Johan Gaume
Johan Gaume (* 18. September 1985 in Morteau) ist ein französischer Forscher für Alpine Massenbewegungen und Professor an der ETH Zürich und am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Johan Gaume schloss 2008 sein Maschinenbaustudium und seinen Master am Institut polytechnique de Grenoble ab. Danach war er als Postdoc an der WSL/SLF in Davos tätig. Im Jahr 2016 wechselte er als Research and Teaching Associate an die EPFL und besuchte die UCLA und UPenn. Von 2019 bis 2022 war er Assistenzprofessor an der EPFL und Leiter des Snow and Avalanche Simulation Laboratory. Seit 2022 ist er ausserordentlicher Professor für Alpine Massenbewegungen an der ETH Zürich, eine Position, die gemeinsam mit dem WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos verbunden ist, wo der Grossteil seiner Gruppe angesiedelt ist.[1][2][3] Johan Gaume war auch ein semiprofessioneller Snowboarder, spezialisiert auf Big Air und Slopestyle.[4][5]
Forschung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sein Forschungsinteresse gilt der Auslösung und Ausbreitung von gravitationsbedingten Massenbewegungen in Gebirgen mit besonderem Schwerpunkt auf Schnee- und Lawinenmechanik, einschliesslich der Entwicklung von Multiskalenmethoden, die auf Numerischer Mechanik basieren und anhand von Labor- und Feldexperimenten validiert werden. Im Jahr 2018 schlug er einen neuen Ansatz vor, der auf einem neuartigen konstitutiven Gesetz für Schnee und einer als Numerische Mechanik bekannten Technik basiert, um sowohl die Freisetzung als auch die Strömung auf der Hangskala zu simulieren.[6] Dieses Modell ermöglichte es ihm und seiner Gruppe später, einen Übergang von der Sub-Rayleigh-Antiriss zur Supershear-Rissausbreitung während des Ablösungsprozesses von Schneelawinen zu entdecken.[7][8] Seine Arbeit über Schneelawinen wurde auf die Modellierung von Gletscherkalbungen und Tsunamis sowie mehrphasige alpine Massenbewegungen ausgedehnt.[9] Seine Arbeit verbessert das physikalische Verständnis von Hanginstabilitäten und Massenströmen und hat Auswirkungen auf die angewandte Forschung im Zusammenhang mit der Risikobewertung und dem Management in Bergregionen.
3-D-Simulation von Lawinen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bei einer Zusammenarbeit von Gaume mit Experten von der UCLA wurden möglichst realistische dreidimensionale Simulationen von Schneebrettlawinen entwickelt.[10] Diese dienen dazu, Lawinen besser vorherzusagen. Sie konnten zudem auch dafür genutzt werden, um besseren digitalen Schnee für Animationsfilme erzeugen, wie im Disney-Trickfilm Froze.[11]
Erklärung für das Unglück am Djatlow-Pass
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]2021 hat Gaume zusammen mit seinem Kollegen Alexander Puzrin eine mögliche Erklärung für das Unglück am Djatlow-Pass, einen berühmten russischen Cold Case, vorgeschlagen, um das sich Verschwörungstheorien ranken.[12] Die beiden Forscher argumentierten in einem Open-Access-Journal von Nature, die Tourengänger könnten ganz banal von einer Schneebrett-Lawine überrascht worden sein.[13] Daraufhin war «das Medienecho gewaltig. Rund um den Globus berichteten Journalisten über die Arbeit der Schweizer Forscher», wie die Neue Zürcher Zeitung schreibt.[14] Der Standard,[15] National Geographic[16], Stern[17] und andere Magazine berichteten. Im Fernsehen der italienischsprachigen Schweiz RSI wurde ein Dokumentarfilm zum Thema gezeigt.[18] Später lud Nature die beiden Forscher zu einem Meinungsbeitrag ein. Sie sollten schildern, wie sich die Publikation auf ihre Karriere ausgewirkt hatte.[19]
Lehre und Öffentlichkeitsarbeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Gaume ist an der Klasse Physik und Hydrologie des Schnees (EPFL-Masterkurs) beteiligt und unterrichtet die Vorlesung Granularmechanik an der ETH Zürich (Herbstsemester). Er beteiligt sich jedes Jahr an Outreach-Aktivitäten: Er hält Vorträge und organisiert praktische Workshops im Rahmen der internationalen Lawinenaufklärungsveranstaltungen. Er ist Mitglied der Science Alliance von Protect Our Winters Switzerland.[5]
Auszeichnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Gaume erhielt das Bundes-Exzellenz-Stipendium (SBFI) und wurde mit dem SNF Ambizione-Stipendium und dem Eccellenza-Professorenstipendium ausgezeichnet.[1] Im Jahr 2023 wurde er mit dem IUGG Early Career Scientist Award ausgezeichnet.[20]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Johan Gaume auf der Website der ETH Zürich
- Profil von Johan Gaume auf der Website zum Lehrstuhl für alpine Massenbewegungen
- Johan Gaume auf der Website des SLF (englisch)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b ETH Zürich: Neuer Professor für Alpine Massenbewegungen und Verabschiedungen. 4. August 2022, abgerufen am 12. September 2024.
- ↑ SLF: Prof. Dr. Johan Gaume. Abgerufen am 12. September 2024.
- ↑ «Ich war wirklich stur». WSL, 15. März 2023, abgerufen am 2. Oktober 2024.
- ↑ Iris Mickein: Vom Brettsport zur Spitzenforschung. 16. Februar 2023, abgerufen am 12. September 2024.
- ↑ a b Christiane Eggert: Lawinenforscher Johan Gaume. PowderGuide, 24. Dezember 2022, abgerufen am 12. September 2024
- ↑ Johan Gaume, Ted Gast, Joseph Teran, Alec van Herwijnen: Dynamic anticrack propagation in snow. In: Nature Communications. Band 9, Nr. 1, 2018, S. 3047, doi:10.1038/s41467-018-05181-w.
- ↑ Bertil Trottet, Ron Simenhois, Grégoire Bobillier, Bastian Bergfeld, Alec van Herwijnen, Chenfanfu Jiang, Johan Gaume: Transition from sub-Rayleigh anticrack to supershear crack propagation in snow avalanches. In: Nature Physics. Nr. 18, 2022, S. 1094–1098, doi:10.1038/s41567-022-01662-4.
- ↑ Sandrine Perroud: Die Physik von Schneebrettlawinen ähnelt derjenigen von Erdbeben. Swiss Science Today, 26. Juli 2022, abgerufen am 12. September 2024.
- ↑ Alessandro Cicoira, Lars Blatny, Xingyue Li, Bertil Trottet, Johan Gaume: Towards a predictive multi-phase model for alpine mass movements and process cascades. In: Engineering Geology. Nr. 310, 2022, doi:10.1016/j.enggeo.2022.106866.
- ↑ science.ORF.at und sda: Realistische 3-D-Simulation von Lawinen. In: science.orf.at. 6. August 2018, abgerufen am 19. Oktober 2024.
- ↑ Computersimulation - Dank Schweizer Forschern kann es Disney schöner schneien lassen. In: tagblatt.ch. 7. August 2018, abgerufen am 19. Oktober 2024.
- ↑ Robin George Andrews: Has science solved one of history’s greatest adventure mysteries? In: National Geographic. 17. Mai 2023, abgerufen am 14. Oktober 2024 (englisch).
- ↑ Johan Gaume, Alexander M. Puzrin: Mechanisms of slab avalanche release and impact in the Dyatlov Pass incident in 1959. In: Communications Earth & Environment. Band 2, Nr. 1, 28. Januar 2021, ISSN 2662-4435, doi:10.1038/s43247-020-00081-8 (nature.com [abgerufen am 14. Oktober 2024]).
- ↑ Christian Speicher: Unglück am Djatlow-Pass: Neue Belege für Lawinenhypothese. In: Neue Zürcher Zeitung. 24. März 2022, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 14. Oktober 2024]).
- ↑ Klaus Taschwer: Forscher erhärten Theorie zum legendären Unglück vom Djatlow-Pass. In: Der Standard. 29. Januar 2021, abgerufen am 7. August 2021.
- ↑ Robin George Andrews: Unglück am Djatlow-Pass: Mysterium endlich gelöst? In: National Geographic. 1. Februar 2021, abgerufen am 7. August 2021.
- ↑ Gernot Kramper: Schweizer Forscher liefern neue Erklärung für den Schrecken am Djatlow-Pass. In: Stern. 29. Januar 2021, abgerufen am 7. August 2021.
- ↑ Matteo Born: Il mistero Dyatlov. In: RSI. 10. Januar 2022, abgerufen am 14. Oktober 2024 (italienisch, Link auf Stelle mit Interview mit J. Gaume).
- ↑ Alexander M. Puzrin, Johan Gaume: Post-publication careers: follow-up expeditions reveal avalanches at Dyatlov Pass. In: Communications Earth & Environment. Band 3, Nr. 1, 24. März 2022, ISSN 2662-4435, doi:10.1038/s43247-022-00393-x (nature.com [abgerufen am 14. Oktober 2024]).
- ↑ IUGG Early Career Scientist Awards 2015–2023. 2023, abgerufen am 12. September 2024.
Personendaten | |
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NAME | Gaume, Johan |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Forscher für Alpine Massenbewegungen und Hochschullehrer |
GEBURTSDATUM | 18. September 1985 |
GEBURTSORT | Morteau |