Ignaz Paul Vital Troxler

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Ignaz Paul Vital Troxler

Ignaz Paul Vital Troxler (* 17. August 1780 in Beromünster; † 6. März 1866 in Aarau) war ein Schweizer Arzt, Politiker, Pädagoge und Philosoph. Er gilt als Begründer des Zweikammernsystems (nach amerikanischem Vorbild) in der Schweizer Bundesverfassung.

Troxler, dessen Vater ein Schneider und Tuchhändler war, studierte von 1800 bis 1803 Philosophie und Medizin in Jena, unter anderem bei Hegel und Schelling, und ab Sommer 1803 in Göttingen. In Göttingen wurde er 1803 beim Augenarzt Karl Himly promoviert.

Als Arzt praktizierte er zunächst in Wien, wo er mit Ludwig van Beethoven befreundet war, und ab 1805 in Luzern. Troxler übte heftige Kritik an der schweizerischen Medizinpolitik. Am 16. Oktober 1809 heiratete er in Wien Auguste Caroline Wilhelmine, geb. Polborn (* 21. Mai 1792 in Potsdam, † 22. Mai 1859 in Aarau), genannt Minna, Tochter des Bildhauers und Polizei-Commissarius Johann Gottlieb Polborn (* 21. März 1749 in Brandenburg; † 12. Februar 1815 in Potsdam)[1] und der Agnese Margaretha Henriette Polborn, geb. Kelly († 6. Juni 1833 in Berlin).[2]

Nach mehreren Reisen wohnte Troxler seit 1811 wieder in Beromünster. Mit der Schrift Blicke in das Wesen des Menschen, mit welcher sich auch Goethe befasste, brach er mit der Naturphilosophie Schellings und wandte sich der Anthropologie zu. 1804 entdeckte er den später nach ihm benannten Troxler-Effekt, ein Phänomen der visuellen Wahrnehmung.

1815 war Troxler Abgesandter der Schweiz beim Wiener Kongress. 1820 wurde er Professor für Philosophie und Geschichte am Lyceum in Luzern, musste aber bereits nach einem Jahr aufgrund politischen Drucks die Stelle aufgeben. So gründete er in Aarau ein Erziehungsinstitut und praktizierte weiterhin als Arzt. Dort erwarb er im September 1826 ein Landgut auf der linken Aareseite ausserhalb der Altstadt (Vorderer Scheibenschachen).

1830 wurde Troxler als Professor an die Universität Basel als erster auf den 1818 geschaffenen Lehrstuhl für Theoretische und praktische Philosophie nebst Pädagogik berufen und für das Folgejahr zum Rektor der Universität ernannt, wurde aber bereits 1831 abgesetzt und musste im Sommer fliehen, weil man ihn der Teilnahme am Aufstand von Baselland verdächtigte.[3] 1832 wurde er Mitglied des Grossen Rates des Kantons Aargau, 1834 Professor an der Universität Bern, wo er bis 1850 lehrte.

Seine letzten Lebensjahre verbrachte Troxler auf seinem Landgut in Aarau, auf dem er 1866 im Alter von 85 Jahren verstarb.

Theodat Troxler war sein Sohn.

Büste in Beromünster

Politisch trat Troxler für eine geistige Erneuerung der Eidgenossenschaft und eine Verfassungsreform ein und war einer der eifrigsten Verfechter der schweizerischen Einheitsbestrebungen und eine führende Figur der radikal-liberalen Bewegung in der Regenerationszeit. Mit einer Schrift über das nordamerikanische Verfassungsmodell wurde Troxler zu einem bedeutenden ideellen Vorbereiter des Schweizer Bundesstaates von 1848, als einem föderalen System, mit einer deutlichen Gewaltentrennung, und zum Begründer des Zweikammersystems in der Schweizer Bundesverfassung.[4]

Als Philosoph folgte er zunächst Schelling, ab 1834 dann Jacobi. Allmählich schlug er eine mystische Richtung ein, in der «Ahnung» und «Gemüt» eine wichtige Rolle spielten. Troxler sah die Philosophie als «objektivierte Anthropologie», er bezeichnete dies in Anlehnung an seinen Begriff «Biosophie» auch als Anthroposophie, welche er als Erkenntnis der menschlichen Natur betrachtete, und die Anthropologie als Grundlage der Logik. Eine Brücke zwischen dem Toxlerschen Anthroposophiebegriff und demjenigen von Rudolf Steiner stellte Friedrich Eymann her, der sich mit der Gründung seines Troxler Verlags auch um die Herausgabe des troxlerschen Werkes mühte.

Troxler gilt als einer der bedeutendsten Philosophen der Schweiz. Der Schweizer Historiker Eduard Fueter verglich seine Rolle als Staatsphilosoph der Schweiz mit derjenigen von Hegel für Preussen.[5]

1858 wurde er zum Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina gewählt.[6] Nach ihm wurden mehrere pflegerische und soziale Einrichtungen für Menschen mit Behinderung in Wuppertal benannt, die unter dem Verein Troxler Haus e. V. stehen.[7] Ebenfalls in Wuppertal befindet sich die nach ihm benannte Waldorfschule Troxler-Schule.[8]

Schriften und Werke

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  • Dissertatio sistens primas lineas theoriae inflammationis, suppurationis et gangraenescentiae. Jena 1802.
  • Ideen zur Grundlage der Nosologie und Therapie. Academischen Buchhandlung, Jena 1803 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  • Elemente der Biosophie. 1807 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  • Blicke in das Wesen des Menschen. Sauerländer, Aarau 1812 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  • Naturlehre des menschlichen Erkennens, oder Metaphysik. Sauerländer, Aarau 1828 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  • Logik. Die Wissenschaft des Denkens und Kritik aller Erkenntniss. Zum Selbststudium und für Unterricht auf höhern Schulen. 3 Theile. Cotta, Stuttgart 1829–1830 (Digitalisate).
  • Die eine und wahre Eidgenossenschaft im Gegensatz zur Centralherrschaft und Kantonsthümelei, sowie zum neuen Zwitterbunde beider, nebst einem Verfassungsentwurf. Curti, Rapperswil 1833 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  • Vorlesungen über Philosophie. Über Inhalt, Bildungsgang, Zweck und Anwendung derselben auf’s Leben, als Encyclopädie und Methodologie der philosophischen Wissenschaften. Fischer, Bern 1835 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  • Die Verfassung der Vereinigten Staaten Nordamerika’s als Musterbild der Schweizerischen Bundesreform. Brodtmann, Schaffhausen 1848 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  • Ignaz Paul Vital Troxler – ein geistiger und politischer Erneuerer der Schweiz. Eine Anthologie. Eingeleitet und begleitet von Andreas Dollfus. Novalis, Schaffhausen 2005, ISBN 3-907260-25-2.
  • Hans Peter Balmer: Erinnerung an Philosophie. In: Peter Rück (Hrsg.): Grenzerfahrungen. Schweizer Wissenschaftler, Journalisten und Künstler in Deutschland. Basilisken-Presse, Marburg an der Lahn 1991, S. 301–309.
  • Daniel Furrer: Ignaz Paul Vital Troxler. Der Mann mit Eigenschaften (1780–1866). Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2010 (bearbeitete Dissertation, Université de Fribourg, 2009; Volltext der Dissertation).
  • Daniel Furrer: Troxler, Ignaz Paul. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 26, Duncker & Humblot, Berlin 2016, ISBN 978-3-428-11207-4, S. 459 (Digitalisat).
  • Werner E. Gerabek: Troxler, Ignaz Paul Vitalis. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1422 f.
  • Albert Güntensperger: Die Sicht des Menschen bei Ignaz Paul Vital Troxler. Francke, München 1973.
  • Peter Heusser: Der Schweizer Arzt und Philosoph Ignaz Paul Vital Troxler (1780–1866). Seine Philosophie, Anthropologie und Medizintheorie (= Basler Veröffentlichungen zur Geschichte der Medizin und der Biologie. Bd. 34). Schwabe, Basel 1984, ISBN 3-7965-0821-9.
  • Otto LiebmannTroxler, Ignaz Paul Vitalis. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 38, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S. 667.
  • Peter Schneider: Ignaz Paul Vital Troxler und das Recht. Eine Studie zum Nachweis der Bedeutung des romantischen Gedankengutes für die Entwicklung des Schweizerischen Bundesstaates (= Studien zur Staatslehre und Rechtsphilosophie. H. 4 ). Schulthess, Zürich 1948 (Dissertation, Universität Zürich, 1947).
  • Emil Spiess: Ignaz Paul Vital Troxler. Der Philosoph und Vorkämpfer des schweizerischen Bundesstaates, dargestellt nach seinen Schriften und den Zeugnissen der Zeitgenossen. Francke, Bern/München 1967.
  • Marc Winiger: Evolution und Repräsentation: I.P.V. Troxlers Rechtslehre im Kontext des deutschen Idealismus (= Europäische Rechts- und Regionalgeschichte. Bd. 16). Dike, Zürich 2011 (Dissertation, Universität St. Gallen, 2011).
  • Otto Mittler: Ignaz Paul Vital Troxler In: Argovia, Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau. Bd. 65, 1953, S. 127–136.
  • Dietrich von EngelhardtIgnaz Paul Vitalis Troxler. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 44, Bautz, Nordhausen 2022, ISBN 978-3-95948-556-2, Sp. 1339–1355.
Wikisource: Ignaz Paul Vital Troxler – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

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  1. Vgl. die Angaben der bei FamilySearch ausgewerteten und dort als Digitalisat abrufbaren Sterbeurkunde (Web-Ressource), sowie die Taufurkunde des Vaters vom 31. März 1749 ebenda (Web-Ressource, nach Anmeldung entgeltfrei zugänglich).
  2. Vgl. die Angaben der bei FamilySearch ausgewerteten Sterbeurkunde (Web-Ressource, nach Anmeldung entgeltfrei zugänglich) und die Todesanzeige des Ehemanns in Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen Nr. 22, 21. Februar 1815, Beilage (Web-Ressource).
  3. Philosophie an der Universität Basel. In: Geschichte der Philosophie in Basel. Universität Basel, abgerufen am 15. November 2024.
  4. Es ist uns das Gefühl für die Dauer in der Politik abhandengekommen. Die Schweiz hat eine Balance zwischen der Souveränität der Teile und der Souveränität des Ganzen gefunden. Taugt die Schweiz auch als Blaupause für die EU? von Peter von Matt, NZZ, 19. März 2018
  5. Eduard Fueter: Troxler. In: Martin Hürlimann (Hrsg.): Grosse Schweizer. Hundertzehn Bildnisse zur eidgenössischen Geschichte und Kultur. Atlantis, Zürich 1938, S. 502
  6. Mitgliedseintrag von Ignaz Paul Vital Troxler bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 18. Juni 2016.
  7. Troxler Haus e. V. – Einrichtung für seelenpflege-bedürftige Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Abgerufen am 24. September 2022 (deutsch).
  8. Dieter Breuer: Troxler-Schule Wuppertal e. V. 22. September 2022, abgerufen am 24. September 2022.