Temperaturverwitterung
Temperaturverwitterung (auch Insolationsverwitterung) ist ein Begriff für verschiedene Verwitterungsphänomene, die auf Temperaturschwankungen im Gestein zurückgeführt werden.[1]
Insbesondere in Wüsten- und trockenen Polargebieten sowie den Gipfelregionen der Achttausender, die durch sehr hohe Temperaturwechsel gekennzeichnet sind (entweder vom positiven zum negativen oder Schwankungen nur im tief negativen Bereich), spielt die Temperaturverwitterung eine herausragende Rolle bei den geomorphologischen Prozessen.[2]
Theorie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Erwärmung oder Abkühlung der Oberfläche von Felsoberflächen und Steinbauten verursacht eine Volumenvergrößerung bzw. -verringerung in Festkörpern. Wegen der bei Gesteinen meist relativ geringen Wärmeleitfähigkeit kommt es zur Ausbildung eines Temperaturgradienten. Wenn die durch Volumenveränderung auftretenden Kräfte die Elastizitätsgrenze der gesteinsbildenden Materialien oder ihres Bindemittels überschreiten, kann es somit zu Brüchen im Gestein kommen.[3]
Forschungshistorie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ursprünglich gingen Forscher dabei davon aus, dass allein die temperaturbedingte Volumenveränderung zu Spannungen im Gestein und dadurch zu Brüchen und Absplitterungen führten.[4] In vereinfachter Annahme sind dabei die Wärmeausdehnung und Elastizitätsmodul (E-Modul) proportional zum Spannungsgradienten.
Je nach Materialzusammensetzung, Bindemittel, Salzgehalt, Feuchtigkeit, Porosität und Permeabilität kommen aber weitere Einflüsse hinzu. Wasser oder Feuchtigkeit spielen eine große Rolle für die Wirksamkeit der Verwitterung, „trockene“ Temperaturverwitterung ohne Einwirkung von Wasser zeigt dagegen nur geringe Ausprägung.
Für ausgewählte Beispiele konnte jedoch gezeigt werden, dass auch trockene Insolationsverwitterung zur Bildung von Mikrorissen führen kann, die als Ansatzpunkt nachfolgender Verwitterungphänomene wirken.[3]
Verwandte Prozesse
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In vielen Verwitterungsprozessen spielt die Temperatur eine Rolle, ohne dass der Wirkmechanismus hauptursächlich auf die Temperaturveränderung zurückgeführt werden kann. Dies gilt etwa für die Salzverwitterung oder die Frostsprengung durch Frost-Tau-Wechsel, für die das Auftreten von Wasser offenkundig zwingend ist; die Temperaturveränderung spielt hierfür nur eine untergeordnete Rolle.
Hohe Temperatureinwirkungen kommen durch natürliche oder menschengemachte Feuereinwirkung zustande, die den E-Modul der Oberfläche verändern und so zu Gesteinszerfall führen können. Für diese Vorgänge ist der Begriff Insolationsverwitterung (der sich auf Sonneneinstrahlung bezieht) jedoch unpassend.
Besondere Gesteinsformen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Besonders ausgeprägte Temperaturwechselempfindlichkeit findet sich bei einzelnen Marmor- und Kalksteinvarietäten aufgrund der ausgeprägten Anisotropie des Elastizitätsmoduls des gesteinsbildenden Calcits. Bei sonnenempfindlichen Gesteinen wie dem Sonnenbrennerbasalt kommen chemische Einwirkungen durch die Umbildung von Mineralien hinzu.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Feuersetzen, künstliche Anwendung der Temperaturverwitterung im mittelalterlichen Bergbau
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Hans Murawski, Wilhelm Meyer: Geologisches Wörterbuch. 11., überarb. und erw. Auflage. Elsevier, Spektrum Akademischer Verlag, München 2004, ISBN 3-8274-1445-8.
- ↑ Alexander Stahr, Thomas Hartmann: Landschaftsformen und Landschaftselemente im Hochgebirge, Springer, Berlin/Heidelberg 1999, ISBN 978-3-540-65278-6. S. 23.
- ↑ a b Ronald U. Cooke, Andrew Warren, Andrew Goudie: Desert Geomorphology. Taylor & Francis, 1993, S. 28 ff.
- ↑ George Perkins Merrill: A Treatise on Rocks, Rock-Weathering, and Soils. 1897 (Neuauflage: BiblioBazaar, LLC, 2008).
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Lukas Petersik: Physikalische Verwitterung. In: Akademische Schriftenreihe. GRIN, München 2007, ISBN 978-3-638-76771-2.
- T. P. Burt, R. J. Chorley, D. Brunsden, N. J. Cox, A. S. Goudie: The History of the Study of Landforms Or the Development of Geomorphology. Band 4: Quaternary and Recent Processes and Forms (1890–1965) and the Mid-century Revolutions. Geological Society, London 2008, ISBN 978-1-86239-249-6.
- D. Dragovich: Measuring stone weathering in cities: Surface reduction on marble monuments. In: Environmental Geology. Jg. 9, Nr. 3, 1987, ISSN 0943-0105, S. 139–141.
- Andreas Koch: Deformation von Fassadenplatten aus Marmor: Schadenskartierungen und gesteinstechnische Untersuchungen zur Verwitterungsdynamik von Marmorfassaden. Universitätsverlag, Göttingen 2006, ISBN 3-938616-47-4, S. 89 ff. (ediss.uni-goettingen.de [PDF] siehe Abschnitt „Thermische und hygrische Verwitterung“).
- Ulf Lindborg, Robert C. Dunakin: Thermal Stress and Weathering of Carrara, Pentelic and Ekeberg Marble. In: Vasco Fassina (Hrsg.): Proceedings of the 9th International Congress on Deterioration and Conservation of Stone, Venedig, 19.–24. Juni 2000. Band 1. UNESCO, u. a., S. 109 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Arnulf Schultes: Temperaturverwitterung. In: Petrefaktum - Die Website für Mineralien, Fossilien und Erdgeschichte. Abgerufen am 25. November 2009.
- Arbeitsgruppe "Natursteine und Verwitterung" des Geologischen Instituts der RWTH Aachen: Ausgewählte Abstracts