stelle ein neues Bankgebäude zu errichten. Es folgten massive Proteste des Landeskonservators[6] und zahlreicher Bürger,[7][8][9][10][11][12][13][14][15][16] die sich noch verstärkten, nachdem am 24. März 1979 die Neubaupläne veröffentlicht worden waren.[17][18][19][20][21] Als Kompromisslösung reichte die Spar- und Darlehenskasse schließlich einen Bauantrag mit einer Rekonstruktion der Fassaden ein. Im Dezember 1979 wurde eine Abbruchgenehmigung erteilt mit der Auflage, die Straßenfassaden zu erhalten und das Walmdach wiederherzustellen.[22] Im Juni 1980 wurde dann jedoch das Gebäude komplett abgebrochen; die der Stadt Warburg zugesagte Rekonstruktion der Fassade unterblieb.[23]
Architektur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Liste der Baudenkmäler in Warburg von 1972 war das Gebäude in die erste Kategorie „Besonders wichtiges Denkmal der Baukunst von überregionaler Bedeutung, die unbedingt zu schützen sind“ eingeordnet und so beschrieben:
„Gestreckter massiver und verputzter Traufenbau. Fenster- und Türgewände Werkstein. In der 3. Achse von links deftiges Barock-Türgewände mit verkröpften Rahmen, Wappen im Keilstein und stehenden Oval-Oberlichtfenster. Um 1700. Ganz rechts Durchfahrtsbogen. Die übrigen Fenstergewände wohl 1. Dr. 19. Jh. Im Dach Fledermausgauben.“
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Liste der Baudenkmale der Stadt Warburg, Warburg, 31. August 1972
- ↑ Neue Westfälische Warburg: 175 Jahre Warburger Casino-Gesellschaft Warburg, Warburg, 18. Juni 2014
- ↑ Wilhelm Marrée: Chronik der Stadt Warburg 1933–1950. In: Die Chroniken der Stadt Warburg, hrsg. von Walter Strümper, Warburg 2002, S. 372
- ↑ Freie Presse: „Hotel zum Desenberg“ – Haus mit Geschichte. Freie Presse Warburg, 7. November 1957
- ↑ Amtsgericht Paderborn, Handelsregisterauszug 1012
- ↑ Schreiben des Landeskonservators von Westfalen-Lippe vom 8. Januar 1979 und 25. Januar 1979
- ↑ Elmar Nolte: Mit großer Bestürzung..., Westfalenblatt, Warburg, 14. Januar 1978
- ↑ Peter Wegener u. a.: Kultureller Ausverkauf ist vorprogrammiert... Westfalenblatt Warburg, 30. Dezember 1978
- ↑ Toni Weidner u. a.: Man will historisches Bauwerk niederreißen, Westfalenblatt Warburg, 5. Januar 1979
- ↑ Theo Becker: Westfälisches Rothenburg – was wird daraus 1979, Westfalenblatt Warburg, 7. Januar 1979
- ↑ Hubertus Blömeke: Gegen jede übertriebene Abrißmentalität - CDU sollte sich an ihr Wahlprogramm erinnern, Westfalenblatt Warburg, 8. Januar 1979
- ↑ Harm Gernot Veen: Erledigung eines wertvollen Bauwerks?, Westfalenblatt Warburg, 30. Januar 1979
- ↑ Reinhard Humburg: Historisches Anderssein darf nicht verschwinden, Westfalenblatt, Warburg, 5. Februar 1979
- ↑ Winfried A. Volmert: Hotel zum Desenberg, Westfalenblatt Warburg, 6. Februar 1979
- ↑ Walter Gondolf: Falsche Modernität, Westfalenblatt Warburg, 8. Februar 1979
- ↑ Gräfin Finckenstein: Desenberghotel, Westfalenblatt Warburg, 20. Februar 1979
- ↑ Wilhelm Böttrich: Was soll man denn nur glauben?, Westfalenblatt Warburg, 26. März 1979, Bürger verlangt Rechenschaft, Westfalenblatt Warburg, 30. März 1979
- ↑ Gudrun Rehmann: Protest gegen den Abbruch, Westfalenblatt Warburg, 27. März 1979
- ↑ Elmar Nolte: Wie Elefanten an der Tränke, Westfalenblatt Warburg, 30. März 1979
- ↑ Walter Freund: Desenberg einzigartig, Westfalenblatt Warburg, 2. April 1979
- ↑ Albert Kröger: Abbruchsansinnen entgegentreten, Westfalenblatt Warburg, 12. April 1979
- ↑ Schreiben des Landeskonservators von Westfalen-Lippe vom 28. Juli 1980
- ↑ Herbert Klatecki: Die letzte Stunde für das ehemalige "Hotel zum Desenberg", Neue Westfälische Warburg, 10. Juni 1980
Koordinaten: 51° 29′ 20,8″ N, 9° 8′ 48,6″ O