Judith Kohlenberger
Judith Kohlenberger (* 6. Dezember 1986 in Eisenstadt) ist eine österreichische Kulturwissenschafterin mit Schwerpunkt Migrationsforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kohlenberger hat an der Universität Wien das Diplomstudium der Anglistik und Amerikanistik mit einer Arbeit zur US-amerikanischen Populärkultur[1] abgeschlossen und, unter anderem als Fulbright-Stipendiatin[2], danach eine kulturwissenschaftliche Dissertation zu Darstellungen wissenschaftlicher Praxis verfasst. Diese Arbeit war Basis des 2015 erschienenen Sachbuchs The New Formula For Cool.[3][4][5] Sie lehrt an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU), der Universität Wien und an der FH Wien.[6]
Sie gehört seit 2019 dem Vorstand der Schumpeter Gesellschaft Wien an, seit 2020 als Generalsekretärin,[7] und ist am Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital, einer Forschungskooperation des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA), des Vienna Institutes of Demography der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Universität Wien, affiliiert.[8]
Kohlenberger publiziert in österreichischen Medien immer wieder zu ihrer Forschung[9][10], kommentiert aktuelle gesellschaftliche Debatten[11][12], wird zu Themen der Migration befragt[13][14] und schreibt regelmäßig für den FALTER Think Tank.[15]
Im zivilgesellschaftlichen Bereich engagiert sie sich mit der, gemeinsam mit Katharina Stemberger, Ferry Maier und anderen gegründeten Initiative Courage – Mut zur Menschlichkeit für legale Fluchtwege.[16][17] Daneben gehört sie dem Expertenrat Migration.Integration.Teilhabe des Österreichischen Integrationskongresses[18] und dem Integrationsrat W.I.R. der Stadt Wien an[19]. Sie ist weiters im Vorstand des Beratungszentrums für Migrantinnen und Migranten und des Wissenschaftsnetzs Diskurs[20] tätig. Im Rahmen eines Wissenschaftsvermittlungsprojekts hostet sie den Podcast Aufnahmebereit für Ankommende und Aufnehmende in der modernen Migrationsgesellschaft[21].
Unter dem Vorsitz von Zeynep Buyraç ist sie Vorstandsmitglied von SOS Mitmensch.[22]
Forschung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kohlenbergers Forschungsarbeit befasst sich mit Fluchtmigration und Integration, Flucht und Bildung, der Demografie von Displaced Persons sowie Krisennarrativen. Ihre Arbeit wurde in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht, darunter PLOS ONE, Refugee Survey Quarterly und Health Policy[23].
Seit Herbst 2015 arbeitet sie zu Fluchtmigration und Integration, unter anderem im Rahmen der Studie Displaced Persons in Austria Survey (DiPAS), welche erstmals in Europa das Humankapital und die Wertvorstellungen von Geflüchteten erfasst hat, und dem Refugee Health and Integration Survey (ReHIS) zur psychosozialen Gesundheit von syrischen, irakischen und afghanischen Geflüchteten, die ab dem Herbst 2015, dem Beginn der vom Bürgerkrieg in Syrien ausgelösten europäischen Flüchtlingskrise, in Österreich eintrafen.[24][25]
Am Institut für Sozialpolitik der WU Wien leitete sie mehrere Forschungsprojekte, darunter Women’s Integration Survey (WIN): Inclusion, Participation and Enablement of Refugee Women in Austria (2019–2021), einer Kooperation mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, dem Vienna Institute of Demography und dem Arbeitsmarktservice, welches sich den Integrationswegen geflüchteter Frauen widmet.[26][27] Zuletzt leitete sie ein Forschungsprojekt zu Studierenden aus dem Globalen Süden[28] und mit Fluchthintergrund an österreichischen Hochschulen (gefördert vom Jubiläumsfonds der Stadt Wien) sowie eine Primärdatenerhebung unter ukrainischen Vertriebenen in Wien[29].
Auszeichnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 2019: 8. Platz im Ökonomieranking „Deutschlands einflussreichste Ökonomen“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in der Kategorie Frauen[30][31]
- 2019: Kurt-Rothschild-Preis des Dr.-Karl-Renner-Instituts und des SPÖ Parlamentklubs zusammen mit Isabella Buber-Ennser und Bernhard Rengseine für den Displaced Persons in Austria Survey (DiPAS) als eine von vier neben dem Hauptpreis ausgezeichneten Arbeiten[32]
- 2021: Förderungspreis der Stadt Wien[33]
- 2022: Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch – Anerkennungspreis für Das Fluchtparadox[34]
- 2023: Wissenschaftsbuch des Jahres für Das Fluchtparadox
Publikationen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sachbücher
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- So schaffen wir das: Wie wir das Thema Asyl & Migration dem linken und rechten Rand abnehmen und die Krise überwinden. Edition a, Wien 2023, ISBN 978-3-99001-640-4 (gemeinsam mit Othmar Karas).
- Das Fluchtparadox: Über unseren widersprüchlichen Umgang mit Vertreibung und Vertriebenen. Kremayr & Scheriau, Wien 2022, ISBN 978-3-218-01345-1. Rezensionsnotizen dafür auf Perlentaucher.
- Die Couragierten: Zur transformativen Kraft der Zivilgesellschaft. Verein Globart, Wien 2022, ISBN 978-3-9502173-7-7. Rezension von Johann Günther im Austria-Forum.
- Wir. Kremayr & Scheriau, Wien 2021. ISBN 978-3-218-01255-3.
- The New Formula For Cool. Science, Technology, and the Popular in the American Imagination. transcript, Bielefeld 2015, ISBN 978-3-8376-3092-3 (zugl. Dissertation).
- Gegen die neue Härte, Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2024, ISBN 978-3-423-28448-6
- Grenzen der Gewalt: Wie Außengrenzen ins Innere wirken, Leykam, Graz 2024, ISBN 978-3-7011-8344-9
Buchbeiträge und Artikel (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- mit Isabella Buber-Ennser, Bernhard Rengs, Sebastian Leitner, Michael Landesmann: Gesundheitszugang von syrischen, irakischen und afghanischen Geflüchteten in Österreich: Ergebnisse aus dem Refugee Health and Integration Survey. In: Mathias Czaika, Lydia Rössl, Friedrich Altenburg, Anna Faustmann, Thomas Pfeffer (Hrsg.): Migration und Integration 7: Dialog zwischen Politik, Wissenschaft und Praxis. Edition Donau-Universität Krems, Krems 2019, ISBN 978-3-903150-40-9, S. 239–259.
- mit Isabella Buber-Ennser, Bernhard Rengs, Sebastian Leitner, Michael Landesmann: Barriers to health care access and service utilization of refugees in Austria: Evidence from a cross-sectional survey. In: Health Policy. Band 123, Nr. 9, 2019, doi:10.1016/j.healthpol.2019.01.014, S. 833–839.
- mit Isabella Buber-Ennser: Die AsylwerberInnen der letzten Jahre sind meist Analphabeten. In: Max Haller (Hrsg.): Migration und Integration: Fakten oder Mythen. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2019, ISBN 978-3-7001-8421-8, S. 125–137 (PDF, 87 kB).
- Zwischen ‚Seebrücke‘ und ‚Außengrenzschutz‘: Politische Krisennarrative und ihre Effekte auf die europäische Migrationspolitik. In: Kurswechsel, Band 1, 2019, S. 15–22 (PDF, 140 kB).
- mit Isabella Buber-Ennser, Anne Goujon, Bernhard Rengs: Multi-Layered Roles of Religion among Refugees Arriving in Austria around 2015. In: Religions, Band 9, Nr. 5, 2018, doi:10.3390/rel9050154, Artikel-Nr. 154 (Open Access).
- mit Bernhard Köppen, Michael Horn: Neue Heimat in Europa: Regionaler Flüchtlingszuzug in Deutschland und Österreich. In: Informationen zur Raumentwicklung, Band 1, 2018, S. 96–109 (PDF (Link defekt), 949 kB).
- mit Wanda Spahl, Sabine Weiss, Isabella Buber-Ennser: Immigration and the Social Welfare State in Austria, Germany, and Switzerland: A comparative meta-study. VID Working Papers, Band 18. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 2017, hdl:10419/184846.
- mit Bernhard Rengs et al.: Labour Market Profile, Previous Employment and Economic Integration of Refugees: An Austrian Case Study. VID Working Papers. Band 13. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 2017, hdl:10419/184841.
- mit Isabella Buber-Ennser, Bernhard Rengs, Zakarya Al Zalak: A Social Survey on Refugees in and Around Vienna in Fall 2015: Methodological Approach and Field Observations. In: Refugee Survey Quarterly, Band 36, Nr. 4, 2017, doi:10.1093/rsq/hdx01, S. 1–20.
- mit Isabella Buber-Ennser et al.: Human Capital, Values, and Attitudes of Persons Seeking Refuge in Austria in 2015. In: PLOS ONE. Band 11, Nr. 9, 2016, doi:10.1371/journal.pone.0163481, S. 1–29.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Judith Kohlenberger im Katalog des Österreichischen Bibliothekenverbundes
- Persönliche Website
- Judith Kohlenberger - Website WU Wien
- Madame Wien: Migration als Wachstumsmotor, 5. November 2020 (Porträt).
- Ö1-Radiothek: Judith Kohlenberger leistet gesellschaftliche Übersetzungsarbeit, 7. März 2021.
- Caritas Österreich: Migration und Integration werden in Österreich stark defizit-orientiert diskutiert, 2021 (Interview).
- Vordenker
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Vordenker der Aufklärung
- Flüchtlingsarbeit
- Resettlement
- Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Isn't it Byronic? Abgerufen am 29. Januar 2023 (österreichisches Deutsch).
- ↑ Fulbright Prizes – Austrian Association for American Studies. Abgerufen am 11. März 2021 (amerikanisches Englisch).
- ↑ Katerina Delikonstantinidou: Judith Kohlenberger, The New Formula for Cool: Science, Technology, and the Popular in the American Imagination. In: European Journal of American Studies. 2016, abgerufen am 10. März 2021 (englisch).
- ↑ Susanne Hamscha: Judith Kohlenberger: The New Formula for Cool: Science, Technology, and the Popular in the American Imagination. In: Deutsche Gesellschaft für Amerikastudien (Hrsg.): Amerikastudien/ American Studies. Band 62, Nr. 1. Marburg 2017, S. 345 ff.
- ↑ Annegret Scheibe: Judith Kohlenberger: The New Formula for Cool: Science, Technology, and the Popular in the American Imagination. In: MEDIENwissenschaft. Band 34, Nr. 1. Schüren, Marburg 2017, S. 56.
- ↑ wu.ac.at: Judith Kohlenberger; abgerufen am 7. März 2021
- ↑ Vorstand der Schumpeter Gesellschaft. In: schumpetergesellschaft-wien.com. Abgerufen am 11. März 2021 (österreichisches Deutsch).
- ↑ Dr. Judith Kohlenberger - Curriculum Vitae. 2022, abgerufen am 31. Oktober 2022.
- ↑ Judith Kohlenberger: "Integration durch Leistung" ist konsensfähig. In: Der Standard. 22. August 2019, abgerufen am 10. März 2021.
- ↑ Studie: Syrische und irakische Flüchtlinge haben "relativ hohen Bildungsgrad". In: Der Standard. 23. September 2020, abgerufen am 10. März 2021.
- ↑ Judith Kohlenberger: Migrationshintergrund – ein überholter Begriff. In: Der Standard. 23. Januar 2021, abgerufen am 10. März 2021.
- ↑ Judith Kohlenberger, J. Olaf Kleist: Eine nachbarschaftliche Allianz für Moria. In: Die Presse. 4. Oktober 2020, abgerufen am 10. März 2021.
- ↑ Elisabeth Postl: "Geflüchtete fühlen sich stark instrumentalisiert". In: Die Presse. 4. Juni 2019, abgerufen am 10. März 2021.
- ↑ Experten und Opposition für Aufnahme Geflüchteter aus Lesbos. In: Wiener Zeitung. Abgerufen am 17. Dezember 2020.
- ↑ FALTER THiNK-TANK AutorInnen: Judith Kohlenberger. In: Falter. Abgerufen am 9. März 2021.
- ↑ Impressum. In: Courage jetzt. Abgerufen am 11. März 2021 (deutsch).
- ↑ Judith Kohlenberger leistet gesellschaftliche Übersetzungsarbeit. In: Ö1. 7. März 2021, abgerufen am 11. März 2021.
- ↑ Kohlenberger Judith, Dr.in. In: integrationskongress.at. Archiviert vom am 17. Oktober 2021; abgerufen am 11. März 2021 (deutsch).
- ↑ Wiener Integrationsrat, Mitglieder. Abgerufen am 29. Januar 2023 (deutsch).
- ↑ Über den Verein Diskurs. Abgerufen am 29. Januar 2023.
- ↑ Spotify: Aufnahmebereit. Abgerufen am 29. Januar 2023 (deutsch).
- ↑ SOS Mitmensch: Zeynep Buyraç neue Vorsitzende von SOS Mitmensch. In: ots.at. 6. März 2024, abgerufen am 6. März 2024.
- ↑ WU Wien: Judith Kohlenberger. Abgerufen am 29. Januar 2023 (deutsch).
- ↑ DiPAS - Displaced Persons in Austria Survey. Österreichische Akademie der Wissenschaften, 2020, abgerufen am 10. März 2021 (amerikanisches Englisch).
- ↑ ReHIS Project - Refugee Health and Integration Survey. Österreichische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 10. März 2021.
- ↑ Neues Projekt: Women’s Integration Survey (WIN): Inklusion, Teilhabe und Enablement geflüchteter Frauen in Österreich. In: Wirtschaftsuniversität Wien/Institut für Sozialpolitik. Abgerufen am 9. März 2021.
- ↑ WIN Project. In: Österreichische Akademie der Wissenschaften. Abgerufen am 9. März 2021.
- ↑ Studierende aus Entwicklungsländern und Studierende mit Fluchthintergrund an Wiener Hochschulen. Abgerufen am 29. Januar 2023.
- ↑ Ukraia - Ukrainian Arrivials in Austria. Abgerufen am 29. Januar 2023 (englisch).
- ↑ F.A.Z.-Ökonomenranking, Die Tabellen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 4. Oktober 2019, abgerufen am 9. März 2021.
- ↑ diepresse.com vom 25. November 2019: Wirtschaftsweise Schnabel ist "einflussreichste Ökonomin"; abgerufen am 7. März 2021
- ↑ renner-institut.at: Preisträger_innen 2019; abgerufen am 7. März 2021
- ↑ Auszeichnungen: Förderungspreise der Stadt Wien 2021 vergeben. In: Wiener Zeitung. 16. August 2021, abgerufen am 17. August 2021.
- ↑ Robert Menasse erhält den Bruno-Kreisky-Preis 2022. In: Salzburger Nachrichten/APA. 1. Januar 2023, abgerufen am 1. Januar 2023.
Personendaten | |
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NAME | Kohlenberger, Judith |
KURZBESCHREIBUNG | österreichische Kulturwissenschaftlerin |
GEBURTSDATUM | 6. Dezember 1986 |
GEBURTSORT | Eisenstadt |