Ideengeschichte

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Die Ideengeschichte befasst sich mit der Entstehung und Fortentwicklung sowie Wirkung epochentypischer Mentalitäten auf der einen Seite und wissenschaftlicher Ideen und Ansätze andererseits. In letzterem Fall handelt es sich um eine Metawissenschaft, die Teil der Wissenschaftsgeschichte ist.

Im Rahmen der politischen Ideengeschichte werden die seit der Antike entwickelten politischen Ideen und Konzepte wissenschaftlich untersucht. Sie fungiert mithin als Wissenschaftsgeschichte der Politikwissenschaft. Jenseits der Philosophiegeschichte finden sich auch in anderen Wissenschaftsbereichen ideengeschichtliche Teildisziplinen.

In Deutschland gilt Friedrich Meinecke, der die Ideengeschichte als geschichtswissenschaftlichen Ansatz aus der traditionellen Geistesgeschichte weiterentwickelte, als einer ihrer bedeutendsten Vertreter. Unter maßgeblichem Einfluss seiner Schüler entwickelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg in den Vereinigten Staaten der Ansatz einer Sozialgeschichte der Ideen (social history of ideas).

Während der Weimarer Republik publizierte der deutsche Literaturhistoriker Hermann August Korff 1923 das Werk Geist der Goethezeit, in welchem er die Geistesgeschichte als eine Ideengeschichte zu fassen versuchte. So schrieb er: „Das Buch ist also mit Bewußtsein Ideengeschichte, nicht in dem üblichen Sinne Literaturgeschichte (deren Eigenrecht damit in keiner Weise angetastet werden soll). Aber es ist Ideengeschichte mit einem besonderen Rechte, weil auf der Auffassung beruhend, daß nur durch eine ideengeschichtliche Betrachtung unsere klassisch-romantische Dichtung wesenhaft zu erleuchten ist.“[1] Korff sah die Ideengeschichte als eine Geschichte, die über die Literaturgeschichte hinausgreift. Denn nach ihm seien die Gegenstände der Ideengeschichte nicht allein in der Literaturgeschichte manifest, sondern latent oder offen in allen kulturellen Erscheinungen präsent.[1]

Der traditionellen Ideengeschichte wurde im Zuge unter anderem des linguistic turn vorgeworfen, historische Diskontinuitäten, soziale Kontexte und sprachliche Konstituenten allgemeiner „Ideen“ zu vernachlässigen. Neben der Sozialgeschichte der Ideen ist die sogenannte Begriffsgeschichte eine Reaktion auf diese Methodenprobleme.[2]

Wichtige Fachzeitschriften für das Thema sind das seit 1940 erscheinende, amerikanische Journal of the History of Ideas und die Zeitschrift für Ideengeschichte (seit 2007).

Historische Entwicklung

  • D. Timothy Goering: Einleitung. Ideen- und Geistesgeschichte in Deutschland – eine Standortbestimmung, in: Ideengeschichte heute. Traditionen und Perspektiven, hrsg. von D. Timothy Goering, Bielefeld 2017, ISBN 978-3-8376-3924-7, S. 7–54.

Allgemeine Einführungen

  • Arthur Alfaix Assis: History of Ideas and Its Surroundings. In: Bloomsbury History: Theory and Method. London: Bloomsbury Publishing, 2021, DOI:10.5040/9781350970830.037.
  • Terence Ball, Richard Bellamy (Hrsg.): The Cambridge History of Twentieth-Century Political Thought. Cambridge University Press, Cambridge 2003, ISBN 0-521-56354-2.
  • Mark Bevir: The Logic of the History of Ideas. Cambridge University Press, Cambridge 1999, ISBN 0-521-64034-2.
  • Klaus von Beyme: Politische Ideengeschichte. Probleme eines interdisziplinären Forschungsbereiches. Mohr (Siebeck), Tübingen 1969.
  • David Boucher: Texts in Context. Revisionist Methods for Studying the History of Ideas. Springer, Dordrecht 1985, ISBN 90-247-3121-6.
  • Stefan Collini: What is Intellectual History? In: History Today. Bd. 35, 1985, ISSN 0018-2753, S. 46–54.
  • Robert Darnton: Intellectual and Cultural History. In: Michael Kammen (Hrsg.): The Past Before Us. Contemporary Historical Writing in the United States. Cornell University Press, Ithaca/London 1980, ISBN 0-8014-1224-2, S. 327–354.
  • Andreas Dorschel: Ideengeschichte. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010, ISBN 978-3-8252-3314-3.
  • Anthony Grafton: The History of Ideas. Precept and Practice, 1950–2000 and Beyond. In: Journal of the History of Ideas. Bd. 67, 2006, Nr. 1, S. 1–32.
  • David Harlan: Intellectual History and the Return of Literature. In: The American Historical Review. Bd. 94, 1989, S. 581–609.
  • John Higham, Paul K. Conkin (Hrsg.): New Directions in American Intellectual History. The Johns Hopkins University Press, Baltimore 1979, ISBN 0-8018-2460-5.
  • Martin Jay: Two Cheers for Paraphrase. The Confessions of a Synoptic Intellectual Historian. In: Stanford Literature Review. Bd. 3, 1986, Nr. 1, ISSN 0886-666X, S. 52–63.
  • Dominick LaCapra: Rethinking Intellectual History. Texts, Contexts, Language. Cornell University Press, Ithaca 1990, ISBN 0-8014-9886-4.
  • Marcus Llanque: Politische Ideengeschichte. Ein Gewebe politischer Diskurse. Oldenbourg, München/Wien 2008, ISBN 978-3-486-58471-4.
  • Pietro Piovani: Philosophie und Ideengeschichte. Aus dem Italienischen übersetzt und hrsg. von Michael Walter Hebeisen. Schweizerischer Wissenschafts- und Universitäts-Verlag, Biel 2010, ISBN 978-3-8391-7982-6.
  • Ralph Weber, Martin Beckstein: Politische Ideengeschichte. Interpretationsansätze in der Praxis. Vandenhoeck & Ruprecht / UTB, Göttingen 2014, ISBN 978-3-8252-4174-2.
  • Richard Whatmore, Brian Young (Hrsg.): Palgrave Advances in Intellectual History. Palgrave, Basingstoke 2006, ISBN 1-4039-3900-4.
  • Reinhold Zippelius: Geschichte der Staatsideen. 10. Auflage, München 2003, ISBN 3-406-49494-3.

Einzelnachweise

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  1. a b Heinz Gockel: Literaturgeschichte als Ideengeschichte. Vorträge und Aufsätze. Würzburg 2005, ISBN 3-8260-2974-7, S. 9.
  2. Vgl. etwa Mark Bevir, Hans Erich Bödeker (Hrsg.): Begriffsgeschichte, Diskursgeschichte, Metapherngeschichte. Wallstein, Göttingen 2002, S. 9 ff.; Kari Palonen: Begriffsgeschichte und/als Politikwissenschaft. In: Archiv für Begriffsgeschichte. Bd. 44, 2002, S. 221–234.