Claude Alexandre de Bonneval

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Humbaracı Ahmet Paşa)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Claude Alexandre, Comte de Bonneval, später Humbaracı Ahmet Paşa (* 14. Juli 1675 in Coussac-Bonneval; † 23. März 1747 in Konstantinopel) war ein französischer Adliger, Soldat und Abenteurer, der nach Kriegsdiensten für Frankreich und Habsburg in osmanische Dienste trat, zum Islam konvertierte und die Artillerie des Sultans reformierte.

Der Graf von Bonneval als Achmed Pascha. Die handschriftliche Bildbeschreibung lautet: „Mer. le Comte de Bonneval, appelé en Turquie Acmet Pacha, peint d’après nature par Liotard“.

Bonneval entstammte einer alten Familie aus dem Limousin. Im Alter von dreizehn Jahren trat er dem königlichen Marine-Korps bei. Nach drei Jahren wechselte er zur Armee, wo er zum Regiments-Kommandeur aufstieg. Er diente in den italienischen Feldzügen unter Catinat, Villeroi und Vendôme und in den Niederlanden unter dem Marschall von Luxemburg und stellte seinen Mut sowie seine große militärische Begabung unter Beweis. Seine unverschämte Haltung gegenüber dem Kriegsminister brachte ihn 1704 vor das Kriegsgericht. Er wurde zum Tode verurteilt, rettete sich aber durch Flucht nach Deutschland. Durch den Einfluss von Prinz Eugen erhielt er ein Generalskommando in der kaiserlichen Armee. Er kämpfte im Spanischen Erbfolgekrieg, und zwar zunächst in Oberitalien, wo er 1708 im Auftrag des römisch-deutschen Kaisers Joseph I. von Österreich ein ehemaliges Reichslehen des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, die Grafschaft Comacchio, im Comacchiokrieg besetzte.[1] Dann kämpfte er mit Auszeichnung gegen Frankreich, wo er an der Schlacht von Malplaquet teilnahm, und anschließend im Türkenkrieg gegen die Osmanen, wo er in der Schlacht von Peterwardein verwundet wurde.

Das Verfahren gegen ihn in Frankreich wurde dann fallengelassen, so dass er nach Paris reisen konnte und dort Judith Charlotte de Gontaut-Biron (1694–1741) die Tochter des Marschalls de Biron heiratete. Er kehrte nach kurzer Zeit in die kaiserliche Armee zurück und kämpfte mit Auszeichnung in Belgrad. Er hätte nun in die höchsten Ränge aufsteigen können, entzweite sich aber mit Prinz Eugen, mit dem ihn bis dahin eine enge Freundschaft verbunden hatte. Dieser schickte Bonneval 1724 mit einem Artilleriekommando in die Niederlande, wo sein ungestümes Temperament ihn in einen Streit mit Ercole Turinetti Marquis de Prié verwickelte, Prinz Eugens stellvertretendem Statthalter. Prié ließ Bonneval gefangen nehmen und vor ein Kriegsgericht stellen, das ihn auf Betreiben Prinz Eugens zum Tode verurteilte. Kaiser Karl VI. begnadigte ihn jedoch zu einem Jahr Gefangenschaft und Verbannung. Nach seiner Haft wurde Bonneval nach Wien gebracht, all seiner Würden verlustig erklärt, und nach Venedig abgeschoben.

Bald nach seiner Freilassung bot Bonneval dem Osmanischen Reich seine Dienste an. Er konvertierte zum Islam und nahm den Namen Ahmed an. Man machte ihn zum Pascha und berief ihn, um die Artillerie der osmanischen Armee zu organisieren und zu kommandieren. Bonneval trug entscheidend zur österreichischen Niederlage bei Niš im Russisch-Österreichischen Türkenkrieg (1736–1739) bei, dessen Resultat für Österreich im Frieden von Belgrad (1739) den Verlust von Nordserbien mit Belgrad, Gebieten in Nordbosnien sowie der Kleinen Walachei bedeutete und Österreichs Ansehen im Deutschen Reich und in Preußen nachhaltig schädigte.

Bonneval leistete dem Sultan im Krieg gegen Russland und gegen Nadir Schah wertvolle Dienste. Als Belohnung erhielt er die Statthalterschaft über Chios. Schnell geriet er bei der Pforte unter Verdacht; er wurde für eine Zeit an die Küste des Schwarzen Meers verbannt. Bonneval starb 1747 in Konstantinopel.

Die unter seinem Namen veröffentlichten Mémoires gelten als unecht.[2]

  • Claudius Alexander Graf von Bonneval. In: Brockhaus (Hrsg.): Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch. 1. Auflage. Band 7: Nachträge: A–L. Kunst- und Industrie-Comptoir, Amsterdam 1809, S. 131–135 (Digitalisat. zeno.org).
  • Charles-Joseph de Ligne: Mémoire sur le comte de Bonneval. Paris 1817 (bnf.fr).
  • Joseph von Hammer-Purgstall: Geschichte des osmanischen Reiches. Band 7 und 8, Pest 1831 und 1832.
  • Sainte-Beuve: Le Comte Pacha de Bonneval. In: Causeries du lundi (22. November 1852). Band V, S. 397.
  • Constantin von Wurzbach: Bonneval, Claudius Alexander Graf von. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 2. Theil. Verlag der typografisch-literarisch-artistischen Anstalt (L. C. Zamarski, C. Dittmarsch & Comp.), Wien 1857, S. 54–58 (Digitalisat).
  • Albert Vandal: Le Pacha Bonneval. Paris 1885.
  • Albert Vandal: Une Ambassade française en Orient sous Louis XV: la mission du marquis de Villeneuve. Paris 1887.
  • Max Braubach: Geschichte und Abenteuer. Gestalten um den Prinzen Eugen. München 1950, S. 275–353.
  • Septime Gorceix: Bonneval Pascha. Paris 1953.
  • Heinrich Benedikt: Der Pascha-Graf Alexander von Bonneval, 1675–1747. Böhlau, Graz u. a. 1959.
  • Hans Georg Majer: Bonneval, Claude-Alexandre Comte de. In: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Band 1. München 1974, S. 233 f.
  • Abdülkadir Özcan: Humbaracı Ahmed Paşa. In: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi, 1998, Band 18, S. 351–353 (türkisch); islamansiklopedisi.info
  • Hans Georg Majer: Ahmed Paşa, Bonneval. In: Kate Fleet, Gudrun Krämer, Denis Matringe, John Nawas, Everett Rowson (Hrsg.): Encyclopaedia of Islam, THREE. Brill Online, 2016. Online-Text (eingeschränkt zugänglich). Zuerst online erschienen: 2012; erste Printausgabe Februar 2012, ISSN 1573-3912.
  • Hermann E. Stockinger: Die Geheimdiplomatie Prinz Eugens und die Ermordungspläne des Grafen-Pascha Bonneval. In: Martin Mulsow (Hrsg.): Kriminelle – Freidenker – Atheisten. Räume des Untergrunds in der frühen Neuzeit. Böhlau 2014, S. 203–234.
  • Julia Landweber: Leaving France, “Turning Turk”, becoming Ottoman: The Transformation of Comte Claude-Alexandre de Bonneval into Humbaraci Ahmed Pasha. In: Christine Isom-Verhaaren, Kent F. Schull (Hrsg.): Living in the Ottoman Realm: Empire and Identity, 13th to 20th Centuries. Indiana University Press, Bloomington IN 2016, ISBN 978-0-253-01948-6, S. 209–224.
  1. Christoph Gottlieb Heinrich: Teutsche Reichsgeschichte, 7. Teil, Leipzig 1797, S. 539–540; Textarchiv – Internet Archive.
  2. Memoires du comte de Bonneval. 2 Bände. London 1738. (Digitalisat, Band 1Band 2) und Anecdotes Venitiennes et Turques ou Nouveaux mémoires du Comte de Bonneval. Depuis son arrivée à Venise jusqu'à son exil dans l'Isle de Chio au mois de mars 1739. 2 Bände. London 1740. (Digitalisat, Band 1, Band 2).