Azerbaijan-Airlines-Flug 8243

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von J28243)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Azerbaijan-Airlines-Flug 8243

Die Unfallmaschine im Juni 2016

Unfall-Zusammenfassung
Unfallart wird ermittelt
Ort nahe Aqtau (Kasachstan)
Datum 25. Dezember 2024
Todesopfer 38
Überlebende 29[1]
Luftfahrzeug
Luftfahrzeugtyp Brasilien Embraer 190 AR
Betreiber Aserbaidschan Azerbaijan Airlines
Kennzeichen 4K-AZ65
Abflughafen Flughafen Baku
Zielflughafen Flughafen Grosny
Passagiere 62[2]
Besatzung 5[2]
Listen von Luftfahrt-Zwischenfällen

Auf dem Azerbaijan-Airlines-Flug 8243 (Flugnummer IATA: J28243, ICAO: AHY8243) verunglückte am 25. Dezember 2024 eine Embraer 190 der staatlichen aserbaidschanischen Fluggesellschaft Azerbaijan Airlines. Bei der versuchten Notlandung wurden 38 der 67 Personen an Bord der Maschine getötet.

Bei der betroffenen Maschine handelte es sich um eine Embraer ERJ-190AR mit dem Luftfahrzeugkennzeichen 4K-AZ65 und der Werksnummer 19000630. Das Flugzeug absolvierte seinen Jungfernflug am 22. Juli 2013 und war mit zwei Triebwerken des Typs General Electric CF34-10E ausgestattet.[3] Von 2013 bis 2017 wurde es von Azerbaijan Airlines eingesetzt, bevor es von 2017 bis 2023 von deren Tochterunternehmen Buta Airways betrieben wurde. Im Oktober 2023 kehrte das Flugzeug zu Azerbaijan Airlines zurück, wo es von Dezember 2023 bis Oktober 2024 eingelagert war und umfangreichen Wartungsarbeiten unterzogen wurde.[4][5]

Die Maschine hob um 7:55 Uhr Ortszeit (3:55 Uhr UTC) in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku in Richtung Grosny in der russischen Teilrepublik Tschetschenien ab. Nach Angaben von staatlichen russischen Nachrichtenagenturen sowie Azerbaijan Airlines musste der Flug wegen Nebels in Grosny nach Machatschkala in Russland umgeleitet werden.[6][7] Laut dem Onlinedienst Flightradar24 wurden nach dem Einflug nach Russland wegen GPS-Jamming von 4:25 Uhr UTC bis 6:07 UTC keine validen ADS-B-Ortungsdaten des Flugzeugs empfangen.[8] Als das Signal wieder empfangen wurde, bewegte sich das Flugzeug, deutlich von der eigentlichen Flugroute abweichend, über dem Kaspischen Meer in Richtung des kasachischen Flughafens Aqtau. Der Transponder sendete den von den Piloten eingestellten internationalen Code für einen Luftnotfall.[3] Dieser Flugplatz wurde jedoch nicht mehr erreicht; die Maschine schlug um 6:28 Uhr UTC im Gelände auf. Es wurden 38 Personen an Bord der Maschine getötet,[2][6][9] darunter beide Piloten sowie eine Flugbegleiterin.[10][11]

Ermittlungen und Ursachen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Angaben der staatlichen aserbaidschanischen Nachrichtenagentur Azertac wurden die Flugschreiber des Flugzeuges noch am Tag des Absturzes gefunden.[12] Der stellvertretende Premierminister Kasachstans, Qanat Bosymbajew, gab an, das Auslesen der Flugschreiber werde etwa zwei Wochen in Anspruch nehmen.[11] Neben den von Aserbaidschan und Kasachstan eingerichteten Ermittlungskommissionen beteiligen sich Embraer als Hersteller sowie CENIPA (Centro de Investigação e Prevenção de Acidentes Aeronáuticos), die für Flugunfälle zuständige Ermittlungsbehörde der brasilianischen Luftstreitkräfte, an den Untersuchungen.[13][14][15]

Laut ersten russischen Berichten sollte die Maschine den Landeanflug auf Grosny nach einem Vogelschlag abgebrochen haben.[16] Nach Veröffentlichung von Fotos des Flugzeugwracks mit charakteristischen Einschlaglöchern kam es hingegen zu der Vermutung einer Einwirkung von Boden-Luft-Raketen; Überlebende sprachen von einer Explosion.[17] Nicht näher bezeichnete aserbaidschanische Regierungsquellen äußerten am 26. Dezember 2024, das Flugzeug sei von einer russischen Boden-Luft-Rakete beschossen und die Erlaubnis für eine Notlandung auf einem russischen Flughafen sei verweigert worden.[18] Diese Darstellung wurde durch das aserbaidschanische Nachrichtenportal caliber sowie westliche Medien wie Reuters bestätigt, die sich auf vertrauenswürdige, in die Ermittlungen eingebundene Regierungskreise beriefen.[19][20][21] Nach aserbaidschanischen Medienangaben ist das Flugzeug ersten Ermittlungen zufolge bei dem Anflug auf Grosny von einer Flugabwehrrakete russischer Streitkräfte unter Einsatz eines Flugabwehrsystems vom Typ Panzir-S getroffen worden. Die Kommunikationssysteme seien zudem zuvor komplett gestört gewesen.[22] Von der Regierung in Baku mit den Ermittlungen betraute Personen sagten, dass niemand einen absichtlichen Abschuss unterstellen würde. Aufgrund der festgestellten Fakten würde die Regierung von Aserbaidschan aber erwarten, dass die russische Seite den Abschuss des Flugzeuges zugeben würde.[23]

Auch ein Vertreter der US-Regierung sagte, ein fehlgeleiteter Schuss der russischen Flugabwehr als Ursache könne nicht ausschlossen werden. Es sei denkbar, dass schlecht ausgebildete, überforderte russische Einheiten bei der Abwehr ukrainischer Drohnen das Ziel verwechselt hätten. Die israelische Fluggesellschaft El Al setzte alle Flugverbindungen zwischen Tel Aviv-Jaffa und Moskau zunächst aus.[24] Auch weitere Fluggesellschaften unterbrachen Verbindungen nach Russland.[25] Die russische Nachrichtenagentur TASS meldete am 27. Dezember 2024 die Sperrung des Luftraumes im Süden Russlands. Die russische Regierung habe erklärt, es sei wichtig, die Untersuchung des Flugzeugabsturzes abzuwarten, um zu verstehen, was passiert sei.[26]

Die Fluggesellschaft Azerbaijan Airlines teilte am 27. Dezember 2024 unter Berufung auf vorläufige Ermittlungsergebnisse mit, dass der Absturz „durch physische und technische Einwirkungen von außen“ verursacht worden sei. Es wird laut dem aserbaidschanischen Verkehrsminister Rashad Nabiyev noch ermittelt, mit welcher Art Waffe dies geschehen sei. Der Chef der russischen Luftfahrtbehörde Rosawiazija, Dmitri Jadrow, sagte, die Situation im Bereich des Flughafens von Grosny sei sehr kompliziert gewesen. Ukrainische Kampfdrohnen hätten zu diesem Zeitpunkt Angriffe in den Gebieten Grosny und Wladikawkas geflogen. Wegen der Gefahr durch die Drohnen seien keine Starts und Landungen in Grosny erlaubt gewesen, alle Piloten hätten zum Zeitpunkt des Alarms den Luftraum verlassen müssen. Unklar ist, warum der kaum zu steuernden Maschine eine Notlandung in Russland verweigert wurde und sie über das Kaspische Meer nach Aqtau ausweichen musste.[27] Die Navigationssysteme des Flugzeugs seien nach Medienberichten währenddessen gestört worden. In Sozialen Medien wurde dazu der Verdacht laut, Russland habe die Maschine im Meer abstürzen lassen wollen, um die Spuren des wahrscheinlich unbeabsichtigten Beschusses zu verwischen.[28]

Am 28. Dezember entschuldigte sich Präsident Putin beim aserbaidschanischen Amtskollegen Əliyev „für den tragischen Vorfall im russischen Luftraum“, die Verantwortung Russlands für den Unfall räumte er allerdings nicht ein. Er gab auch keine Details darüber, wie der Unfall genau zustande kam. Auch den Beschuss durch die russische Flugabwehr bestätigte er nicht.[29] Der aserbaidschanische Sicherheitsexperte Shujaat Ahmadzada geht davon aus, dass Putin diese „eher ambivalente Entschuldigung“ aus einem „pragmatischen Kalkül“ äußerte, um den Beziehungen zwischen Russland und Aserbaidschan sowie der eng mit Aserbaidschan verbundenen Türkei nicht zu schaden. Was weiter fehle, sei eine offizielle Stellungnahme zur Bestrafung der Schuldigen und zur finanziellen Entschädigung der Opfer.[28]

İlham Əliyev forderte am 29. Dezember 2024 ein klares Schuldeingeständnis und Schadensersatz sowie die Bestrafung der Schuldigen von Russland. Schon vor der vollständigen Auswertung der Flugschreiber ergäben die Fakten ein klares Bild. Im Raum Grosny verlor das Flugzeug die Steuerungsfähigkeit, weil vom Boden aus radioelektronische Mittel eingesetzt worden seien, erklärte Əliyev. Anschließend habe direktes Feuer vom Boden aus die Maschine getroffen. Əliyev geht nicht davon aus, dass die russische Flugabwehr die Embraer absichtlich habe treffen wollen.[30] Aserbaidschan traute Russland jedoch eine transparente Aufklärung nicht zu und lehnte eine Untersuchung durch Russland ab. Die Versuche, den Fall zu vertuschen, seien ganz offensichtlich gewesen. Statt mit den Russen bei der Ermittlung zusammenzuarbeiten, wollen die Aserbaidschaner nun mit den kasachischen Behörden und dem brasilianischen Flugzeughersteller Embraer die Daten aus der Blackbox analysieren.[31]

Commons: Azerbaijan-Airlines-Flug 8243 – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Azerbaijan Airlines passenger plane crashes in Kazakhstan. The Guardian, 25. Dezember 2024, abgerufen am 25. Dezember 2024 (englisch).
  2. a b c Azerbaijan Airlines plane crash for Kazakhstan with 67 pipo onboard. In: bbc.com. BBC News, 25. Dezember 2024, abgerufen am 25. Dezember 2024 (englisch).
  3. a b Accident Embraer ERJ-190AR 4K-AZ65, Wednesday 25 December 2024. Aviation Safety Network, 25. Dezember 2024, abgerufen am 25. Dezember 2024 (englisch).
  4. 4K-AZ65: Embraer 190/195 – MSN 630. In: airfleets.net. Airfleets, abgerufen am 25. Dezember 2024 (englisch).
  5. Latest full technical control of aircraft, crashed near Aktau, conducted in October of this year. Abgerufen am 25. Dezember 2024 (englisch).
  6. a b Sofia Ferreira Santos: Dozens killed as passenger plane crashes in Kazakhstan. In: bbc.com. BBC, 25. Dezember 2024, abgerufen am 25. Dezember 2024 (englisch).
  7. Embraer 190 von Azerbaijan Airlines in Kasachstan abgestürzt. In: airliners.de. Abgerufen am 25. Dezember 2024.
  8. Ian Petchenik: Azerbaijan Airlines E190 crashes near Aktau. In: Flightradar24. 26. Dezember 2024, abgerufen am 27. Dezember 2024 (englisch).
  9. Dutzende Tote bei Absturz eines aserbaidschanischen Passagierflugzeugs. Der Standard, 25. Dezember 2024, abgerufen am 25. Dezember 2024.
  10. Katie Marie Davies, Dasha Litvinova: Azerbaijani airliner with 67 people onboard crashes in Kazakhstan leaving 32 survivors. In: AP News. 25. Dezember 2024, abgerufen am 25. Dezember 2024 (englisch).
  11. a b Catherine Nicholls, Hassan Tayir, Oren Liebermann: Black boxes of downed Azerbaijani jet recovered as questions mount over Russian involvement. Here’s what we know. In: CNN. 26. Dezember 2024, abgerufen am 27. Dezember 2024 (englisch).
  12. Hassan Tayir, Aruzhan Zeinulla, Kara Fox: Azerbaijan Airlines plane crashes in Kazakhstan, leaving 38 dead, 29 survivors, officials say. In: CNN. 25. Dezember 2024, abgerufen am 26. Dezember 2024 (amerikanisches Englisch).
  13. Plane crash near Aktau: Embraer and CENIPA representatives head to Kazakhstan. In: Kazinform. 26. Dezember 2024, abgerufen am 27. Dezember 2024 (englisch).
  14. Azerbaijani president decrees to establish state commission for plane crash investigation. In: News.az. Abgerufen am 27. Dezember 2024 (englisch).
  15. Azerbaijan Airlines plane crash: Kazakh governmental commission holds sitting of operational headquarters. In: Kazinform. 26. Dezember 2024, abgerufen am 27. Dezember 2024 (englisch).
  16. Leonid Martynyuk: Russia blames birds for Azerbaijan Airlines crash; evidence points to Russian missile. Voice of America, 27. Dezember 2024, abgerufen am 28. Dezember 2024 (englisch, Verrweis auf: Ria.ru, Dec. 25, 2024 (Link nicht mehr abrufbar)): „Russia’s Federal Air Transport Agency (Rosaviation): Preliminary: after a collision with birds, due to an emergency situation on board the aircraft [Baku-Grozny flight of Azerbaijan Airlines], its commander decided to go to an alternate airfield — Aktau was chosen.“
  17. Dutzende Tote bei Absturz eines aserbaidschanischen Passagierflugzeugs. Der Standard, 25. Dezember 2024, abgerufen am 25. Dezember 2024.
  18. Exklusiv: Flugzeugabsturz der Azerbaijan Airlines durch russische Rakete verursacht. In: euronews.com. 26. Dezember 2024, abgerufen am 26. Dezember 2024.
  19. Preliminary investigation: AZAL aircraft shot down by Russian air defence. In: caliber.az. 26. Dezember 2024, abgerufen am 26. Dezember 2024 (englisch).
  20. KİV: AZAL-ın təyyarəsi Rusiyanın “Pantsir-S” HHM-nin hücumuna məruz qalıb. In: report.az. 26. Dezember 2024, abgerufen am 26. Dezember 2024 (aserbaidschanisch).
  21. Russian air-defense system downed Azerbaijan plane, sources say. In: reuters.com. 26. Dezember 2024, abgerufen am 26. Dezember 2024 (britisches Englisch).
  22. Flugzeugunglück in Kasachstan – Absturz oder Abschuss? In: tagesschau.de. 26. Dezember 2024, abgerufen am 26. Dezember 2024.
  23. Absturz in Kasachstan – Passagierflugzeug versehentlich abgeschossen? In: heute.de. 26. Dezember 2024, abgerufen am 26. Dezember 2024.
  24. Flugzeugunglück in Kasachstan – Auch USA vermuten russischen Beschuss als Ursache. In: tagesschau.de. 27. Dezember 2024, abgerufen am 27. Dezember 2024.
  25. Flugzeugunglück in Kasachstan – Viele Hinweise auf Fremdeinwirkung als Absturzursache. In: tagesschau.de. 27. Dezember 2024, abgerufen am 27. Dezember 2024.
  26. Liveblog Krieg gegen die Ukraine – Russland sperrt Luftraum im Süden des Landes. In: tagesschau.de. 27. Dezember 2024, abgerufen am 27. Dezember 2024.
  27. Absturz in Kasachstan – Hinweise auf russischen Abschuss mehren sich. In: heute.de. 27. Dezember 2024, abgerufen am 27. Dezember 2024.
  28. a b Silvia Stöber: Absturz eines Passagierjets – Warum Putin sich in Baku entschuldigte. In: tagesschau.de. 28. Dezember 2024, abgerufen am 28. Dezember 2024.
  29. Guy Faulconbridge: Putin apologises to Azerbaijan's Aliyev over 'tragic incident' with plane in Russian airspace. Reuters, 28. Dezember 2024, abgerufen am 28. Dezember 2024 (britisches Englisch).
  30. Flugzeugabsturz in Kasachstan – Aliyev wirft Russland Abschuss vor. In: tagesschau.de. 29. Dezember 2024, abgerufen am 29. Dezember 2024.
  31. Abschuss von Flugzeug über Kasachstan: Aserbaidschans Präsident wirft Kreml Lügen vor. In: MSN. 30. Dezember 2024, abgerufen am 30. Dezember 2024.