Jüdischer Witz

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Der jüdische Witz thematisiert das Leben und die Geschichte der Juden. Oft bezieht er sich auf tatsächliche oder vermeintliche jüdische Eigenschaften wie zum Beispiel Chuzpe und Geschäftssinn. Im Gegensatz dazu steht der böse Judenwitz, der, von Nichtjuden erzählt, Juden diffamiert oder verächtlich macht. Es gibt auch Bücher mit dem Titel Der jüdische Witz, unter anderem von der Schweizer Schriftstellerin Salcia Landmann, von Burkhard Meyer-Sickendiek[1] und vom Österreicher Hermann Hakel.

In seinem Buch Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten (in dem er auch für den hier beschriebenen Humor die Bezeichnung „Judenwitz“ verwendet) schreibt Sigmund Freud:

„Die Witze, die von Fremden über Juden gemacht werden, sind zu allermeist brutale Schwänke, in denen der Witz durch die Tatsache erspart wird, daß der Jude den Fremden als komische Figur gilt. Auch die Judenwitze, die von Juden herrühren, geben dies zu, aber sie kennen ihre wirklichen Fehler wie deren Zusammenhang mit ihren Vorzügen, und der Anteil der eigenen Person an dem zu Tadelnden schafft die sonst schwierig herzustellende subjektive Bedingung der Witzarbeit.“

Sigmund Freud

Mit dem Schallplatten-, Rundfunk- und Bühnenprogrammen Fritz Muliar erzählt jüdische Witze etablierte sich der österreichische Schauspieler Fritz Muliar ab den 1950er Jahren als populärer Interpret dieser Witze im deutschen Sprachraum. Brillante deutsche Interpreten des jüdischen Witzes waren u. a. Alfred Dreifuß, Angel Wagenstein und Peter Edel.[2]

Die Beleidigten (1904)

Viele jüdische Witze beschreiben eine Dialogsituation von Juden, meist mit typischen Namen wie „Kohn“ oder „Grün“, und stellen eine besondere Logik und Argumentation in den Vordergrund. Ein hervorstechendes Merkmal jüdischer Witze ist die distanzierende, manchmal bittere Selbstironie. Dass jüdische Witze über Amerikaner und Bewohner des Staates Preußen so selten sind, liegt wohl daran, dass die neuzeitliche Assimilation der Juden nirgends besser gelang als in Preußen und in den Vereinigten Staaten.

Der Begriff unterstellt eine besondere Form des jüdischen Humors. Sofern es diesen gibt, kann Ephraim Kishon als ein insbesondere im deutschsprachigen Raum berühmter Vertreter gelten. In einer seiner Kurzgeschichten thematisiert Kishon speziell die Frage nach einem jüdischen Humor (wobei er in einer anderen Geschichte einen Vortrag zur Frage „Gibt es einen speziell jüdischen Humor – und wenn ja, warum nicht?“ halten soll). Seit den 1990er Jahren wurde jüdischer Humor insbesondere durch Filme von Woody Allen und die erfolgreiche Sitcom Seinfeld populär.

Mit dem Lied Dschiribim-Dschiribam von Arik Brauer aus dem Jahre 1971 gibt es auch eine vertonte Version mit kleinen jüdischen Witzen.

  • Kohn beklagt sich bei Grün: Er habe einen Delikatessenladen in einer Straße voller Delikatessenläden eröffnet, links davon habe Blau seinen Delikatessenladen, rechts Mandelbaum. Beide Geschäfte florieren, nur zu ihm gehe niemand einkaufen. „Na, ist doch ganz einfach: Lass dir beim Standesamt einen andern Namen geben“, schlägt ihm Grün vor, „Nennst dich halt Haupteingang!“ (Anspielung auf die Sitte christlicher Beamter, den Juden, die lange gar keine Familiennamen trugen, zwangsweise möglichst lächerliche Namen zu geben.)
  • Grüns ältester Sohn ist, um eine Katholikin heiraten zu können, zum christlichen Glauben konvertiert. Da einem frommen jüdischen Vater nichts Schlimmeres passieren kann, versinkt Grün in tiefe Depression und sperrt sich in seine Kammer. Dennoch geht die Tür auf und ein alter Mann mit weißem Bart tritt ein. Es ist Gott: „Warum weinst du, Grün?“ – „Soll ich denn nicht weinen, mein Sohn hat sich taufen lassen!“ – „Aber Grün, meiner doch auch!“ – „Ja, und was soll ich jetzt machen?“ – „Mach’s wie ich: Mach ein neues Testament!“
  • Im Jahre 1938 sitzen einander in der New Yorker U-Bahn zwei gerade eingewanderte deutsche Juden gegenüber. Der eine liest den Stürmer, das Hetzblatt Julius Streichers. Der andere liest die jüdische Zeitung, den Forverts, und wird allmählich aufgeregt. Endlich fragt er seinen Landsmann, „Wieso lesen Sie dieses furchtbare Blatt? Es ist nur reiner Antisemitismus, Judenhatz.“ Der erste Jude guckt vor sich hin. Er sagt: „Schauen Sie. Was steht in Ihrer Zeitung? Überall sind die Juden Flüchtlinge. Man verfolgt uns. Man wirft Steine und Bomben in die Synagogen. Ich lese die Nazi-Zeitung, denn sie ist zuversichtlicher. Wir besitzen die Banken! Wir besitzen die großen Firmen! Wir beherrschen die Welt!“
  • Kohn beklagt sich bei Grün: „Meine Frau, die red’t und red’t und red’t, ich werd noch ganz meschugge.“ „Was red’t sie denn?“ „Nu’, das sagt sie nicht.“
  • Birgit M. Körner: Israelische Satiren für ein westdeutsches Publikum. Ephraim Kishon, Friedrich Torberg und die Konstruktionen „jüdischen Humors“ nach der Schoah. Neofelis, Berlin 2024, ISBN 978-3-95808-427-8.
  • Jakob Hessing: Der jiddische Witz, C.H. Beck, München 2020, ISBN 978-3-406-75473-9.
  • Salcia Landmann (Hrsg.): Der jüdische Witz. Soziologie und Sammlung. Walter, Olten u. a. 1960, (15. Auflage, vollständig neu bearbeitete und wesentlich ergänzte Ausgabe. Patmos, Ostfildern 2010, ISBN 978-3-491-45039-4).
  • Friedrich Torberg: WAI GESCHRIEN oder Salcia Landmann ermordet den jüdischen Witz. Anmerkungen zu einem beunruhigenden Bestseller. In: Friedrich Torberg: PPP. Parodien, Pamphlete, Post Scripta. Langen-Müller, München u. a. 1964, S. 183–208.
  • Jan Meyerowitz: Der echte jüdische Witz. Colloquium, Berlin 1971, (Arani, Berlin 1997, ISBN 3-7605-8669-4).
  • Hans Weigel: Man derf schon. Kaleidoskop jüdischer und anderer Witze. Styria, Graz 1987, ISBN 3-222-11785-3.
  • Chajim Bloch: Jüdische Witze und Anekdoten : Ernstes und Heiteres von Gottsuchern, Gelehrten, Künstlern, Narren, Schelmen, Aufschneidern, Schnorrern, Reichen, Frommen, Freidenkern, Täuflingen, Antisemiten, mit einem Nachwort von Oswald LeWinter, Neu-Isenburg : Melzer 2006, ISBN 978-3-937389-76-9.
  • Gerhard Bronner: Tränen gelacht. Der jüdische Humor. Amalthea, Wien 1999, ISBN 3-85002-439-3.
  • Peter Köhler (Hrsg.): Das Leben ist ein Hering an der Wand – Jüdische Witze, 1. Auflage, Reclam Verlag, Leipzig 2003, ISBN 3-379-20050-6,
  • Burkhard Meyer-Sickendiek: Der ‚jüdische Witz‘: Zur unabgegoltenen Problematik einer alten Kategorie. In: Friedrich W. Block, Rolf Lohse (Hrsg.): Wandel und Institution des Komischen. Ergebnisse des Kasseler Komik-Kolloquiums. Aisthesis, Bielefeld 2012, ISBN 978-3-89528-963-7, S. 93–116.
  • Marcus G. Patka: Wege des Lachens. Jüdischer Witz und Humor aus Wien (= Enzyklopädie des Wiener Wissens. Bd. 13). Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra 2010, ISBN 978-3-902416-78-0.
  • Hans Werner Wüst: Massel braucht der Mensch. Der klassische jüdische Witz. Universitas, München 2001, ISBN 3-8004-1410-4.
  • Georg Wacks: Die Budapester Orpheumgesellschaft. Ein Varieté in Wien 1889–1919. Holzhausen, Wien 2002, ISBN 3-85493-054-2.
  • Hugo Wiener, Reinhard Trinkler: Der Blöde und der Gscheite. Die besten Doppelconferencen. Ein kabarettistisches Comicbuch. Amalthea, Wien 2014, ISBN 978-3-85002-888-2.
  • Jutta Janke (Hrsg.): Von armen Schnorrern und weisen Rabbis. Witze, Anekdoten und Sprüche. Verlag Volk und Welt Berlin, 1981 (mit Vignetten von Horst Hussel)
  • Fritz Muliar: Fritz Muliar erzählt jüdische Witze, Preiserrecords 1965.
  • Fritz Muliar: Damit ich nicht vergess’ Ihnen zu erzählen. Fritz Muliar erzählt wieder jüdische Witze. Preiserrecords 1967.
  • Arik Brauer: Arik Brauer, Polydor & ORF, 1971, LP.
  • Arik Brauer: Die Ersten. Polydor, 1988, CD-Wiederveröffentlichung.

Einzelnachweise

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  1. Der Jüdische Witz, Fink-Verlag, 2015.
  2. Lothar Kusche in der Weltbühne, Nr. des Hefts nicht bekannt