Zeitrechnung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Jahrrechnung)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Zeitrechnung befasst sich mit der Ordnung und Strukturierung von Zeit bzw. zeitlicher Abläufe. Die international gebräuchlichste Zeitrechnung bezieht sich bei den Bezugsdaten – Ära – auf den Gregorianischen Kalender und ist auch bezüglich der anderen Aspekte mit der Ordnung und Strukturierung der christlichen Zeitrechnung identisch.

Aspekte der Zeitrechnung:

In Deutschland steht das Recht der Zeitbestimmung nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 4 GG allein dem Bund zu.

Kalender und Uhrzeit

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur zyklischen Strukturierung wird die Zeit in der Regel im Rahmen eines Kalenders eingeteilt in:

Jahre, Monate, Wochen, Tage

In Rahmen der Uhr wird sie dargestellt in:

Stunden, Minuten, Sekunden

Ausgangspunkt für diese wiederkehrenden Zeiteinteilungen war in allen Kulturen die Beobachtung astronomischer Phänomene im Zusammenhang mit der Sonne, dem Mond und dem Sternenhimmel. Der heutige weltweit gebräuchlichste Gregorianische Kalender ist ein Solarkalender.

Jahrrechnung, verschiedene Bezugspunkte der Jahrrechnung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Vorstellung linear verlaufender Zeit entspringt dem individuellen Zeitempfinden. Aus der Erinnerung an die Abfolge der Sonnenjahre ergibt sich die Einteilung eines Menschenlebens in Lebensjahre. Bezugsdatum der persönlichen Zeitrechnung ist der Geburtstag.

Voraussetzung für lineare Zeitrechnungen (Jahrrechnung) ist die Vereinbarung eines oder mehrerer Bezugsdaten.

Orientierung an einer Singularität

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die gleichzeitige Entstehung von Raum und Zeit kann singulärer Bezugspunkt von Zeitrechnungen sein:

  • Das Lambda-CDM-Modell des Universums beschreibt die Evolution des Universums seit dem Urknall aus einer Singularität in einer Zeitrechnung mit kosmischen Dimensionen. Es gibt das Alter des Universums mit rund 13,8242 Milliarden Sonnenjahren an.
  • Im Judentum gibt es von alters her eine Vorstellung von der Einheit von Zeit und Raum und der linearen Struktur der Zeit. In der Schöpfung des Universums entstand das Raum-Zeit-Kontinuum ex nihilo. Als den ersten Tag der Jüdischen Ära setzten jüdische Forscher den 6. Oktober 3761[1] v. d. Z. fest (siehe jüdischer Kalender). Wenn man die sieben biblischen Schöpfungstage jeweils als bürgerliche Sonnentage auffasst, soll am Jom Rischon, dem 6. Oktober 3761 v. Chr., 23:11:20 Uhr das biblische Gotteswort zur Schöpfung von Zeit und Raum (Gen 1,3 EU) ergangen sein: „Es werde Licht, und es ward Licht“[2]. Andere jüdische Forscher wiesen auf den Fakt hin, dass die Sonne, als Ursache des Sonnentags von etwa 24 Stunden, erst am vierten Schöpfungstag geschaffen worden sei. Am ersten Tag der Schöpfung entstand mit dem sich ausbreitenden „Es werde Licht“, auch die Zeit, was dem Lambda-CDM-Modell des Urknalls ähnelt. Dies erlaubte die Meinung, dass die Schöpfungstage auch für jeweils (unterschiedlich) große Zeiträume stehen können, was mit dem wissenschaftlichen Alter des Universums, seit dem Urknall aus einer Singularität, von rund 13,8 Milliarden Jahren, versöhnbar ist.
  • Die christliche Tradition folgte der jüdischen Tradition der Schöpfung als Ausgangspunkt der Zeitrechnung. Allerdings wichen die Ergebnisse bei der Berechnung des „annus creationis mundi“ (Jahr der Erschaffung der Welt) von der im Judentum eingebürgerten Zahl ab. Der erste christliche Theologe, der die Schöpfung zum Bezugspunkt der Jahreszählung machte, war Gregor der Große. Er kam auf 5184 Jahre bis zur Auferstehung Jesu Christi, die er auf dessen 33. Jahr ansetzte, sodass 5151 Jahre bis zur Zeitenwende verbleiben.[3] Das Oströmische Reich zählte in Jahren ab der Erschaffung der Welt, die entsprechend den Angaben in der Septuaginta auf das Jahr 5501 v. Chr. oder 5508 v. Chr. datiert wurde; erst Ende des 17. Jahrhunderts setzte sich auch in den orthodoxen Kirchen die Zählung nach Christi Geburt durch.[4]

Orientierung an der Regierungszeit von Herrschern

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Einordnung des Jahres 1724 in die christliche Zeitrechnung und nach Herrscherjahren, Kaiserlicher Hof- mund Ehrenkalender 1724

In vielen Kulturen wurde aus dem Amtsantritt des jeweiligen Herrschers die „offizielle Zeitrechnung“ abgeleitet. Jahre werden etwa angegeben als „Im xx. Jahr der Regentschaft des …“; Beispiele:

Die Indische Zeitrechnung verzeichnet viele kurzlebige Reiche, die alle ihre eigenen Zeitrechnungen, beginnend mit einem Herrscher, hatten. Viele sind bisher chronologisch noch nicht fest fixiert.

  • Im Hinduismus das Shaka-Zeitalter und das Kali-Yuga-Zeitalter.
  • Das Gupta-Reich beginnt seine Zeitrechnung mit der Thronbesteigung des ersten Gupta-Königs Chandragupta I. im Jahr 319.
  • Maues-Ära: Frühes erstes vorchristliches Jahrhundert, unsicher[5]
  • Azes-Ära: Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts, wohl identisch mit der Vikrama Ära
  • Gondophares-Ära: begann um 20
  • Saka-Ära: begann im Jahr 78, vielleicht identisch mit der Kosam-/Bandogarh- und der Lichchhavi-Ära
  • Kanischka-Ära: begann zwischen 110 und 130
  • Kuschan-Ära: begann 227 und war vielleicht die Fortsetzung der Kansihka-Ära
  • Kushano-Sasanidische Ära: begann 233
  • Kalchuri-Chedi-Ära: 248
  • Ganga-Ära: 420

Orientierung an religiös bedeutsamen Personen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einige Kulturen und Religionen orientierten ihre Zeitrechnung an ihrer Gründergestalt.

  • Im Buddhismus orientiert man die Zeitrechnung traditionell am Todestag des Buddhas Siddhartha Gautama, der durch singhalesische Mönche auf 544 v. Chr. festgelegt wurde, eigentlich starb Buddha wohl um 483 v. Chr. Das westliche Jahr 2000 war also in der gängigen buddhistischen Zeitrechnung das Jahr 2544 (B.E.).
  • Die christlichen Gemeinden folgten zunächst der jeweils regional vorherrschenden Zeitrechnung. Der um 545 gestorbene römische Mönch Dionysius Exiguus berechnete aus Vorgaben des Neuen Testaments das Jahr 754 ab urbe condita (alte römische Zeitrechnung) als Jahr der Geburt des Jesus von Nazaret, welches dann zum „Jahr 1“ in der Christlichen Jahreszählung (1 nach Christi Geburt) wurde. Beda Venerabilis war um 730 der erste Historiker, der diese Christliche Zeitrechnung systematisch gebrauchte. Im Frankenreich Karls des Großen war sie schon gebräuchlich und verbreitete sich von dort später weltweit. Seither wird in der christlich geprägten Welt die Zeit eingeteilt in ante Christum natum, vor Christi Geburt, und post Christum natum, nach Christi Geburt. Die damit tradierte christliche Zeitrechnung steht jedoch im Kontrast zur historisch wahrscheinlichen Geburt des Jesus von Nazaret im Zeitraum der Jahre 7 bis 4 vor Christi Geburt. Bei älteren deutschsprachigen Jahresangaben findet sich auch die Abkürzung „AD“ (lateinisch Anno Domini‚ im Jahr des Herrn); mit „Herr“ ist hier Jesus Christus gemeint. Im 20. Jahrhundert wurde versucht, die Abkürzung vuZ/nuZ (vor bzw. nach unserer Zeitrechnung) einzuführen. In englischen Texten ist AD (Anno Domini) und BC (before Christ) weithin üblich.[6]
  • Die islamische Jahreszählung beginnt mit dem Jahr der Hidschra Mohammeds, dem Abbruch der Beziehungen und Bindungen des Propheten und seiner Anhängerschar zu seiner Heimatstadt Mekka und seine Übersiedlung nach Medina im Jahr 622 n. Chr.
  • Im Bahaitum beginnt die Zeitrechnung des Badi-Kalenders am 21. März 1844 im Jahr der Erklärung des Bāb.

Orientierung an Ereignissen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Andere Zeitrechnungen orientieren sich an Ereignissen von religiöser oder kultischer Bedeutung:

  • Eine im griechischen Kulturraum der Antike verbreitete Jahreszählung basierte auf Olympiaden, deren erste 776 v. Chr. stattfand.
  • Die römische Jahreszählung ab urbe condita leitet sich von der angenommenen Abkunft des römischen Volkes von Äneas und der legendären Gründung Roms durch Romulus ab. Systematisch gebraucht wurde sie allerdings erst um 400 n. Chr. von dem iberischen Historiker Orosius.

Moderne Zeitrechnungssysteme

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Vereinfachung der maschinellen Rechnung mit Zeiträumen wurden lineare Zeitrechnungssysteme mit mehr oder weniger willkürlich gesetzten Nullpunkten geschaffen:

Geologische Zeitalter

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Geologie wird für die Beschreibung sehr großer Zeiträume von hunderten Millionen Jahren eine geologische Zeitskala verwendet.

Relative und absolute Chronologie

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Geschichts- und verwandten Wissenschaften gibt es die Unterscheidung zwischen absoluter und relativer Chronologie. Hier ist mit Chronologie eine zeitliche Abfolge gemeint, welche als absolut (zum Beispiel Herrscherlisten, dendrochronologische Abfolge) gilt, wenn diese sich an die Gegenwart anbinden lässt. So ist etwa durch exakt datierte Fixpunkte bekannt, wann genau vor unserer Zeit ein Element dieser Abfolge existierte. Somit kann nun die ganze Abfolge absolut datiert werden. Als relativ wird eine Chronologie bezeichnet, wenn zwar Ereignisse, Funde etc. untereinander in eine zeitliche Abfolge gebracht werden können, jedoch bei der Altersbestimmung nicht festzulegen ist, wie lange diese Abfolge vor der Gegenwart lag, da ein feststehender Bezugspunkt zur Gegenwart fehlt.[7]

Datumskonventionen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Europäischen Norm EN 28601 (von 1992) ist das Datumsformat (die gültige Darstellung der Zeitrechnung) festgelegt, welches für Deutschland und Österreich uneingeschränkt gültig ist (abgeleitet aus ISO 8601 von 1988). Zudem sieht der aktuelle Standard ISO 8601 (von 2000) eine vollständige Skala mit einem Jahr null und Jahresangaben mit negativem Vorzeichen vor. Es wird auf eine Datierung nach christlicher Tradition bezüglich vor oder nach Christus ohne Jahr null nicht mehr eingegangen.

Wiktionary: Zeitrechnung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  • Brigitte Englisch: Passio domini? Grundlagen und Entwicklungen chronologischer Systeme im frühen Mittelalter, in: Stefan Pätzold (Hrsg.): Chroniken als Quellen landesgeschichtlicher Forschung (= Westfälische Quellen- und Archivpublikationen. Bd. 32), Münster 2023, S. 133–163, ISBN 978-3-936258-36-3.
  • Hermann Grotefend: Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit. I–II, Hannover 1891–1892/98; Neudruck Aalen 1970; und: Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit., entworfen von Hermann Grotefend, 8. Auflage, besorgt von Otto Grotefend, Hannover 1941; anastatische Neudrucke bis 1948; 10. Auflage, hrsg. von Th. Ulrich, Hannover 1960; 14. Auflage 2014.
  • Hans Lietzmann: Zeitrechnung der römischen Kaiserzeit, des Mittelalters und der Neuzeit für die Jahre 1-2000 nach Christus. Walter de Gruyter & Co, Berlin 1946.
  • Thomas Vogtherr: Zeitrechnung – von den Sumerern bis zur Swatch. Beck, München 2006, 3. Auflage 2012, ISBN 978-3-406-44763-1.
  • Hermann Reichert: Zeitrechnung und Zeitbewußtsein. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Nr. 35. de Gruyter, Berlin/New York 2007, ISBN 978-3-11-018784-7, S. 866–877.
  • Leofranc Holford-Strevens: Kleine Geschichte der Zeitrechnung und des Kalenders. Reclam, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-15-018483-7.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Der Brockhaus multimedial 2009
  2. Ludwig Basnizki: Der jüdische Kalender: Entstehung und Aufbau. Jüdischer Verlag, Frankfurt 1998, ISBN 978-3-633-54154-6, S. 29–30.
  3. Arno Borst: Computus. Zeit und Zahl in der Geschichte Europas. 3., durchgesehene und erweiterte Auflage. Wagenbach, Berlin 2004, ISBN 3-8031-2492-1, S. 35.
  4. damals.de Eine neue Zeitrechnung, 11. Januar 2010, abgerufen am 11. August 2024
  5. Robert Bracey: The Minor Indo-Parthian Eras. Kushan History, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 7. August 2011; abgerufen am 21. Juli 2010 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.kushan.org
  6. neben BCE/CE – Google-Buch-Statistik Ngram Viewer
  7. Hermann [und ab der 8. Auflage Otto] Grotefend: Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, 10. Auflage, hrsg. von Theodor Ulrich, Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1960. ISBN 978-3-7752-5177-8