Brechwurzel

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Brechwurzel

Brechwurzel (Carapichea ipecacuanha), Illustration

Systematik
Ordnung: Enzianartige (Gentianales)
Familie: Rötegewächse (Rubiaceae)
Unterfamilie: Rubioideae
Tribus: Psychotrieae
Gattung: Carapichea
Art: Brechwurzel
Wissenschaftlicher Name
Carapichea ipecacuanha
(Brot.) L.Andersson
Illustration von Ipecacuanha;
man sieht die zwei distylen Blüten

Die Brechwurzel oder Brechwurz (Carapichea ipecacuanha), auch Ruhrwurzel, Speiwurzel, Kopfbeere genannt, ist eine Pflanzenart in der Familie der Rötegewächse (Rubiaceae). Sie ist auch unter ihrem portugiesischen Trivialnamen Ipecacuanha oder spanisch Ipecacuana bekannt. Ihr „Wurzelstock“ (Radix Ipecacuanhae) wird in der Medizin verwendet, um Ipecacuana-Sirup – ein starkes Brechmittel – herzustellen.

Die Brechwurzel wächst als immergrüner kleiner Halbstrauch oder als ausdauernde krautige Pflanze bis auf Wuchshöhen von etwa 40–50 Zentimetern. Am Wurzelstock werden viele Wurzeln gebildet, die von einer dicken, geringelten, eingeschnürten Rinde umgeben sind. Es wird meist ein einzelner, kurzer Stamm oder Stängel gebildet, der nur im oberen Bereich beblättert ist. Die gegenständig angeordneten, einfachen und kurz gestielten Laubblätter sind in Blattstiel und -spreite gegliedert. Die einfache, ledrige und dunkelgrüne Blattspreite besitzt einen ganzen Rand. Sie ist eiförmig bis verkehrt-eiförmig oder elliptisch, bespitzt bis spitz und oberseits rau und unterseits weich behaart bis kahl.[1] An der Basis jeden Blattpaares befinden sich zwei langfransige Nebenblätter.[2]

In endständigen und köpfchenförmigen Blütenständen (dichte Rispen, Zymen), die von vier großen, eiförmigen Tragblättern umgeben sind, stehen die Blüten mit kleinen Deckblättern zusammen. Die zierliche, kleine, vier- oder fünfzählige, süßlich, aromatische Blüte mit doppelter Blütenhülle ist zwittrig, trichterförmig und besitzt eine weiße Farbe. Der Kelch ist nur minimal ausgebildet, mit winzigen Zähnchen. Es sind 4–5 Staubblätter mit pfeilförmigen Antheren oben am behaarten Schlund vorhanden. Der Fruchtknoten ist unterständig, mit einem schlanken Griffel mit zwei Narbenästen. Staub- und Fruchtblätter sind dimorph bzw. heterostyl, das bedeutet, dass bei einigen Blüten die Staubblätter lang sowie die Stempel kurz sind und bei den anderen Blüten ist es umgekehrt.[2] Die erst purpurrote, später blauschwarze, rundliche und glatte, zweikammerige, ein-, zweisamige, beerenartige Steinfrucht mit Kelchresten ist fleischig und bis 12 Millimeter lang.

Die Brechwurzel kommt in den tropischen Tieflandregenwäldern Mittel- und Südamerikas von Nicaragua bis Brasilien vor.[3] Sie wächst langsam, so dass sie für eine Plantagenkultur eigentlich nicht geeignet ist. Gelegentlich ist sie jedoch in Südamerika, aber auch in Indien in Kultur genommen worden. Fundorte gibt es in Costa Rica, im südöstlichen Nicaragua, Panama, Kolumbien sowie in Ecuador (nur in Napo) und in Brasilien.[4]

In der Medizin wird der „Wurzelstock“ (Radix Ipecacuanhae) verwendet, der sich einige wenige Male verzweigt. Auf dem Markt werden verschiedene Sorten angeboten (grau, rot, braun), die von derselben Art stammen. Unterschiede im Aussehen gehen auf das Alter und die Bewässerung zurück. Es sind verschiedene Ipecacuanha-Alkaloide enthalten.

Jean Adrien Helvétius (1661–1727) wandte die Droge bereits 1680 bei Dysenterie an. Da laut Theodor Husemann die Wirksamkeit nur bei tropischer Dysenterie vorliegt, wurde sie danach als Emetikum verwendet. Als schließlich das Apomorphin entdeckt wurde, das eine höhere emetische Wirksamkeit zeigt, ersetzte es die Brechwurzel.[5] Ipecacuana ist sehr giftig und kann zu blutigen Durchfällen und Krämpfen bis zum Schock bzw. Koma führen. Es enthält die Alkaloide Emetin und Cephaelin. Aus der Brechwurzel bereitete Medikamente sind in Deutschland verschreibungspflichtig.

Ipecacuanha wurde danach noch als Expektorans verwendet. Das enthaltene Emetin wurde 1817 von Pierre-Joseph Pelletier und François Magendie isoliert und T. Gordonoff zeigte mittels Röntgenkontrastmittel in der Trachea die Unterschiede zwischen der sekretomotorischen und sekreotolytischen Expektoranswirkung.[5] Als Darreichungsform wurde ein Sirup gewählt, z. B. der Brechwurzelsirup (Sirupus Ipecacuanhae) aus der 6. Ausgabe des deutschen Arzneibuchs (DAB 6).

In Deutschland wurde Ipecacuanha Menschen verabreicht, die des Drogenhandels verdächtigt wurden.[6] Damit sollten Beweismittel sichergestellt werden, die durch Verschlucken versteckt werden können. Im Zusammenhang mit dem Einsatz von Ipecacuanha starben dabei wenigstens zwei Menschen. Im Jahr 2001 starb der herzkranke Achidi John nach Brechmittelgabe durch die Polizei. Diese Methode wurde dabei insbesondere in Hamburg, Bremen und Berlin regelmäßig eingesetzt.[7]

Pflanzenarten mit ähnlicher Verwendung

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Auf dem Markt finden sich auch zahlreiche Ersatzmittel für die Brechwurzel:[8][9][10][11][12][13][14] Sie werden teils mit der portugiesischen Bezeichnung ähnlichem Namen (Ipecac, Ipecacuanha) geführt.

Geschichtliches und Namensgebung

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In Europa erstmals bekanntgemacht wurde die Ipecacuanha-Wurzel Ende des 16. Jahrhunderts durch einen portugiesischen Jesuiten, der die Brechwurz in Brasilien entdeckt hatte.[15] 1648 wurde die Brechwurz von Willem Piso und Georg Marggraf genauer beschrieben und als Mittel gegen die Ruhr gerühmt.[16] 1672 wurden die ersten Proben durch den Arzt Legras nach Paris gebracht und nach 1680 durch Jean Adrien Helvétius erfolgreich als Geheimmittel gegen blutigen Durchfall verordnet. Nachdem auch der französische König durch dieses Mittel geheilt wurde, eröffnete Helvétius 1688 den Namen des Geheimmittels und erhielt dafür eine Belohnung von 1000 Louis d’or.[17][18] Zu den Erforschern der medizinischen Bedeutung der Wurzel (Radix Ipecacuanha[19]) gehörte im 19. Jahrhundert der tschechische Physiologe Jan Evangelista Purkyně.[20]

Das Artepitheton ipecacuanha und die Trivialnamen stammen aus der Tupi-Sprache, in der i-pe-kaa-guéne so viel bedeutet wie „Pflanze vom Wegesrand, die krank macht“.[8]

Weitere Trivialnamen sind unter anderem: „Kolumbianische Brechwurzel“ (Cartagena- oder Panama-Ware), „Brasilianische Brechwurzel“ (Rio- oder Mato-Grosso-Ware). Weitere Bezeichnungen aus der Umgangssprache lauten „Ipecac“ oder „Brasilianische Wurzel“.[21]

Die Erstveröffentlichung dieser Art erfolgte 1802 unter dem Namen (Basionym) Callicocca ipecacuanha durch Felix de Silva Avellar Brotero in Transactions of the Linnean Society of London, 6, S. 137–141, Tafel 11. Die Gattung Carapichea wurde 2002 durch Bengt Lennart Andersson in Re-establishment of Carapichea (Rubiaceae, Psychotrieae), in: Kew Bulletin, Volume 57, 2002, S. 363–374 reaktiviert, seither heißt diese Art Carapichea ipecacuanha. Weitere Synonyme für Carapichea ipecacuanha (Brot.) L.Andersson sind: Cephaelis acuminata H.Karst., Cephaelis ipecacuanha (Brot.) Tussac, Cephaelis ipecacuanha (Brot.) A.Rich., Psychotria ipecacuanha (Brot.) Stokes, Evea ipecacuanha (Brot.) Standl., Uragoga acuminata (H.Karst.) Farw., Uragoga ipecacuanha (Brot.) Baill.[4][22]

Commons: Brechwurzel (Carapichea ipecacuanha) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Brechwurzel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. R. Bentley, T. Redwood: Dr. Pereira's Elements of Materia Medica and Therapeutics. 1874, S. 702–707.
  2. a b John Uri Lloyd: Cephaelis Ipecacuanha, Engelhard, 1897 PDF.
  3. Carapichea ipecacuanha. In: POWO = Plants of the World Online von Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew: Kew Science, abgerufen am 2. Juni 2020.
  4. a b Carapichea ipecacuanha im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland.
  5. a b Wolf-Dieter Müller-Jahncke, Christoph Friedrich, Ulrich Meyer: Arzneimittelgeschichte. 2., überarb. und erw. Auflage. Wiss. Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2005, ISBN 3-8047-2113-3, S. 184.
  6. Hamburg zieht Schlussstrich unter Brechmitteleinsatz. Abgerufen am 9. September 2021.
  7. Kai von Appen: Brechmitteleinsatz in Hamburg: Der Tod des Achidi John. In: Die Tageszeitung. 30. April 2010, ISSN 0931-9085 ([1] [abgerufen am 9. September 2021]).
  8. a b Ipecacuanha bei Botanical.com („Home of the electronic version of A Modern Herbal by Maud Grieve, originally published in 1931“).
  9. Theodor Wilhelm Christian Martius: Grundriss der Pharmakognosie des Pflanzenreiches. Palm und Enke, 1832, S. 44–49.
  10. R. N. und I. C. Chopra: Indigenous Drugs Of India. Second Edition, Academic Pub., 1933, 1958, ISBN 81-85086-80-X (Reprint), S. 229 ff.
  11. Heinrich Reich: Die Ipecacuanha: Pharmakognostisch-chemische Abhandlung. Deistung, 1863.
  12. Hagers Handbuch der Pharmaceutischen Praxis. 2. Band, 1910 und 5. Auflage, Drogen: A–D 1992.
  13. P. H. List, L. Hörhammer (Hrsg.): Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis. 4. Auflage, 3. Band: Chemikalien und Drogen (Am–Ch)., Springer, 1972, ISBN 3-642-80563-9, S. 797–810.
  14. Ferdinand Ludwig Strumpf: Systematisches Handbuch der Arzneimittellehre. Band 2, Enslin, 1855, S. 134–174.
  15. Wolf-Dieter Müller-Jahncke: Brechwurzel. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 207.
  16. Willem Piso, Georg Marggraf: Historia naturalis Brasiliae in qua non tantum plantae et animalia, sed et indigenarum morbi, ingenia et mores describuntur et iconibus supra quingentas illustrantur. Lugdun. Batavorum: Apud Franciscum Hackium; et Amstelodami: Apud Lud. Elzevirium 1648, S. 101 (Digitalisat).
  17. Theodor Husemann: Handbuch der gesamten Arzneimittellehre. 2. Aufl., Springer, Berlin 1883, Band II, S. 582–589 (Digitalisat).
  18. Köhler’s Medizinal-Pflanzen. Gera 1887, Band II, No. 105 (Digitalisat).
  19. Vgl. Martin Münz: Dissertatio de Cortice Peruviano, et Radice Ipecacuanhae eorumque surrogatis. Medizinische Dissertation Landshut 1810.
  20. J. E. Purkinje: Relation über einige Versuche zur Ausmittlung der Brechen erregenden Eigenschaft verschiedener Präparate der Ipecacuanha-Wurzel. In: Das chemische Laboratorium an der k. k. Universität zu Prag. 1820, S. 149–156.
  21. Ipecacuanha bei Henriette’s Herbal Homepage, zitiert Harvey Wickes Felter: The Eclectic Materia Medica, Pharmacology and Therapeutics (1922).
  22. Carapichea ipecacuanha bei Tropicos.org. Missouri Botanical Garden, St. Louis