Jacques de Baerze

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Jacques de Baerze (fl. vor 1384 – nach 1399) war ein flämischer Holzbildhauer.

Enthauptung Johannes’ des Täufers, Detail aus dem Schrein des Heiligen-und-Märtyrer-Retabels

Leben und Wirken

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De Baerze stammte wahrscheinlich aus Gent und lebte im etwa dreißig Kilometer entfernten Dendermonde, das über eine gute Zuwegung nach Antwerpen und Brüssel verfügte.

1384 muss de Baerze bereits ein etablierter Meister gewesen sein, wie zwei von Ludwig II. von Flandern, Herzog von Burgund, in Auftrag gegebene Schnitzaltäre nahelegen, die archivalisch dokumentiert, aber materiell nicht überliefert sind. Diese waren für die Kapelle von Schloss Dendermonde und das Hospital der Zisterzienserinnenabtei Bijloke, etwas außerhalb von Gent, bestimmt.

Vielleicht waren es diese Auftragsarbeiten, die Philipp dem Kühnen, Herzog von Burgund und Ludwigs Schwiegersohn und nachfolgender Graf von Flandern, auffielen. Philipp hatte 1385 gemeinsam mit seiner Frau Margarete die Kartause Champmol bei Dijon, der Hauptstadt des Herzogtums Burgund, gegründet und als dynastische Grablege des Hauses Burgund-Valois bestimmt. Im Jahr 1390 bestellte der Herzog zwei Arbeiten bei Jacques de Baerze: den Altar der Heiligen und Märtyrer für den Kapitelsaal der Kartause und das größere Kreuzigungsretabel für den Altar des Jean de Berry hinter dem Hochaltar der Kirche.[1] Beide Retabel wurden im Inneren von de Baerze mit reichen Schnitzereien versehen, während die Flügelaußenseiten vom burgundischen Hofmaler (valet de chambre) Melchior Broederlam ausgeführt wurden.

Die Retabelkisten wurden dafür im August 1391 von Dijon nach Dendermonde transportiert und von de Baerze mit Skulpturen ausgestattet, bevor sie für die Vergoldung und Bemalung nach Ypern in die Werkstatt von Broederlam gingen.[2] Nach der Rückkehr nach Champmol wurden sie durch ein Komitee, dem unter anderem Claus Sluter angehörte, begutachtet und Ende 1399 aufgestellt.

Jacques de Baerze ist danach nicht mehr quellenkundlich greifbar.

Die Retabel gelangten mit den übrigen erhaltenen Ausstattungsstücken der Kartause nach der Französischen Revolution in das Musée des Beaux-Arts in Dijon.

Es handelt sich bei den Schnitzaltären Jacques de Baerzes vermutlich um die ältesten, vollständig erhaltenen Exemplaren aus den nördlichen und südlichen Niederlanden, da Vorläufer, Zeitgenossen und Nachfolger großteilig den Bilderstürmen der Neuzeit zum Opfer fielen.[3] Aufgrund mangelnder Vergleiche ist der Stil Jacques de Baerzes, abseits einer Zuschreibung an den zeittypischen Weichen Stil, schwer herzuleiten.

Kreuzigungsretabel aus Champmol

  • mit Melchior Broederlam: Altarkreuz für den Altar des Duc de Berry in der Kartause Champmol, um 1391–99 (28 cm hoch, Walnuss mit Resten originaler Vergoldung; Art Institute of Chicago, Inv. Nr. 1944.1370)[4][5]
  • mit Melchior Broederlam: Kreuzigungsretabel für den Altar des Duc de Berry der Kartause Champmol, um 1391–99 (167 × 252 cm im geöffneten Zustand, Eiche und Linde mit Resten originaler Vergoldung; Dijon, Musée des Beaux-Arts)
  • Retabel der Heiligen und Märtyrer für den Altar im Kapitelsaal der Kartause Champmol, um 1390/95 (159 × 252 cm im geöffneten Zustand, Eiche; Dijon, Musée des Beaux-Arts)
  • Heiliger Georg, Ende 14. Jahrhundert (Walnuss; Zagreb, Mimara-Museum)[6]
  • Oswald Goetz: Der Gekreuzigte des Jacques de Baerze. In: Erich Meyer (Hrsg.): Eine Gabe der Freunde für Carl Gerog Heise zum 28.VI.1950. Mann, Berlin 1950, S. 158–167.
  • Douglas Murrell Hinkey: The Dijon Altarpiece by Melchior Broederlam and Jacques de Baerze. A Study of its Iconographic Integrity. Ann Arbor 1980.
  • Wiltrud Mersmann: Jacques de Baerze i Claus Sluter (= Studije Muzeja Mimara. Band 2). Zagreb 1988.
  • Susanne Bichler: Les Retables de Jacques de Baërze. In: Jean-Philippe Lecat (Hrsg.): Actes des Journées Internationales Claus Sluter. Dijon 1990, S. 23–36.
  • Renate Prochno: Die Kartause von Champmol. Grablege der burgundischen Herzöge 1364–1477 (= Acta humaniora. Schriften zur Kunstwissenschaft und Philosophie). Akademie Verlag, Berlin 2002.
  • Evelyn Bertram-Neunzig: Das Flügelretabel auf dem Hochaltar der Dortmunder Kirche St. Reinoldi. Untersuchungen zu seiner Gestalt, Ikonographie und Herkunft. Dissertation Universität Köln 2004.
  • Reinhard Karrenbrock: „...VND SY IST IN FLANDERN GEMACHT“. Das frühe niederländische Altarretabel. Produktion und Export. In: Till-Holger Borchert (Hrsg.): Van Eyck bis Dürer. Altniederländische Meister und die Malerei in Mitteleuropa. Ausstellungskatalog. Stuttgart 2010, S. 34–53.
  • Sophie Jugie (Hrsg.): Les Retables de la Chartreuse de Champmol. Snoeck, Gand 2014.
  1. Vgl. grundlegend Renate Prochno: Die Kartause von Champmol. Grablege der burgundischen Herzöge 1364–1477 (= Acta humaniora. Schriften zur Kunstwissenschaft und Philosophie). Akademie Verlag, Berlin 2002, S. 128–136, 188–191; Evelyn Bertram-Neunzig: Das Flügelretabel auf dem Hochaltar der Dortmunder Kirche St. Reinoldi. Untersuchungen zu seiner Gestalt, Ikonographie und Herkunft. Dissertation Universität Köln 2004, S. 196–201, Kat. Nr. 1 und 2.
  2. Vgl. Reinhard Karrenbrock: „...VND SY IST IN FLANDERN GEMACHT“. Das frühe niederländische Altarretabel. Produktion und Export. In: Till-Holger Borchert (Hrsg.): Van Eyck bis Dürer. Altniederländische Meister und die Malerei in Mitteleuropa. Ausstellungskatalog. Stuttgart 2010, S. 34–53, hier S. 36.
  3. Fast zeitgleich entstand das Retabel des Prämonstratenserklosters Varlar, heute Münster, LWL-Museum für Kunst und Kultur, Inv. Nr. E-110 LM. Eintrag Sammlung Online LWL-Museum
  4. Corpus of Christ, from the Altarpiece of the Crucifixion. Art Institute Chicago, abgerufen am 25. Juni 2024 (englisch).
  5. Vgl. Oswald Goetz: Der Gekreuzigte des Jacques de Baerze. In: Erich Meyer (Hrsg.): Eine Gabe der Freunde für Carl Gerog Heise zum 28.VI.1950. Mann, Berlin 1950, S. 158–167.
  6. Zbirka europske skulpture. Izdvojeni predmeti. Muzej Mimara, abgerufen am 25. Juni 2024 (kroatisch).